Heft 
(1983) 35
Seite
349
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Wer zuerst nach dem Historischen in diesem geschichtlichen Charakter­bild fragt, wird den Exerziermeister der preußischen Armee erkennen, dem der Gleichschritt und der eiserne Ladestock verdankt wurden und der seine Kinder am liebsten ohne systematische Unterrichtung hätte auf­wachsen lassen; er beherrschte tatsächlich nur die Melodie des ihm ge­widmeten Militärmarsches und sang, wie es heißt, alle Kirchenlieder un­verdrossen nach dieser einen Melodie. Die geistige Bewegung, auf die dem­gegenüber verwiesen ist, .mag jener Leser dann als Aufklärung ansprechen. Die sinngebenden Elemente des geistigen Lebens, zu dessen Anliegen und Bewegung der siegreiche Heerführer in Gegensatz steht, gehören aber weit mehr in die Mitte des 19. als des 18. Jahrhunderts:

Nicht mocht er Phrasen türmen'

Von Fortschritt, glatt und schön,

Er wußte nur zu stürmen Die Kesselsdorfer Höhn,

Bevor noch das unverblümte Fazit gezogen wird, ahnt man, wozu das Bild des notorischen Zopfträgers einer, wie sie schließlich erscheint, neumodi­schen Zeit entgegengehalten wird, die auf ihn herabsieht:

Wir haben viel vonnöthen,

Trotz allem guten Rath,

Und sollten schier erröthen Vor solchem Mann der That.

Ernst Köhler hat in seiner grundlegenden Untersuchung derBalladen­dichtung im Berliner ,Tunnel über der Spree 1 den Zusammenhang der Preußenlieder mit Fontanes früherer Lyrik, auch der politisch freiheit­lichen und sozialen, hervorgehoben.Nicht allein im ,Alten Dessauer 1 , an dessen Schluß es direkt ausgesprochen ist, auch in den anderen Gedichten feiert Fontane seine Helden vor allem als Männer der Tat. Damit wird ein altes Thema seiner frühen Dichtung um einen wesentlichen Zug be­reichert. Hatte er sich in kritischer Skepsis von der Rhetorik der politi­schen Lyriker abgewandt und seiner Tatensehnsucht in persönlich ge­haltenen lyrischen Stücken Ausdruck verliehen, war in den sozialen Bal­laden, in der Passivität ihrer Menschen, dieser unbefriedigte Tatendrang als verdeckte Grundstimmung zu bemerken gewesen, so vollzieht er in den Preußenliedern einen bedeutsamen Übergang, wenn er sich nun zu Männern bekennt, die ihr Schicksal nicht widerstandslos, etwa als Sühne für eigene Schuld, hinnehmen, sondern es handelnd bezwingen. Im gan­zen wie im einzelnen wird der Zusammenhang mit jenen früheren Dich­tungen deutlich. Wenn er betont, daß der Alte Dessauer ,nie mit Wor­ten ... seine Feinde fraß 1 , so knüpft das direkt an zahlreiche Stellen seiner politischen und persönlichen Lyrik an man denke etwa an ,Unsere Zeit 1 oder an das zweite Wunschgedicht, und die Momente einer Zivilisations­kritik, die in den persönlichen Gedichten und in dgn Naturballaden auf- treten, finden ihre Fortsetzung in der Bildungskritik des ,Alten Dessauers.' 1 Auch die in den Preußenliedern manifest gewordene Hinwendung des de­mokratisch gesinnten Vormärzdichters zur Welt altpreußischer Gestalten