Heft 
(1885) 39
Seite
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Deutsche Noman-Bibliothek.

scheuert sich auf, wenn sie auf dem Rücken schläft. Dir üian, aber sie weiß sich zurecht zu machen, trägt einen tiefen Aus­schnitt, recht spannend über den Schultern, daß die Muskeln hervorspringen voila, der Effekt ist da. Aber Du ach du lieber Gott! Das junge Mädchen: ... Die Dame: Mit Deiner Stimme weißt Du auch nichts anzu­fangen! . . . Sie ist brillant, eine Stimme für's Theater . . .

(Das junge Mädchen zuckt unmerklich die Achseln.) Die Dame: Du brauchst nicht zu thun, als ob ich übertriebe Duprez selbst hat es mir gesagt. Aber niemals willst Du Dich hören lassen, Gott bewahre; und neulich, als Herr von Belayor Dir sagte, nichts sei verführerischer für ihn als eine schöne Stimme, weigertest Du Dich sogar rundweg, etwas vorzutragen . . . warum hast Du Dich geweigert, gerade als er Dich darum bat? Das junge Mädchen: ... Die Dame: Ich bitte mir aus, daß Du antwortest! Das junge Mädchen: Schreie nur nicht so laut, sonst hören Dich die Leute, die hinter uns kommen. Die Dame: Sie hören ja gar nicht her. Das junge Mädchen: Schade, Dein Sermon würde sie gewiß amüstren. Die Dame: Wirst Du jetzt antworten? Das junge Mädchen: Du siehst doch wohl, daß ich absichtlich schweige, damit Deine Vorlesung nicht, wie gewöhnlich, in einen Zank ausarte. Die Dame: Ich habe Deine Dummheiten aber ein- für allemal satt. Glaubst Du vielleicht, daß es amüsant ist, sich mit solch' großer Person von fünfundzwanzig Jahren herumzuschleppen ... Das junge Mädchen: Sechsundzwanzig, Mama. Die Dame: Schreie es nur gleich von den Dächern . . . mit solch' großer Person, die sich nicht zu helfen weiß ... Das junge Mädchen: Da bei Dirsich zu helfen wissen" so viel heißt, alssich dem ersten besten Manne an den Hals Wersen".

Die Dame: Herr von Belayor ist aber nicht dererste Beste". Das junge Mädchen: Der oder ein Anderer, das gilt mir gleich. Ich erkläre Dir ein- für allemal, daß ich mich nicht zu den zweifelhaften Kunstgriffen hergebe, die Du mir proponirst. Die Dame: Und ich meinestheils erkläre Dir, daß ich keine Lust mehr habe, Dich länger überall herum­zuschleppen. Da geht man dieser Person wegen des Sommers in die Bäder, besucht im Winter zahllose Bälle und Gesell­schaften, macht im Frühjahr die Wettrennen mit, von den Wohlthätigkeitsbazars, Ausstellungen, Theatern, Konzerten und so weiter gar nicht zu reden, kurz, man erscheint an jedem öffentlichen Orte, gibt sich die allergrößte Mühe, und wozu? Daß ich ein Narr wäre! Das junge Mädchen: Da hast Du Recht, Mama. Du führst mich viel zu häufig an die Orte des Vergnügens. Die Dame: Weil ich die Ver­pflichtung fühle, mich für Dich aufzuopfern ... Das junge Mädchen: Oder besser, weil Du Dich dort amüsirst, und mich nimmst Du mit, weil Du weißt, daß Papa weniger freigebig im Punkte Deiner Toiletten sein würde, wolltest Du ohne mich in Gesellschaft gehen. Ich bin dann immer ein be­quemer Vorwand. Weiß Gott, Du hast Dich nicht beeilt, mich der Gesellschaft zu zeigen. Bis zu meinem zwanzigsten Jahre hast Du mich zu Hause gehalten, ich mußte erst alt werden, bis Du Dich bequemtest, von Deinemsüßen Töchtcr- chen" zu sprechen. Die Dame: Ah, jetzt kommen die Vor­würfe ... Das junge Mädchen: Bin ich es etwa, die das Gespräch vom Zaun gebrochen hat? Die Dame: Nein, ich fing davon an, um Dich zu überzeugen, daß man nichts Besseres thun kann, als sich so rasch als möglich zu ver­heiratheu, und daß man zu diesem Zwecke alle Minen springen lassen muß. Liebenswürdig sein gegen die Männer und Illu­sionen bei ihnen erwecken, das ist die Hauptsache. Das willst Du aber nicht cinsehen, und so werde meinetwegen eine alte Jungfer. Du wirst schon fühlen, wie angenehm es ist, einsam zu altern, verbittert, von der Welt verlacht, in einer Ecke zu sitzen, wenn die Anderen . . . Das junge Mädchen: Es ist sehr angenehm, was Du mir da sagst. Die Dame: An­genehm oder nicht, es ist die Wahrheit; als Mutter bin ich verpflichtet, sie Dir zu sagen. Deine Situation ist nun ein­mal eine ganz falsche; Du wirst bereits zum alten Eisen ge­rechnet, während Andere in Deinem Alter noch eine Rolle spielen; das kommt, Du bist eben linkischer, einfältiger und langweiliger als diese Anderen. Das junge Mädchen (in wachsender Erregung): Und glaubst Du etwa, ich fühlte nicht selbst, daß ich nicht mehr dorthin passe, wo ich stehe? O wie entsetzlich elend und nüchtern ist das Leben, welches ich führe,

