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Mächentlich Eine Nummer. Preis vierteljährlich 2 Mark.
M 39.
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Kiiuler iler Flamme.
Roman
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von
Günther von Freiberg.
(Fortsetzung.)
Siebentes Kapitel.
High-tift und „ennt".
^oesie des Heims! In keinem Lande der Welt pflegt man liebevoller, ja eifersüchtiger Deiner als in olä Zroen llwZlcmä! — Deine Sanktuarien sind jene seodalen, wohlerhaltenen, schuldenfreien Familiensitze der aristokratischen Tories, wo idyllisches Behagen mit königlichem Aufwand Hand in Hand geht, wo kein üppiges Inventar, keine Kunstschätze jemals unter den Hammer pietätloser Erben geriethen, wo das Majorat unantastbar blieb und Jahrhunderte den ausschließlichsten Kastengeist heiligten!
Anders als im verwahrlosten Newstead sah es ans dem Landgute des Lord Oxford bei Nottingham aus: meilenweite Gärten mit Treib- und Palmenhäusern umzogen das im gediegensten Tudorstyl erbaute, wetterfeste Schloß, eine Art Windsor, worin eine hochgeprieseue, edle Familie ein geregeltes und doch gesellig belebtes Dasein führte.
Alle Gutsnachbarn verehrten in Lord Oxford und seiner noch jugendlichen Gemahlin die Ideale der Gastfreundschaft und irdischen Vollkommenheiten.
Daß die traulichen Neuaissancezimmer von Oxford- Hall auch in mancher Hinsicht versteinerten Dünkel, eingefleischte Vorurtheile, puritanische Intoleranz beherbergten, davon freilich redete Niemand oder Viel-
Deutsche Roman-Bibliothek. XII. 20.
mehr: dieß wurde ganz in der Ordnung, ja sogar nothwendig befunden.
„Ein Paradies! Die Glücklichen, welche solch' ein Paradies ohne Schlange bewohnen!" jubelte jeder Natur- und Knnstenthusiast beim Eintritt in das herrschaftliche Gebiet, welches durch seine vielfachen Springbrunnen und Kaskaden an den wildromantischen Aigner-Park bei Salzburg erinnerte. In unmittelbarer Nähe des Schlosses war durch die Vereinigung hoher Bäume und südlicher Pflanzen jene reizende Mischung der Vegetation entstanden, wie wir sie heutzutage in den „sizilianischen und nordischen Gärten" zu Sanssouci bewundern.
An der ganzen Südseite des alten Kastells liefen galerieartige Rosenlauben entlang, aus denen man in einen höchst fantastisch zerklüfteten Waldgarten Hinabstieg; durch einen Theil desselben dehnte sich unter moosgrünen Felsblöcken eine Art Schlucht, genannt „das Thal der Andromeda". Die Laune eines genialen Bildhauers hatte nämlich in beträchtlicher Höhe an die Wand eines braunen Felsens eine nackte Marmorgestalt geschmiedet, eine schneeweiße, zartmodellirte Andromeda, neben welcher ein gekröntes Meerungeheuer aus Porphyr und Bronze Wache hielt. Der leuchtende Frauenleib aus dunklem, rauhem Hintergründe, die zitternden Lichtreflexe und gebrochenen Schattentöne, welche im flüchtigen Wechselspiel über die schwellenden Glieder zuckten, die melancholische Umgebung schwarzgrüner Ulmen und noch düstererer Tannen, dieß alles brachte eine fabelhafte Wirkung hervor. Fiktionen aus dem Ardenner-
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