gelten nicht den radikalen Anfängen Fontanes, sondern dem Dichter der Preußenlieder. Ihn verbinden bei der Mobilisierung der Vergangenheit zeittypische Gemeinsamkeiten mit Freiligrath und Gutzkow, während er sich zu ihnen in Widerspruch setzt, was den aktuellen Gehalt dieser Mobilisierung betrifft.
Zeittypisch waren die Versuche, aus der preußischen Geschichte Verbündete gegen das Vormärzpreußen zu rekrutieren. In der ersten Linie rangierte Friedrich II., genannt der Große. Carl Friedrich Koppen hatte 1840 mit einem Buch über ihn, das er dem „Freunde Karl Heinrich Marx aus Trier“ widmete, den Anfang gemacht. 22 Kein Wunder, daß Friedrich, der nicht von ungefähr als der Genius und Inbegriff des Staatswesens vorschwebte, in der oder jener Weise bei Herwegh und Freiligrath, bei Gutzkow und Fontane auftrat. Ob jedoch der geniale Sohn oder sein barbarischer Vater heraufbeschworen wurden, ob der junge Louis Ferdinand oder der Alte Dessauer — in jedem Fall bekundete sich ebensowohl die Opposition wie die Schwäche dieser Opposition, die an eine zeitgemäße Erneuerung jenes Staatswesens dachte und noch nicht an Umwälzungen, die sich nicht mehr in regenerativen Bildern hätten ausdrüeken lassen. Schon aus diesem Grunde ist die Meinung nicht aufrecht zu erhalten, „unverkennbar revolutionärer Tatendrang“ sei die Gesinnung, in der der Fürst Leopold von Dessau der Gegenwart als Vorbild vorgeführt werde. 23 Das hieße Fontane allzu geradlinig vom Radikalismus der ersten vierziger Jahre zu seinem radikalen Auftreten in der Märzrevolution von 1848 hinüberzuführen.
Doch damit nicht genug. Bei Fontanes Lebzeiten wußte man noch, daß sein Preislied auf den Alten Dessauer und dessen Zopf eine Replik auf das Preislied war, mit dem Freiligrath den Prinzen Louis Ferdinand gefeiert hatte. 24 (Auch in dieser Eigenschaft als Antwort- und Streitgedicht ist „Der alte Dessauer“ echte Vormärzlyrik, die sich mit Vorliebe dieser Gattung zur öffentlichen Positions- und Meinungsbildung bediente.)
Die Verzögerung, mit der sich Fontane zu Wort meldete, ist auffällig. Er besann sich auf die zeittypische regenerative Traditionsmobilisierung erst im Verlauf der Differenzierungsvorgänge innerhalb der intellektuellen Opposition, die sonst davon wegführten. Nicht allein der Wortlaut seines Gedichts, auch diese Gegenläufigkeit der Entwicklungen bezeugte, daß bei ihm ein Abgrenzungsprozeß in Gang gekommen war, der zwar mit einer Anpassung an den Geschmack des „Tunnels“ einherging, sich aber keineswegs darin erschöpfte. Fontanes Wendung gegen Freiligrath verträgt sich nicht mit der Annahme, daß er „seine Feldherrnstoffe als ein Reservoir für eine an ihnen zu erprobende und zu entwickelnde poetische Fertigkeit“ betrachtet habe, ,„rein ästhetisch“ 1 und unter Trennung von „Kunst und Ideologie“. 25
Abwendungen und Abgrenzungen von der Oppositionsbewegung waren Mitte der vierziger Jahre kein Einzelfall. Franz Dingelstedt, der als „kosmopolitischer Nachtwächter“ 1841 neben Herwegh gestanden hatte, machte Ernst mit der spaßhaften Ankündigung: „Ich muß Geheimer Hof rat werden.“ 20 Und Wilhelm Jordan, der von Herwegh als „Ein ganzer deutscher
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