senen Verdienst des Helden um das Staatswesen noch andere Faktoren hinzukommen: die menschliche Originalität, persönliches Format sowie das Fortleben im Gedächtnis des Volks.
Daß zwei oder drei von diesen Gedichten ihren Eindruck heute nicht ganz und gar verfehlen, verdanken sie nächst dem poetischen Einfall allerdings einem weiteren Umstand. Er war von größter Bedeutung dafür, daß aus der Poetisierung des Preußischen, die mit dem „Alten Derffling“ und dem ..Alten Dessauer“ begann, eines Tages die gänzlich unheroische, unwiderstehlich liebenswürdige Gestalt des alten Dubslav von Stechlin hervorgehen konnte.
Ein Wort, das Fontane einige Jahre nach den Preußenliedern zu Papier brachte, enthält einen Hinweis. Er bezog sich auf das Standbild des Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau, das 1800 zunächst im Berliner Lustgarten aufgestellt worden war und viel Aufsehen machte, weil es auf das gewohnte klassische Gewand für den modernen Heerführer verzichtet. „Als Gottfried Schadow die Kühnheit hatte, den Zopf in die Kunst einzuführen,“ erklärte Fontane, „nahm er ihr zugleich den Zopf. So wurde der ,Alte Dessauer 1 , an dessen Dreimaster und Gamaschen wir jetzt gleichgültig vorübergehen, zu einer Tat von unberechenbarer Wirkung.“- 11 Von dem Zopf in Fontanes Gedicht wird niemand dergleichen behaupten. Doch gewann Fontane dem politisch Fragwürdigen eine analoge ästhetische Leistung' ab. Immerhin besaß er nicht bloß die Kühnheit, seinem Heros jenes durch und durch prosaische Utensil zu belassen, in dem das Studentenlied ein direktes Gegenteil von Poesie erblickte. Sondern er verlegte mit seiner Hilfe den gedanklichen Angelpunkt gerade in das Widerspruchsverhältnis von Poetischem und Prosaischem, Heroischem und Trivialem, Menschlichem und Sozialem, von Alt und Neu, Anachronismus und Zukunftsträchtigkeit, von Abstoßendem und Bewunderungswürdigem. Man bemerkt überrascht: Dies waren schon die bleibenden Perspektiven, in denen Fontane bis zum Schluß, bis zu den Ansichten der Altersbriefe und den letzten Romanen, sein Bild von Preußen fortentwickelte.
Was den Zopf anbelangt, fühlte er sich durch sein Gedicht nicht festgelegt. Er kam 18S2. während seines zweiten England-Aufenthaltes, ganz im üblichen Sinn darauf zurück. In der „Preußischen Zeitung“, die er mit Korrespondenzen bediente, versicherte er unter dem Titel „Der englische Zopf“ ; „Bei uns ist der Zopf zur Mythe geworden, er existiert nur noch als Spitz- und Geißelwort für alles, was, wie die österreichische Landwehr, .nicht mitkommen kann“, und wenn Heine gelegentlich von unseren Soldaten singt:
Der Zopf, der ihnen sonst hinten hing,
der hängt jetzt unter der Nase,
so können wir uns diesen Witz, dessen’ Pointe etwas dunkel bleibt, immerhin gefallen lassen. Anders ist es mit England: es darf mit China darum streiten, wer ihn am längsten trägt. Nach den Gründen forsche, wer will, ich werfe für den Liebhaber nur so hin. daß der Kaffee zu emanzipieren, der Tee zu konservieren scheint.“ 32
• 357