Das Herbeizitieren Heines, die Bereitwilligkeit, mit der Fontane die beiden Zeilen aus dem „Wintermärchen“ hinnimmt, in denen Heine vom Zopf- Motiv Gebrauch machte, mußten in einem Presseorgan des konterrevolutionären Ministeriums einigermaßen befremdlich wirken. Weitaus gewagter jonglierte Fontane anschließend mit dem Bild des Zopfes, um sich ausgerechnet am vielgerühmten englischen Beispiel gegen das „Kleben am Alten“ 3 - 1 in Politik, Privatleben und Kunst auszusprechen. „Die Polemik meint nicht nur die englischen Verhältnisse, sie greift vielmehr,“ wie Helmuth Nürnberger feststellte, „so gut das eben geht, die Berliner Zustände an. Man muß darin keine bewußte Agitation sehen. Die Natur Fontanes brach sich Bahn.“ 3 ' 1
Die Natur Fontanes und, kann man hinzusetzen, eine Fortschritts-Vorstellung, über die er zur Zeit des „Alten Dessauers“ so noch nicht verfügte. Sie hatte die Erfahrung von Revolution und Konterrevolution zur Voraussetzung und kündigte sich, um bei den Preußenliedern zu bleiben, in dem Gedicht „An den Grafen Schwerin“ an, das er 1850 dem Zyklus der ..Männer und Helden“ eingliederte. Er rief dort dem Grafen zu:
„Du stehst, in Lieb’ und Treue,
Zu Thron und Herrscherhaus,
Und baust doch, für das Neue,
Die alten Pfeiler aus.“ 3 ’ 1
In der englischen Korrespondenz von 1852 erscheint diese Vorstellung vom Fortschritt, die nun seine Erfahrungen in sich auf nahm, die er mit dem offiziellen Preußen und — eine andere Welt — in der britischen Metropole machte, in entwickelterer Form. Er verwendet sie als Urteilsbasis seiner Kritik: „Wenn durch die Jahrhunderte hindurch der Beweis zu führen wäre, daß England jedem als gut erkanntem Neuen offen und nur allem Probieren, aller Projektmacherei verschlossen gewesen sei, wenn sich aus der Geschichte nachweisen ließe, daß es stets Kritik geübt, die Spreu vom Weizen gesondert, nie Schlacke für Gold, aber auch nie Gold für Schlacke genommen habe, so möchte man es bei uneingeschränkter Bewunderung bewenden lassen.“ Dem war aber — Fontane verweist auf Irland — nicht so. „Frankreich verändert — auch das Gute; England konserviert — auch das Schlechte.“ 311
Man erkennt in dem, was Fontane vermißt, jenes Kräftespiel zwischen Altem und Neuem, Bewahrung und Veränderung, auf dem in Zukunft seine Fortschrittshoffnungen beruhten. Und in der Gegenüberstellung von England und Frankreich als zwei verkehrten Extremen zeichnet sich bereits der Platz ab, den nach Fontanes Wunsch und Überzeugung, in die er sich für lange Zeit vertiefte, das Land der HohenZollern einzunehmen berufen war.
Anmerkungen
1
2
Vgl. de Bruyn, Günter: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter Halle (Saale) 1975. S. 53-55 und 65-73, sowie ders.: Vertraute Briefe. Versuch über Friedrich Nicolai. In: Sinn und Form 34, 1982, H. 4. S. 782-794. insbes. S. 784-786
Die Zitate aus den Preußenliedern folgen dieser ersten selbständigen Ausgabe- Fontane, Theodor: Männer und Helden. Acht Preußen-Lieder. Berlin, A. W. Hayn
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