Heft 
(1983) 35
Seite
353
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Ihr legtet längst beiseit die alten Zöpfe,

Doch sei geduldig wie zur Zöpfe Zeit 18 Bei einem Seitenblick auf Freiligrath und Gutzkow, der bloß die Anlage des Motivs ins Auge faßt und die poetische Verwirklichung außer acht läßt, schneidet der Anfänger Fontane nicht schlecht ab. Dem Freiligrath der SammlungEin Glaubensbekenntnis, mit der er 1844 ins Lager der Opposition ubertrat, war Fontane in dieser Sache damals sogar einen Schritt voraus. FreiligrathsPrinz Ludwig von Preußen, der demAlten Dessauer der Gattung nach nahe steht, bot eine besonders ausgeprägte Variante des Motivs. Er pries in diesem historisch-anekdotischen, etwas angestrengt um Volkstümlichkeit bemühten Lied den Prinzen Louis Fer­dinand, weil er sich gemeinsam mit seinen Offizieren bei einem Gelage die alten Zöpfe abgeschnitten hatte. Unter Hinblick auf das militärische Debakel von 1806 wird davon die Nutzanwendung gemacht:

Der Armeezopf liegt erstochen,

Jenas Zopf auch ist gerochen,

Doch manch andrer macht sich breit!

Wann zerfetzt uns die ein Retter?

Ludwig, schick' ein Donnerwetten In die Zöpfe dieserZeit! I!l

Das ist im Oktober 1843, zu Beginn von Freiligraths eigentlichem Positions­wechsel geschrieben und klingt radikaler als es schon ist. Denn die sati­rische Kraft des Motivs wird nicht unerheblich beeinträchtigt, weil er es innerhalb des Bannkreises preußischer Tradition beläßt. Er begnügt sich damit, eine positive Spielart ins Feld zu führen, wenn er den populären Prinzen, der ein faszinierendes, aufgeschlossenes Naturell besaß und ein leidenschaftliches Leben mit der Gloriole des Heldentodes gekrönt hatte, gegen die ebenso umfassend wie vage bezeichneten Rückständigkeiten der Gegenwart in Anspruch nimmt.

Danach läßt es sich verstehen, daß der Rheinpreuße Freiligrath im Fe­bruar 1844 mit Vergnügen, Genugtuung und im besten Einvernehmen mit dem Berliner Gutzkow dessen neuestes Bühnenstück, nämlich ,Zopf und Schwert', ein prächtiges Stück voll echter, wirksamster Komik, über die Bretter gehen sah.* 1 Das Verbot dieses Lustspiels für Preußen kann man sich nur durch die Scheu des Herrscherhauses vor der theatralischen Pro­fanierung und durch die jungdeutsch vorbelastete Person Gutzkows er­klären, wenn man nicht eine allerabsolutistischste Empfindlichkeit an­nehmen will. Gutzkow stellte den grotesken Familienzwist dar, der seiner­zeit im Hause Hohenzollern um die Verheiratung der Schwester des Kronprinzen Friedrich entbrannte, die dann als Markgräfin von Bayreuth offenherzige Memoiren hinterließ; er übersetzte ihn aber mit leichter Hand *n ein harmloses patriotisches Intrigenspiel. Den Familienvater und Sol­datenkönig Friedrich Wilhelm I. charakterisierten die Schlußworte:Er wollte mit seinem Schwert wohl König, aber mit seinem Zopf im Staat nur der erste Bürger sein. 21

Bei diesen Worten, die besser nicht als bare historische Münze zu nehmen sind, kann man innehalten, weil sich einige Folgerungen anbieten, s>:e