Heft 
(1885) 40
Seite
938
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Deutsche Noman-Sibliothek.

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Wundervoll köstlich!" machte Jackson, indem er laut gähnte.

Brillant!" bestätigte Dorset, wie schlaftrunken seine schlanken Glieder reckend.

Mir gefällt alles Klassische, ob ich's verstehe oder nicht," sagte Wingfield, der nicht zugehört, sondern seine Rolle repetirt hatte.

Ei, das ist nicht ermuthigend," lächelte Eddlestone.

,Uul6 LritLlliiig/ ist mir lieber," bekannte Harri­son, der von Kopf zu Füßen in Karmoisinroth prangte.

Mir der Tatarenmarsch aus ,Lodoisca'," rief Davies.

Alles Plunder gegen das Menuet aus Mozart's ,Don Juan'," warf Charles hin.

Nun, Mr. Long," sagte Eddlestone,das nenn' ich Fiasko machen."

Long, als Musiker und ausübender Künstler eigensinnig, wollte davon nichts hören und behauptete mit komischem Ernst, die Virtuosen dürsten dem Publikum keine Konzession machen, während er be­reits das Thema des Menuets aller Menuette auf seinem Cello leicht angab, gleichsam skizzirte, bis dann die Töne immer voller den Saiten entrauschten und Eddlestone ans dem Gedächtniß akkompagnirte.

Die Anwesenden lauschten von Neuem, ja, sie sangen leise mit im Zauberbann der einschmeichelnden, leicht in's Ohr fallenden und doch so vornehm schönen Melodie, worin spanische Grandezza sich verwebt mit konventioneller Ballsaalgalanterie, während heißbegehr­licher Seufzerhauch und Zerlinens halbe Zugeständnisse in wonnigen Rhythmen verschmelzen.

Unbemerkt war George Byron eingetreten; von der Musik magnetisch angezogen, hatte er das Bade­zimmer, einst das Singzimmer für die Chorknaben der Abtei, verlassen. In einen weißen Burnus ge­wickelt, den klassisch geformten Hals, den Nacken frei, noch einzelne Wassertropfen in den tiesdunklen Locken, erschien er wie eine der lebenden Statuen, welche in damaliger Zeit durch die plastische Begabung genialer Akrobaten eine Zierde der Schaubühnen bildeten.

Eddlestone allein fühlte die Nähe seines Be­schützers und wendete ihm still entzückt bewundernde Blicke Zu. Der empfindsame Knabe hätte sich gern in Stücke reißen lassen für den Lord. Ach, er gab ihm ja unter Schmerzen und stündlicher Ueberwindung die letzten, mehr und mehr versagenden Kräfte! Cor- nelis sang ihm Lieder, ersann ihm süße, beseligende Weisen, nicht, weil George ihm Obdach gab, ihn gleichstellte mit Herzogssöhnen, sondern weil Eddle­stone Byron's geistige Ueberlegenheit, dessen klassische und doch zugleich romantische Schönheit liebte,cko ILKUI'Z, kl js QS iwuttuobs !" lautete die Devise des jungen Anbeters. Es galt ihm als Höchstes, in das glühende, reizbare Herz desGebieters" Balsam träufeln zu können durch klingenden Thau. Seine Wonne kannte keine Grenzen, wenn Byron's Augen in Thräuen standen, was übrigens leicht geschah, sobald einfache Lieder im Volkston erklangen.

Eddlestone fühlte sich als ein dem Tod Geweihter; um seinen Abgott nicht zu betrüben, verbarg er unter heiterer Ergebung seinen Zustand. Der hektische Rosenschimmer ans seinen Wangen kam ihm zu Hülse Md täuschte seine Umgebung. Früher hatte er in

seiner blinden, tief rührenden Verehrung vor Byron's Thüre geschlafen, auf ein Wolssfell hingestreckt; jetzt unterließ er diese geheime Huldigung, in welcher sein Enthusiasmus Genügen fand, damit George ihn nicht husten hörte, die Sorge um seine Gesundheit nicht zu steigern brauchte.

Nachgerade ein kapitales Volk, diese deutschen Biertrinker und Nebelritter," sagte Mathews, indem die Saiten und Tasten verstummten,was haben sie für Musiker!"

Ja wohl, den Bithoven!" ries Davies.

Wird Bäthoven ausgesprochen," verbesserte Long, ja, allerdings, wäre der Sturmwind, der das Meer aufwühlt, Komponist, er könnte uns nicht gewaltig­schönere Symphonieen geben."

Und erst ihre Dichter!" ries der belesene Holt­house,haben wir ein einziges bürgerliches Trauer­spiel, welches sich dem hohen Werthe von Schiller's ,Kabale und Liebe' vergleichen ließe?"

Auch dramatische Gedichte, wie Goethe's,Jphi- genia', wie sein,Tasso' mangeln uns," sagte Harrison.

Dafür hatten die Deutschen keinen ,Lear', keinen ,Othello', ,Coriolan', überhaupt keinen Shakespeare," entgegnete Charles.

Jedenfalls," brach Byron sein Stillschweigen, sind unter den modernen Deutschen die Küchen-, Kessel- und Scheunenpoeten so zahlreich vertreten, wie bei uns. Eine Anthologie, die mir unlängst in die Hände fiel, bewies es mir, natürlich red' ich nur voll Uebersetzungen. Lange Zeit war mir die deutsche Muse verleidet durch .Abel's Tod' von Geßner."

Uebersetzte Gedichte sind ungenügend wie künst­liche Blumen, duftlos, verlogen. Lerne deutsch, Z1oriou8 L/," rief Hobhouse.

Zu Ehren einer Lotte, einer Lili thät' ich's vielleicht."

Denn ich pilgere nach Weimar, wie so viele Landsleute, den erhabenen Großmeister zu grüßen."

Weimar, Hobby, ist mir zu nah'. Ich will weit fort von dieser abgenutzten Civilisatiou. Prärie­lüste möcht' ich athmen, in Urwäldern Hausen; doch nein, ich, ein Brite, ich verabscheue Amerika, das heißt, seine Bevölkerung, ausgenommen Washington, diesen Ersten der Sterblichen! Weltfremde Inseln möcht' ich suchen, mit Korsaren und mit sanften, unverdorbenen Frauenwesen verkehren."

Aber wenn diese Seehelden und Wellenschaum­geborenen lebendige Krabben und rohes Fleisch ver­zehrten?"

So wären sie mir dennoch anziehender, als unsere schinkenvertilgenden Misses und käseschlingenden Parlamentssührer. Aber unsere Probe?"

Ja so," machte Harrison, seinen Regiesitz ein­nehmend.

Die Schauspieler postirten sich hinter die Coulissen.

Eine alte Erfahrung lehrt, daß jedes Theater­unternehmen, selbst das kleinste, scheitert, sobald nicht unerbittliche Disziplin das Szepter führt. Archibald Harrison, der Fachmann, hatte gut anordnen, bitten, ausrufen, Rath ertheilen. Keiner hörte auf ihn. Gleich in der ersten Szene geriethen Davies und Dorset aneinander: Jeder von ihnen behauptete mit