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Deutsche Roman-Bibliothek.
er viel von der schönen Boriska und dem Csongrader Fasching — er hatte auch die alte Zigeunerin nicht vergessen, deren zweideutige Worte sich so verhängnißvoll erfüllt hatten.
Wer die alte Szegediner Festung besuchte und ihre Kasematten besichtigte, wurde auch in die Zelle Komlös Vincze's geführt, und dann erzählte der Schließer jedesmal die Geschichte des unglücklichen Sträflings. Sie ist buchstäblich wahr, diese traurige Geschichte, und bildet ein dunkles Blatt aus der Verbrecherchronik der alten Veste, die in den letzten Jahren dem Erdboden gleich gemacht wurde. Komlos Vincze's Zelle ist nicht mehr zu sehen, doch das Volk besingt seine düsteren Schicksale in einer ergreifenden Ballade.
Mosaik.
Dämmerstunde. Welch' ein süßer Reiz liegt in dem Worte: „Zu Hause". So wundervoll es „draußen" gewesen sein mag, so unterhaltend und bunt das Leben auf den Straßen, es ist ein Gefühl süßer Befriedigung, wenn die Pforte sich hinter uns schließt, wenn uns wieder unsere „vier Wände" umgeben. Ganz besonders um die Stunde der Dämmerung hat das Daheim seinen mysteriösen Reiz. Man hat noch den Kopf voll Lärm und Spektakel, und schon umgibt uns tiefe Stille, nicht die Stille der Trauer, sondern des sanften Friedens. Mit einem einzigen Blick umfaßt man in dieser kleinen Welt alle Gegenstände, welche Einem lieb und theuer sind. Es sind die stummen Zeugen unseres Innenlebens: das offene Buch, die angefangene Arbeit, das Klavier, auf dessen Pult noch vom letzten Abend her Beethoven's Mondscheinsonate aufgeschlagen liegt, die kleine Aquarelle auf der Staffelei — kurz überall wir selbst und — unser besseres Selbst. Man streift die lästigen Handschuhe ab und setzt Dieß und Das an seinen bestimmten Platz, man riecht an dem Veilchenbouquet auf dem Schreibtisch, das eine liebe Hand für uns hingestellt hat, man sieht, ob schon die kleine Rosenknospe an dem selbstgezogenen Stock aufgebrochen ist — und welche Freude, wenn sie uns den Gefallen gethan hat. Nun zündet man die Theemaschine an, rückt das Tischchen, auf dem sich dieselbe befindet, dicht an ein bequemes türkisches Fauteuil und sinkt zurück in die weichen Kissen. Die Dämmerung ist nämlich vollends hereingebrochen, und das ist die privilegirte Stunde süßen Nichtsthuns, gegenstandlosen Träumens, ohne daß man sich darüber Vorwürfe zu machen braucht. Man lauscht auf das schläfrige Ticktack der Stutzuhr, man beobachtet, wie aus allen Ecken und Winkclchen schwarze Schatten aufsteigen und langsam das Licht begraben, wie die Flamme der Theemaschine einen feinen, züngelnden rothen Schein über die Tischdecke wirft, und wie endlich ein leises und immer mehr anschwellendes Summen beginnt, das sich mit dem Ticken der Uhr zu einer seltsamen Doppelmelodie vereinigt. Welch' ein Reiz liegt in der tiefen geheimnißvollen Wechselbeziehung, in der man zu allen Gegenständen seiner Umgebung steht. Werden nicht sogar die Porträts an der Wand lebendig und schauen uns an mit seltsam vergeistigten Blicken? Alles, Alles gewinnt Leben und Bedeutung, und die Seele besinnt sich auf sich selbst. Vergangene Zeiten steigen vor ihr empor, selige und trübe Stunden, aber letztere verklärt von dem milden Zauber der gegenwärtigen. Und so spinnen und weben die Gedanken Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit wunderlicher Kunst ineinander, bis draußen liebe, wohlbekannte Schritte laut werden und plötzlich
zwei Arme uns umschlingen, zwei Lippen sich auf unfern Mund legen und eine tiefe Stimme uns in's Ohr brummt: „Ist der Thee fertig, Frauchen? Ich habe entsetzlichen Hunger." Ein silberhelles Lachen und — die Dämmerstunde ist vorüber.
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Die drei Stadien. Ein Börsenbesucher, welcher in seinen Mußestunden sich als Heirathsvermittler beschäftigt, brachte über die Chancen der einen Mann begehrenden Damen an die Börse folgenden artigen Witz: Junge und schöne Damen, denen ein Heirathskandidat präsentirt wird, stellen sogleich die Frage: „Wie ist er?" In den Jahren der Ueberlegung fragen sie bereits: „Was ist er?" Reif gewordene Jungfrauen aber stürzen sogleich mit der Frage vor: „Wo ist er?"
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Altenglischer Durst. Das tägliche Quantum an geistigen Getränken, welches den Hofdamen zur Zeit Heinrich VIII. in England gestattet war, macht der Leistungsfähigkeit des damaligen beau 86X6 in dieser Hinsicht alle Ehre. Sie bekamen zum Frühstück: ein Gallon Ale — es wurde also schon damals ein veritabler Frühschoppen abgehalten —, zum Mittagessen ein Gallon Bier, zur Vesper ein Gallon Ale, zum Abendessen wieder ein Gallon Ale und nach dem Abendessen ein halbes Gallon Wein. Da ein altenglisches Biergallon ungefähr vier Liter enthält, so kamen also auf jede Schöne sechzehn Liter Bier pro Tag, eine Leistung, welche einem alten, ausgepichten Studenten alle Ehre machen würde.
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Ein Mort Garrik's. Als ein englischer Lord den berühmten Schauspieler Garrik als Deputirten in das Parlament bringen wollte, wehrte sich der Künstler gegen diese Ehre mit den Worten: „Lleroi, Verehrtester; wenn ich den ,Narren* spielen will, so kann ich dieß ebensogut und mit mehr Nutzen auf der Bühne thun."
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Nächstenliebe. Fabrikherr (zu einem Geschäftsfreund): Habe jetzt auch einen Aufzug in meiner Fabrik anbringen lassen. — „Und fürchten Sie sich nicht vor einem Unglück?" — „Ich für meine Person benütze ihn nicht, er ist bloß für die Arbeiter."
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Ent informirt. Auf dem Ball fragt eine Dame ihren Tänzer: „Wer ist der Herr mit dem großen Ordensbande, der eben mit meiner Schwester tanzt?" — Er (eifrig): „Das kann ich Ihnen ganz genau sagen, mein gnädiges Fräulein, dieser Herr — er — er heißt — mein Gott, wie heißt er doch gleich — wissen Sie, es ist derselbe, der das berühmte Buch geschrieben hat über — über — wie war doch der Titel — ja — und dafür hat er dann den Orden bekommen."
Ein Sekretär gesucht. In einem vielgelesenen Berliner Blatt stand kürzlich folgende Anzeige: „Ein Sekretär gesucht. Günstige Bedingungen. Näheres Dorotheenstraße 139 bei Piefke, 5 Treppen hoch." Natürlich stürzten sämmtliche stellenlose Individuen Berlins nach der Dorotheenstraße zu Herrn Piefke, eine wahre Völkerwanderung. Wer aber schildert das Entsetzen der Reflektanten, als sie erfahren mußten, daß Herr Piefke keinen zweibeinigen, sondern einen — vierbeinigen Sekretär suchte, nämlich ein Möbel.
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Redaktion: vr. Edmund Zoller. — Druck und Verlag der Deutschen Verlags-Anstalt (vormals Eduard Hallberger) in Stuttgart.