erschien. Dann liest man von anderen Plänen, obwohl Fontane in seinen Briefen selten oder nur indirekt über sein schriftstellerisches Werk sprach. Am 18. August 1879 schrieb er aus der Sommerfrische in Wernigerode an seinen Berliner Verleger Wilhelm Hertz: „Ich fange erst an. Nichts liegt hinter mir, alles vor mir.“ Diese Worte können gleichsam als Motto für den hier angezeigten, von Otto Drude, Manfred Hellge, Helmuth Nürnberger und Christian Andree herausgegebenen dritten Band gelten, der 708 Briefe (darunter 45 erstmals veröffentlichte) an 126 Adressaten enthält, denn dieser Zeitraum von 1879 bis 1889 ist das Jahrzehnt des Erzählers Fontane. 1878 war „Vor dem Sturm“ erschienen, sein erster Roman. Fontane hatte im Alter von fast 60 Jahren seine Fähigkeiten erkannt und War bereit, sie zu nutzen. Charakteristisch für seine Haltung überhaupt sind auch die — freilich in einem ganz anderen Zusammenhang — an die Tochter Mete gerichteten Worte vom 19. April 1889: „Die Flinte ins Korn zu schmeißen, dazu ist immer noch Zeit.“
Das Jahrzehnt zwischen 1879 und 1889 ist aber auch das Zeitalter Bismarcks, ohne dessen Person jene von Fontane geschilderte soziale, politische und gesellschaftliche Welt nicht zu verstehen ist. In keinem der Romane tritt Bismarck selbst auf, aber er wird in den Werken und Briefen vielfach erwähnt, und Fontanes Urteil über den Kanzler summiert sich in seinen Worten an Philipp zu Eulenburg: „Er ist ein großes Genie, aber ein kleiner Mann“ (23. April 1881).
Außer „Schach von Wuthenow“, mit dem Fontane zum kritischen Romancier seiner Epoche wurde, entstanden zwischen 1882 und 1889 „L’Adultera“, „Grete Minde“, „Ellernklipp“, „Irrungen, Wirrungen“ und „Cecile“, daneben zahlreiche Entwürfe, kleinere Arbeiten, die Biographie über „Christian Friedrich Scherenberg und das literarische Berlin von 1840 bis 1860“ sowie eine Fülle von Theaterbesprechungen, zugleich aber erfolgte auch eine Rückkehr zur Poesie der jüngeren Jahre. All dieses reflektiert sich in seiner Korrespondenz, die sich ausdehnte und vertiefte. Briefe wurden für Fontane zur wichtigsten Äußerungsform. Seine vielfältigen Beziehungen zum künstlerischen und gesellschaftlichen Leben der Epoche, zu einzelnen Personen und zu Familienangehörigen spiegeln sich in den Briefen wider. Mit Vergnügen, aber auch mit Anteilnahme liest man vor allem die Briefe an seine Gattin Emilie, in denen nicht ausschließlich literarische Themen berührt werden, sondern ebenso Alltagsprobleme und Dienstbotennöte. Emilie Fontane mag es mit ihrem Mann nicht immer leicht gehabt haben, es fiel ihr schwer, sich mit den „Überraschungen“ seiner unsicheren Schriftstellerexistenz abzufinden. Doch auch Fontane hatte es nicht leicht mit seiner Frau, denn dem Charakter nach waren die Ehegatten sehr verschieden. Fontane blieb trotz seines großen Bekanntenkreises ein Einzelgänger und zog die Ruhe vor („Ich war immer ein Singleton ... Immer bloß Zaungast .. . “ schrieb er am 4. August 1883 an die Tochter Mete), während Emilie sich nach Gemeinschaft und Geselligkeit sehnte. Dennoch hat ihre gegenseitige Zuneigung sich in allen bitteren Erfahrungen und bösen Zeiten bewährt. War einer der Gatten verreist, so fehlte er dem anderen, - und aus Gewohnheit schrieb Fontane seiner
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