der Formung ist nicht zu übersehen. Besonders deutlich verrät sie sich in den Stilfiguren, die die Aussage strukturieren. Bereits vom Titel her fäilt die Neigung zur Antithese auf, die als Illustration von „reich“ und „arm“ dann geradezu zu einem übergeordneten Kompositionsprinzip des Gedichts wird. Auffällig auch das Element der Reihung (bes. deutlich V. 34 ff. und 39 ff., aber auch etwa als reihende Anordnung der Ich-Aussagen V. 14—30), verbunden mit der Tendenz, solche Reihen am Ende einer Versgruppe mit sinnbeschwerten Aussagen abzuschließen, die pointieren und zusammenfassen (z. B. V. 38 und V. 53, verwandt aber auch V. 12, 22 und 30): ein Verfahren, das mit den letzten beiden Zeilen abermals auch den übergeordneten Zusammenhang des Gedichts prägt. Aller literarische Aufwand wird freilich eher heruntergespielt als hervorgekehrt. Der Reiz dieser Lyrik liegt gerade darin, daß unter der Oberfläche eines prosanahen Sprechens, das sich eigentümlich anspruchslos gibt, die hochgradige Kunstbewußtheit faßbar bleibt — als thematische Strukturierung, sprachliche Sensibilität oder auch metrische Rhythmisierung.
Entscheidende Vermittlungen übernimmt nun in diesem Zusammenhang gerade auch der Humor. Denn auf der einen Seite begünstigt er das Unpathetische und die Nähe zum Alltag, auf der anderen Seite trägt er als „dichterische Einbildungskraft“'' 1 maßgeblich dazu bei, den Kunstcharakter zu verbürgen. Wir assoziieren mit Humor gemeinhin die Erwartung einer Einschränkung von Kritik, und auch bei Fontane trägt er gewiß dazu bei, die Schärfe der Satire zu brechen. Andererseits gehen gerade bei diesem Autor Humor und Zeitkritik eine enge Verbindung ein. In unserem Gedicht nutzt der Humor das Element des Alltäglichen zu einer desillusio- nierenden Kontrastierung. Bereits im kleinen ist das zu beobachten. Da wird der Flug der „Adler“ zum „Spatzenflug“ degradiert, der Baron mit Rennstallpferden zum „Hoppegartenbaron“ (nach dem volkstümlichen Namen einer Pferderennbahn). Baron und Hoppegarten: die Konfrontation des „Hohen“ und des „Niederen“ bringt Komik hervor, und die Wortungetüme, die der Dichter vom „Grünkramhändler“ an häuft, signalisieren gleichzeitig etwas vom materiell Aufgeplusterten der hier angesprochenen gesellschaftlichen Existenzen. Abgewertet werden sie. gleichzeitig auch dadurch, daß in der großflächigeren Abfolge des Gedichts solcher Banalität nun das vermeintlich Höhere und „Idealere“ entgegengestellt wird. Schon die klangvollen Namen — Demidoff, Yussupoff oder Dolgorucky — sprechen für ein neues Moment des „Poetischen“, demgegenüber das Vorausliegende denkbar prosaisch erscheint. Verdächtig sind andererseits bereits die Akzente des Unwirklichen, die der Zitierung zeitgeschichtlicher Autoritäten beigemischt werden: vor allem der Eindruck der Ferne und Fremde, verbunden mit einem scheinbar selbstgenügsamen Schwelgen in exotischen Klangwirkungen, bevor die letzten Verse, wiederum den Kontrast zum Alltag nutzend, das Illusionäre tatsächlich bewußt machen. Nadi beiden Seiten hin werden die Kontraste also aufgeboten, um eines durch das andere zu desillusionieren, erweist sich die Demaskierung des Scheinhaften als durchgängiges Thema des Gedichts.
In der Äußerungsweise des Gedicht-Ich wird dabei eine Subjektivität greifbar, die zu den Bedingungen des Humors wie auch der Lyrik insgesamt
346