and Ideale, ein zwielichtiger Vorgang, an dem noch lange gerätselt wurde, ist von Köhler bereits in vielen Zügen aufgeklärt worden; es verdient nicht bloß wissenschaftlichen Respekt, wie er im Jahre 1940 die Kontinuität freiheitlicher Grundüberzeugungen beim jungen Fontane entwik- kelt hat, die von preußischem Traditionsgut wohl überlagert, aber nicht verschüttet wurden, ihn vom politischen Preußentum des „Tunnel“ fernzuhalten vermochten und sich 1848 revolutionär entluden. Nur verliert sich bei Köhler, was den „Alten Dessauer“ angeht, die poetische Besonderheit und Leistung des Gedichts. 5 Ähnlich bleibt die polemische Positionsbildung unbemerkt, die Fontane damit vornahm und die eine genauere Positionsbestimmung erlaubt.
Den „Alten Dessauer“ unterscheidet am offensichtlichsten von den anderen gleichzeitig entstandenen Preußenliedern, daß als ein weiterer, übergeordneter Rollenspieler — als Sänger — Fontane in Person in das Gedicht eintrat. Sonst verzichtete er fast ganz auf die Gelegenheit zu einer ausdrücklichen Ich-Gestaltung, die über den Lobpreis des Helden hinausginge. Lediglich in „Ein letzter Wille“ liegen die Dinge anders. Aber auch hier meldet sich das Ich, das ebenfalls den Autor vertritt, nur anfangs offen zu Wort. Es wünscht, sich zum Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. in gehörige Distanz zu bringen, bevor es zurücktretend dessen Testament und gefaßtes Ende zum Gegenstand nimmt:
„Da liegt er, der in Trachten
Und Dichten nie mein Mann,
Doch ist nicht zu verachten
Wer, gleich ihm, sterben kann.“ 6
Beide Male jedoch, hiei^ und bei Leopold von Anhalt-Dessau, handelt es sich um Gestalten, die keine ungeteilte Identifizierung zulassen. Der Absolutismus des einen, das zumindest Illiterate des anderen versetzten Fontane bei ihrer Aufwertung in einen Unterscheidungs- und Rechtfertigungszwang, der sein Selbstverständnis ebenso betrifft wie seine Selbstdarstellung vor einem näheren oder weiteren Publikum. Poetische Bravour bewies er, indem er diese Rechtfertigung und Unterscheidung im „Alten Dessauer“ nicht nur offenlegte, sondern durchspielte. Über die Gestalt und Stimme des Sängers ließ sich der dargestellte Held in seinem Widerspruch vorführen, waren das Bild, das die Öffentlichkeit von ihm hatte, in seiner Geteiltheit und die subjektive Parteinahme des Autors in ihrer Bedingtheit zu zeigen und zusammenzubringen. Spannungsfülle und Beziehungsreichtum, die so zustandekamen, vereinbarten sich mit betonter Simplizität, so daß das Stück dasteht wie aus einem Guß.
Eine glückliche Hand bei der Gegenstands-, Motiv- und Formenwahl gehörte dazu. „Meine Aufgabe beim Niederschreiben aller dieser Gedichte war nur die“, erläuterte Fontane dem Redakteur des Cottaschen Morgenblattes für gebildete Stände“, „den poetischen Ausdruck für das zu finden, was bereits im Munde des Volkes lebt, und in diesem bescheidenen Sinne wag’ ich sie volksthümlich zu nennen. Das Volk weiß vom Derffling nichts weiter als daß er Schneider war; den alten Dessauer betrachtet es als den eigentlichen Repräsentanten der Zopfzeit; (...)_ auf
350