in dieser Salonwelt, durch welche Du mich hinschleppst gegen meinen eigenen Willen, in der ickH wie Du sehr richtig sagst, eine vollständig falsche Stellung einnehme: die eines Mädchens, das auf Männer Jagd macht! Nun wohl, ich habe mich entschlossen, stillzuschweigen, aber mich in keiner Weise an Deinen Schleichwegen zu betheiligen ... ich kann Dich nicht verhindern, denTreiber" zu machen, aber ich kann es doch wenigstens verschmähen, das Wild zu erlegen, das Du mir zuführst. Die Dame: Jedoch Herr von Belayor . .. Das junge Mädchen: Laß mich in Ruhe mit Deinem Herrn von Belayor! Ah, Du wirfst mir vor, daß ich nicht singen mag aber ich kann ja nicht singen. Ich habe eine hübsche Stimme, es ist wahr, aber die Schule fehlt mir. Wer ist daran Schuld? Doch nur Du, die das Geld, welches der Papa für die Stunden bei Duprez ausgesetzt hatte, hinter seinem Rücken für Toiletten und Logenplätze verbrauchte, oder ist es etwa anders? Die Dame: Das gehört nicht zur Sache; außerdem hast Du diese Logenplätze ebensogut benützt wie ich . . . Das junge Mädchen: Nicht daß ich wüßte. Wozu die demuthsvolle Dulderin spielen, wenn wir Beide unter uns sind. Du vergißt, daß ich neunzehn Jahre alt wurde, bevor ich eine Vorstellung sah; erst von diesem Zeitpunkte ab beschäftigtest Du Dich mit dem angenehmen Projekt, mich so bald als möglich los zu werden. Die Dame: Wir wünschen in der That, Dich zu verheirathen; Deine Mitgift ist nicht sehr groß ... Das junge Mädchen: In jedem Falle kostet sie euch nichts, meine Mitgift, das sind die dreimalhundert- tausend Franken, welche mein guter Onkel mir hinterlassen hat . . . keinen Centime mehr oder weniger. Die Dame: Allerdings. Dein Papa würde auch bei den schlechten Zeiten unmöglich etwas von seinem Vermögen flüssig machen können... Das junge Mädchen: Papa? Als ob der sich einen Augen­blick besinnen würde. Armer Papa, ich kenne ihn! Er würde sein Hemd verschenken, ohne daß man ihn darum zu bitten brauchte. Nein, Du bist es, die nicht will, daß der Etat eures Hauses sich vermindere, weil Du nichts zu entbehren vermagst, weil Du weißt, daß, um Deine Gesellschaften an­ziehend zu machen, Deine Schönheit allein nicht mehr aus­reicht, daß dazu gute Diners und sonstige kostspielige Genüsse immer nothwendiger werden ... Die Dame (außer sich): O !!!! ... Das junge Mädchen: Ich werde niemals hei- rathen, nur um unter die Haube zu kommen ... ich will einen Gatten, der mir gefällt und den ich liebe oder doch wenigstens zu lieben glaube! . . . Die Dame: Das sind Ueberspanntheiten! Das junge Mädchen: Spotte, so viel Du willst. Ich bin nicht begierig auf ein Familienleben wie das Deine . . . mich zu zanken von Morgens bis Abends und manches Mal sogar von Abends bis Morgens . . . oder glaubst Du, ich höre Dich nicht? Die Dame: Es fehlt nur noch, daß Du offen erklärst, eine alte Jungfer werden zu wollen. Beruhige Dich, von heute ab werde ich nicht mehr versuchen, Dich Deinem Berufe zu entziehen. Das junge Mädchen: Du weißt recht gut, daß das mein Beruf nicht ist ... ich will mich nur nicht verheirathen in dem Sinne, wie Du es meinst . . . mit Hülfe des Toiletten­spiegels ... Die Dame: Des Toilettenspiegels wenn ich Dich bloß bitte, Dich passend auzuziehen ... Das junge Mädchen: Passend anziehen, das heißt, bis auf den Magen dekolletirt gehen, wie Du ich danke! Die Dame: Meinet­wegen! Verhülle, was hübsch an Dir ist, ziehe ein schiefes Gesicht, wenn die jungen Leute Dir den Hof machen sie sind alle keine Adonisse, man muß es sich eben einbilden und gib Acht, wie rasch Du Dich auf diese Weise verheirathen wirst. Das junge Mädchen: Dann werde ich eben ledig bleiben und damit gut. Ich weiß bestimmt, daß mich eine solche Ehe, wie Du sie mir proponirst, unsäglich elend machen würde. Die Dame: Ah bah, warum denn? Das junge Mädchen: Weil ich fürchten müßte, so vor meinen Kindern zu stehen wie Du vor mir. Die Dame (wüthend): Ich ich verbiete Dir

Ein junger, sehr eleganter Herr kommt auf die Damen zu und begrüßt sie.

Die Dame (plötzlich ganz gefaßt mit dem liebenswürdigsten Lächeln): Herr von Belayor! . . . Wir sind zu Fuß . . . der Kutscher hat falsch verstanden und ist nach Hause gefahren . . . eine entsetzliche Hitze ... es ist nicht wegen meiner; ich ängstige mich nur meiner Tochter wegen . . . arme Kleine . . . ganz roth ist das süße Kind!

Redaktion: I)r. Edmund Zoller. Druck und Verlag der Deutschen Verlags-Anstalt (vormals Eduard Hallterger) in Stuttgart.