Heft 
(1983) 35
Seite
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So betraf es keine private Belanglosigkeit, wenn Georg Förster, während er auf die Errichtung der Republik hinarbeitete, Ende 1792 aus Mainz vermeldete:Heute morgen entschloß ich mich kurz und gut, ohne einem Menschen ein Wort davon zu sagen, meinen Zopf zu verabschieden. 1:1 Aber es bedurfte dieser Politisierung nicht, um den Zopf als ein Zeichen der Konformität mit den gehobenen Ständen zu verstehen und zum Zei­chen des Protestes auf ihn zu verzichten. Jean Paul Friedrich Richter hatte dafür während seiner Leipziger Studien- und Hungerzeit anfangs der achtziger Jahre ein Beispiel gegeben.

Zu literarischem Eigenleben erwachte der Zopf, als sein irdisches Dasein hinter ihm lag und durch den Flammentod auf dem Wartburgfest besie­gelt war. ChamissosTragische Geschichte von einem,dems zu Herzen ging, daß ihm der Zopf so hinten hing, ohne daß er ihn durch vieles Drehen und Wenden loswerden konnte, ist wohlbekannt. Die kleine Satire, 1822 aus unschuldigem Anlaß entstanden 1 ' 1 , leitete eine literarische Ver­wendung als symbolisches Motiv und symbolisches Bild ein, die zur Mitte der vierziger Jahre hin dem Höhepunkt zustrebte.

Daß und wie sich der junge Fontane in seinen radikalen Anfängen an diesem Bildgebrauch beteiligte, der sich schon auf einen allgemeinen Sprachgebrauch stützte, bewies noch keine Originalität. Fontane vermied den Anklang an Chamisso nicht, als er reimte:

Armer Tropf, armer Tropf,

Dem der Herr Magister Zopf Stets im Nacken baumelt,

Dessen Seele nur allein,

Wenn er, voll Dreimännerwein,

Mal bacchantisch taumelt. 15

Das war der Zopf des Philisters, an den sich auch das Studentenlied hielt, das dreißig Jahre nach dem Wartburgfest zuerst gesungen wurde: Burschen, heraus!

Laß es schallen von Haus zu Haus!

Ruft um Hilf die Poesei Gegen Zopf und Philisterei,

Dann heraus bei Tag und Nacht,

Bis sie wieder frei gemacht!

Burschen, heraus!* 6

Bei Fontanes väterlichem Freund Wilhelm von Merckel ist es gar der Erz-Philister, der von Eulenspiegel an einem überdimensionalen Zopf gezogen wird. Er findet sich in MerckelsMärchen, einer sehr sonder­baren, hochgestimmten kleinen Allegorie auf die Unaufhaltsamkeit, mit der Freiheit und Wahrheit ein irregeleitetes Volk ereilen.' 7 Ein zweites frühes Gedicht Fontanes verrät mehr von der Spannweite des Motivs. Er wollte damit das deutsche Volk fürs Recht der PolenZum Kampf! gegen das Zarenreich rufen. Hier war der Zopf noch nicht, wie dann imAlten Dessauer, mit bewundernswürdiger Tatkraft verknüpft, sondern umgekehrt mit politischer Tatenlosigkeit:

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