Das Hannover benachbarte Braunschweig, Heimstatt des bedeutenden Niedersachsen Wilhelm Raabe, sparte Fontane aus. Sein Verhältnis zu dem Braunschweiger Dichter, dessen Werke er erst spät zu lesen begann, blieb ambivalent. Neben freudiger Zustimmung im einzelnen, welche Raabe „ein großes erzählerisches Talent“ bescheinigte („Horn von Wanza“), fühlte sich Fontane bei anderer Gelegenheit abgestoßen von der ungenießbaren „Mischung von Sentimentalität und Dünkel“, die er in „Fabian und Sebastian“ wahrzunehmen meinte. Insgesamt hat es den Anschein, als sei Raabe dem weltoffenen Dichter aus Berlin zu sehr im Provinziellen befangen gewesen, freilich zu unrecht, wie man heute weiß.
Über den niedersächsischen Kernraum hinaus wandte Fontane seihe Aufmerksamkeit fortwährend auch dem stammverwandten Angelsachsentum jenseits des Kanals zu, welches unter der letzten Hannoveranerin auf dem britischen Thron den Gipfel seiner Weltgeltung erklomm. Englands damals vergleichsweise so fortgeschrittene Freiheitstradition, seine weltweiten Verbindungen, alles das ließ ihm den Ursprungsraum des im ausgehenden 19. Jahrhundert „doch eigentlich die Welt beherrschenden Friso-Saxon-Stammes“ um so wesentlicher erscheinen. Kein Wunder, wenn ihm insbesondere die Landstriche an der Küste, Hamburg einbegriffen, als „Gegend“ galten, „die mir immer am meisten Freude macht, weil sie mich patriotisch am meisten erhebt“. Das hinderte ihn freilich nicht, übertriebene Anglomanie Hamburger Prägung mit ironisch-maliziöser Eindringlichkeit aufs Korn zu nehmen („Frau Jenny Treibei“).
Anmerkungen
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Das gilt vor allem für die Aufhebung der Eigenstaatlichkeit Hannovers mit allen ihren Folgen wie Weifenfonds, Weifenopposition, braunschweigische Thronfolgefrage u. a. m. Knapp und zuverlässig über die Geschichte Niedersachsens von den Anfängen bis zur Gegenwart informiert G. Schnath: Geschichte des Landes Niedersachsen. Neuausgabe 1975 (Territorien-Ploetz).
Mit Verordnung Nr. 55 vom 1. November 1946 verfügte die britische Militärregierung die Bildung des Landes Niedersachsen. Es trat die Rechtsnachfolge der vier nunmehr in ihm vereinigten Länder an. Trotz dieses Formalaktes handelt es sich dabei weder nach dem Namen des Landes noch nach Stammesärt seiner Bewohner um ein künstliches Gebilde.
Das Gedicht „An den König von Hannover“ blieb damals unveröffentlicht. Mit freundlicher Genehmigung des Fontane-Archivs Potsdam konnte es in der vorliegenden Studie erstmals mitgeteilt werden.
Mit der Thronbesteigung von Königin Victoria endete 1837 die englisch-hannoversche Personalunion. In Hannover bestieg ihr Oheim König Ernst August den Thron. Der streng konservative Monarch suspendierte unverzüglich das seit 1833 wirksame Staatsgrundgesetz. Die Amtsenthebung der hiergegen protestierenden Göttinger Sieben (darunter die Gebrüder Grimm und der Historiker Dahlmann) erregte damals großes Aufsehen.
In Verkennung der tatsächlichen militärischen Gegebenheiten hatte Fontane sich für die Westarmee zunächst am meisten interessiert. Der Schlacht von Langensalza widmete er im 2. Band von „Der deutsche Krieg von 1866“ eine recht ausführliche Darstellung.
Das beschlagnahmte Privatvermögen des hannoverschen Königshauses im Werte von 16 Millionen Talern (1867), der sog. Weifenfonds, diente Bismarck unter anderem nicht nur dazu, die nach der Annexion Hannovers fortdauernde welflsche Opposition zu bekämpfen, sondern wurde auch zu manchen undurchsichtigen Zwecken mißbraucht.
Das Herzogtum Anhalt mit der Landeshauptstadt Dessau wurde bis zum Ende der Monarchie in Deutschland vom Hause Askanien regiert. Im Herzogtum Braunschweig erlosch mit dem Tode Herzog Wilhelms (1884) das Neue Haus Braunschweig. Die Sukzession der erbberechtigten, 1866 entthronten hannoverschen
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