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Deutsche Noman-Bibtiothek.
Feuilleton.
W osai k.
Zur Geschichte einer Krankheit. Die „Hamb. Nachr." widmen ein geschichtlich gehaltenes Referat dem hundertjährigen Jubiläum, welches der „Schnupfen" in Europa feiern könnte. Nach einem sehr strengen Winter kam 1782 ein Frühling, der an Veränderlichkeit das Möglichste leistete, und mit ihm aus Rußland eine Krankheit, die bis dahin im übrigen civili- sirten Europa nicht bekannt war und die man daher die „Modekrankheit" nannte. Dieselbe begann mit einem Kitzel in der Nase, die Schleimhäute des Gesichtsvorsprunges begannen rebellisch zu werden, worauf sich, wie die Chroniken schreiben, „dummer Kopfschmerz" (heute sagt man „dumpfer" Kopfschmerz), Ziehen und Mattigkeit in den Beinen rc. einstellten, Zustände, die feit jener Zeit jedem Gebildeten bekannt und geläufig sind, lieber Schweden und Dänemark nahm die Epidemie ihren Weg nach Deutschland, wo sie namentlich in Berlin, Leipzig und Frankfurt a. M. schrecklich wüthete. In letzterer Stadt erkrankte fast die ganze Garnison an der Modekrankheit, welche unter allen Stünden mit gleicher Grausamkeit grassirte, den hohen Adel und das Militär ganz wie den Plebs behandelte und selbst die Nasen der höchsten Personen nicht verschonte. So überfiel sie unter Anderen den Kurfürsten von Sachsen, während er in der Kirche in Dresden weilte, mit solcher Heftigkeit, daß er, um das Gotteshaus nicht durch vehementes Niesen und Schneuzen zu entweihen, dasselbe schleunigst sammt Gefolge verlassen mußte. Im April beiläufig hielt die Modekrankheit, wie das „W. Extrabl." konstatirt, ihren Einzug in Wien, woselbst ihr ebenfalls mehr als die Hälfte der sonst so gesunden Nasen der Bevölkerung zum Opfer fiel. Fast sämmtliche Mitglieder des Burg- (damals National-) Theaters bekamen den Schnupfen, so daß das Theater volle acht Tage geschlossen bleiben mußte. In Böhmen hauste die neue Krankheit ebenfalls, und zwar unter dem Bauernstände so allgeniein, daß der Feldbau, weil alle Arbeiten eingestellt, darunter zu leiden begann. Mit dem herannahenden Sommer endlich erlosch die Epidemie auch in Wien. Der Schnupfen aber ist seither bei uns ansässig geblieben und überfällt alljährlich zu gewissen Zeiten feine Leute.
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Eine Korrektur. Ludwig Tieck schrieb eine Novelle für die „Urania". Diese geht direkt in die Druckerei. Da meldet ihm Brockhaus, er habe zu seinem größten Schrecken wahrgenommen , wie die unter dem Namen Engenie eingeführte Dame in den letzten Bogen von ihrem Liebhaber konsequent Emilie genannt werde. Aber Tieck blieb ruhig, er ließ nur den Geliebten bei passender Gelegenheit sagen: „Theure Eugenie, die ich auch zuweilen Emilie zu nennen pflege, Tu bist mir unter beiden Rainen gleich werth." So zu lesen in einem alten Jahrgang der Urania.
Monolog eines Trinkers. Ein sonderbares Thier, das Kamecl. Es kann sieben Tage arbeiten, ohne zu trinken. Bei mir ist's gerade umgekehrt. Ich könnte sieben Tage trinken, ohne zu arbeiten.
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Der Kampf um die Peitsche. Von Edwin Booth, dem genialen Künstler, der sich bei seinem vorjährigen Gastspiel in Deutschland im Sturme die Gunst des Publikums eroberte, erzählen amerikanische Blätter folgende lustige Geschichte. Derselbe spielte einmal in Boston den Petruchio in der „Bezähmten Widerspenstigen". Sein „Käthchen" war zwar eine sehr große und starke Person, aber sie machte ihm dennoch den "sieg über ihre physische Kraft gar zu leicht. Nach der Vorstellung sagte Booth zu der Schauspielerin: „Legen Sie doch morgen Abend mehr Kraft in ihren Widerstand, liebe Kollegin. Halten Sie die Peitsche nur so fest als möglich, ich werde sie Ihnen schon entreißen." Am nächsten Abend hatte Booth seinen guten Rath
zu bereuen. Käthchen hielt ihre Peitsche mit eiserner Faust umklammert, so daß es dem etwas schmächtigen Künstler nicht möglich war, ihr das Züchtigungsmittel zu entreißen. Schließlich gerieth das Publikum über das vergebliche Ziehen und Zerren in Heiterkeit, und so mußte der große Booth eine rentable Niederlage erleben, die erste und gewiß auch die einzige auf den Brettern, die die Welt bedeuten.
