Mann,/Ein Deutscher und ein Freier“ 2 ' begrüßt worden war, begründete 1846 seinen Gesinnungswandel, seine Absage an die „modischen Jakobiner“ und „Liberalen“, indem er auf die Frage:
„Du spottest über die Freiheitsphrasen
Und hast die Sturmposaune geblasen?“
zur Antwort gab:
„Die Frei heitsphrasen sind mir nun verhaßt.“ 28
Es ist nicht bedeutungslos, daß Fontane statt der Freiheits- die Fortschrittsphrasen ironisierte, ändert aber nichts an der mit den Preußenliedern bezogenen Parteistellung. Preußische Überlieferung diente in diesen Liedern, soweit sie dem Vormärz entstammen, zum verbindenden Band zwischen dem Volk und dem militärisch-monarchischen Staatswesen, das es sich leicht gefallen lassen konnte, in dieser Weise an seine Verpflichtungen aus größeren Tagen erinnert zu werden. Seine Problematik blieb unberührt; im „Tunnel“ war man mitnichten so borniert, immer den literarischen Nachteil zu übersehen, den die daraus herrührende starke Tendenz zum Konfliktverzicht mit sich brachte. Diese Tendenz ist eine lehrreiche Erscheinung nicht nur deshalb, weil sie sich in Fontanes späterer patriotischer Lyrik wiederfindet.
„Der alte Dessauer“ ist davon freigehalten. Fatal bleibt dennoch die Unbeschwertheit, womit der Literat, der Fontane werden wollte, sich in der erklärten Bildungsfeindlichkeit zurechtfand, die sich — soziologisch unschwer verständlich — im preußischen Militär und Junkertum fortpflanzte und nur zu oft mit Menschenverachtung gepaart war. Leopold von Dessau war keine Ausnahme. Wenn Fontane sich darauf berief, dem volkstümlichen Bild seiner Helden kein fremdes untergeschoben, sondern es nur ausgebaut zu haben, dann konnte das für den „Alten Dessauer“ auch als eine Entschuldigung aufgefaßt werden. Fontanes Gedicht, das Nutzen aus dem Widerspruch seines Helden zog, ließ davon wohlweislich bloß den harmlosen Teil zum Vorschein kommen. Es beschönigt die historische Gestalt in einem Maße, zu dem sich Varnhagen nicht einmal in einem Lebensabriß des Dessauers verstehen mochte, den er 1825 dem damaligen Kronprinzen und späteren König Friedrich Wilhelm IV. zueignete. Fontanes Gedicht entwirft ein Bild, das weitgehend mit der abschließenden Zusammenfassung bei Varnhagen übereinstimmt. Daß der Fürst jedoch in jungen Jahren ein brutaler Genußmensch, ein Mörder aus (unbegründeter) Eifersucht war und noch im Alter ein ungezügelter Despot, der wenig Wert auf ein Menschenleben legte Dinge, die man bei Varnhagen erfährt — kann man bei Fontane nicht ahnen. Die auf Identifizierung mit dem Helden angelegte Wirkungsstrategie der Preußenlieder vertrug sich wohl mit dem Derben und Beschränkten, nicht jedoch mit dem Exzessiven, wie sie andererseits auch positivere Züge ausschloß: Leopolds Liebesromanze mit einem bürgerlichen Mädchen, die zu einer lebenslangen, legitimen und glücklichen Ehe führte, oder seine - wieder- um nicht uneigennützigen — Verdienste um die Landeskultur.
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