Vergoldung durch den sog. „poetischen Realismus 1 '. Das von Fontane festgestellte und kritisierte „Märchenhafte“ konkretisiert sich zur parabelhaftpädagogischen Tendenz. Nach meiner Ansicht verkörpert Kellers von einer „Überaufgabe“, der Erziehung zum bewußten Demokraten, also von einem zu bewahrenden und zu verbessernden gesellschaftlichen Ganzen, ausgehende zyklische poetische Konzeption eine parabelhafte poetische Konzeption, eine Form der novellistischen menschlichen Komödie zwischen der Aufklärung, etwa den Ideenromanen Voltaires, und Brecht, so merkwürdig dies klingen mag.- Kellers novellistische Zyklen sind auf der besonderen Grundlage der Schweizer Demokratie ein Gegenstück zur „Menschlichen Komödie“ Balzacs.
Kellers novellistiseh-komödisches Marionettentheater (ursprünglich wollte Keller ja auch Dramatiker werden) verkörpert natürlich eine sehr sinnliche Variante des Parabelhaften, mit vieler „novellistischer Petersilie'“. Andererseits sind die moralischen Reflexionen und vor allem die starke, gar nicht shakespearehafte Familienähnlichkeit der Figuren, ihre straffe Funktionalisierung, etwa der „drei gerechten Kammacher'“, im Dienste der „Überaufgabe“, der ideell-ideologischen Prämisse, nicht zu übersehen. Zudem wuchert die „didaktische Knochenhaftigkeit“ im Spätwerk immer stärker hervor und führt mit zum Verfall der Kellerschen Erzählkunst, zur Auflösung ihrer wunderbaren, leuchtkräftigen Plastizität.
Das dritte und umfangreichste Kapitel gilt „Diner und Landpartie in den Romanen Theodor Fontanes. Schwerpunkte sind „Geselligkeit als Repräsentation“; „Verbotene Liebe und gestörte Idylle am fin de siede“ und besonders das „Gespräch als Repräsentation und Vollzug des Wirklichen“. Im Unterschied zu Gottfried Keller findet sich kein normativ-geselliger Ausgang für die Untersuchung, wie er beim bewußt ideologischen Schweizer Erzähler in Gestalt des Aufsatzes „Am Mythenstein'“ gegeben ist. Die Ursache dafür sieht Hauschild darin, daß Fontane schallensmäßig im Unterschied zur Kellerschen Erfindungssunst mehr in der Wirklichkeit vorfindend und auswählend verfährt (S. 147, 167). Interessante Einblicke ermöglicht die vorliegende Arbeit in das schwerelose, verweisende, nichtnaturalistische und nicht-symbolische Dinglich-Szenische in Fontanes Romanen, in die Relation zwischen Liebe und Idyll und in die soziale Zusammensetzung und sprachliche Differenzierung der Gesprächskreise. Interessant ist zum Beispiel die Feststellung (auf S. 126), daß in „Stine“ im Unterschied zu „Irrungen, Wirrungen“ infolge der Konventionalisierung der Beziehungen zwischen adligen Suitiers und Kleinbürgerinnen und infolge der Schwäche Waldemars und Stines die Landpartie und der Ausbruchsversuch in die Idylle fehlen. Herausgehoben seien auch die Ausführungen über die „nobilitierende Sprachbehandlung“ (S. 154 f.) als Mittel zur humoristisch-ironischen Enthüllung von Pseudobildung bzw. als Ausdruck ohnmächtiger Geistigkeit. Das Gespräch wird schließlich (auf S. 160) als das eigentlich Menschliche und Wirkliche in der Epik Fontanes eingeschätzt, dem „größere Verbindlichkeit zukommt als den Dingen und Konventionen“.
Am Schlüsse des Fontane-Abschnittes wird „Verklärung“ durch Fontane als „Weg zur Wahrheitsfindung über die Darstellung des bloß Richtigen*
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