Ein zartfühlender Gläubiger. Esaias Tegimr, der Sänger der „Frithjofsfage", war als Mensch eine der zartfühlendsten und rücksichtsvollsten Naturen. Als junger Student ging er einmal mit einem Kommilitonen in den Anlagen der Universität Lund spazieren. Plötzlich faßte er seinen Freund heftig am Arm und zog ihn unter allen Zeichen der Verlegenheit in einen Seitenweg. „Was gibt es denn?" fragte Letzterer verwundert. — „Sahst Du nicht den Doktor G. kommen?" — „Nun ja, aber was für einen Grund hast Du, ihm auszuweichen? Bist Du ihm etwa Geld schuldig?" —
— „Wo denkst Du hin. Im Gegentheil, ich habe ihm eine kleine Summe vorgeschossen, die er mir noch nicht zurückerstatten konnte, und da dachte ich, mein Anblick könnte ihm vielleicht peinlich sein."
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Schwarte Engel. Das kleine Lieschen (auf ein paar Silhouetten in ihrem Bilderbuche deutend): „Sieh' 'mal die schwarzen Engelchen, Mama. Kommen denn die Mohrenkinder auch in den Himmel?"
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Die ^ehn Gebote für den Körper. 1. Liebe Wasser und Seife über Alles und bade dich mit Vergnügen. 2. Erziehe deinen Körper wie ein Kind, über welches du Rechenschaft zu geben hast, gewöhne ihm alle Unarten ab. 3. Beachte das kleinste Uebel. 4. Ernähre dich durch gesunde, einfache Speisen und würze die Mahlzeiten so viel du kannst durch Geist und Anmuth. 5. Bringe dem Schlaf ein Dankopfer und behandle ihn nicht nach Laune. 6. Entziehe dich möglichst dem Anblick des Gemeinen und Widerwärtigen. 7. Mache dir täglich Bewegung zur Pflicht. 8. Bilde jeden deiner Sinne einzeln aus und genieße mit allen zusammen. 9. Benütze die vier Elemente: Feuer, Wasser, Luft und Erde im Dienste deines Körpers. 10. Erhalte seine Schönheit, denn er ist der Vorhof zum Allerheiligsten!
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Doktor und Mime. In einer Gesellschaft äußerte Jemand, der Doktor sei der Arzt des Körpers, der Schauspieler der Arzt der Seele. „Und noch in einer andern Beziehung gleichen sie einander," meinte ein Spaßvogel, „Beide lieben es, gerufen zu werden."
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Die Macht des Gesanges. Musikenthusiast (zu seinem Freunde): Deine Frau singt? — Ehemann: Allerdings, und ich bin immer sehr froh, wenn sie es thut. — Musikenthusiast: Sehr begreiflich. Die Musik ist eine göttliche Kunst, und Shakespeare hat Recht, wenn er sagt, daß der Mensch, der keine Musik in seiner Seele hat, zu allem Schändlichen fähig sei. — Ehemann (trocken): Ja, weißt Du, es ist weniger der Kunst halber, aber wenn meine Frau singt, dann kann sie — nicht sprechen.
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Auch ein Zweck. „Wozu ist der Mund, Fritzchen?" — „Zum Essen, Mama." — „Und die Augen?" — „Zum Sehen."
— „Und die Nase?" — (Nach langem Besinnen): „Um die Fingerchen hineinzustecken."
Entweder — oder. Alte Dame, den statistischen Missionsbericht lesend: Ein einziger Missionär auf zehntausend Kannibalen. Entsetzlich! — Backfisch: Entweder die Kannibalen haben sehr schlechten Appetit oder ihre Missionäre sind furchtbar dick, nicht wahr, Mamachen?"
Redaktion: vr. Edmund Zoller, — Druck und Verlag der Deutschen Verlags-Anstalt (vormals Eduard Hallberger) in Stuttgart,