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Deutsche Roman-Bibliothek.
Feuilleton.
Wofai k.
Das schöne Geschlecht auf Deiseii. Die Zeit der sommer- licheu Reisen ist angebrochen; wer nicht gezwungen ist, in den verödeten, von Staub und Hitze dampfenden Metropolen zurück- zubleibcn mit dem stillen Wunsche Faust's im Herzen: „O wäre doch ein Zaubermantel mein" u. s. w., der strebt hinaus in die verlockende Ferne, dessen Phantasie belebt sich mit fröhlichen Neisebildern, denen allerdings auch die Schatten nicht fehlen — das Pfeifen, Rasseln und Stöhnen der Dampfwagen, die Unbilden deS Wetters-, die in Permanenz erklärte Unruhe, die Gepäcksorgcn, unangenehme Reisegesellschaft, Zugvcrspätung und wie all' diese kleinen Neisekobolde heißen, die aber keine Nolle spielen im Vergleich zu den Genüssen, die ein ambulantes Leben denn doch unter allen Umständen mit sich bringt. Den schönen Pariserinnen, welche cs auch nicht mehr aushaltcn können in einer Stadt, wo man nicht mehr startet und nicht mehr tanzt, wo die letzte der Premieren vorüber und die späteste der Ausstellungen geschlossen ist, gibt ein französisches Blatt folgendes amüsante Reisebrevicr in die hübschen Fingcr- chcn, das .auch unsere schönen Leserinnen intercssiren dürfte: Wenn Sie mit großer Dienerschaft reisen, Madame, so können Sie sich das Vergnügen machen, Koffer von allen Dimensionen mitzunehmcn, lang und breit genug, damit die kostbaren Toiletten nicht zerknittert werden, große Ungcthüme mit Kupfcr- beschlag und Ihren Initialen auf allen Seiten bis herab zu den kleinen, zierlichen Necessaires und Leinwandenveloppen, Hutschachteln ü ckiseration u. s. w. Dieses luxuriöse Gepäck wird Sie in den Stand setzen, überall, wie in Paris selbst, Ihren Launen und denen der Mode die Zügel schießen zu lassen; in den großen, internationalen Hotels, welche die Stationen Ihrer Reise bilden, werden Sie Alles bezaubern, vorausgesetzt, daß Sie Chik und natürliche Anmuth besitzen, Gaben, die in Dingen des Geschmacks noch viel mehr bedeuten, als die Schönheit. Oder reisen Sie vielleicht mit Ihrem Herrn Gemahl auf vier Wochen nach der Schweiz, Italien oder Spanien? Dann lassen Sie um GoticS willen diesen ganzen reizenden Plunder hübsch zu Hause, Madame, und beschränken Sie sich auf ein bequemes Hnndkofferchen. In dem einen Fach desselben befinde sich eine einzige große Toilette, ein solides Tasietklcidchcn zum Strapazieren, zwei Negliges, ein Plisseuntcrröckchen, sechs feine Batisthemden und die übrige intime Garderobe, Alles aber ohne Blonden, damit man sie binnen zwei Stunden im Hotel waschen und trocknen kann, denn tima is mons)', dieser Satz gilt doppelt von der Reisezeit. Ferner erwähnen wir zwölf Paar seidene Strümpfe, ein Dutzend Batisttaschentüchcr, sechs einfache Taschentücher, drei Spitzenfichlls, sechs Meter weißer und schwarzer Spitzenrüschcn und einige Dutzend Handschuhe. In dein andern Fach ein Paar starke Stiefel für den Regen, ein Paar Schnallenschuhe ü In Ilsurt äsux, eine zur Toilette passende Chaussüre und ein Paar Pantöffelchen für die verwöhnten Füßchen. Auch vergessen Sie ja nicht, in einer mit Heliotrop parsümirten Enveloppe einen genügend langen und breiten Batistsack in den Koffer zu legen. Dieses praktische Ding wird Ihren Körper vor der Berührung mit fremder Bettwäsche in den HotclsWewahrcn, die unter allen Umständen etwas Unbehagliches hat. Und jetzt sind wir fertig, der Koffer kann geschlossen werden. Als Neisetoilette rathen wir den runden, fußfreien englischen Rock mit anliegender Jaquette und einen chcvalercsken kleinen Filzhut oder ein rundes Hütchen aus- englischem Stroh ohne difficilcn Ausputz wie Blumen und gewisse Federn, aber mit einem schützenden Gazeschleier. — Reisen Sie ganz allein, Madame, so nehmen Sie nichts weiter iu's Coups, als eine leichte Reisetasche, damit Sic unerwünschte Kavalicrdienste ruhig ablehncn können. Während der Fahrt lesen Sie ein Buch oder eine Zeitung, isoliren Sie sich ein wenig, aber doch nicht so sehr, daß man Ihre Anwesenheit vergißt und die Konversation über Ihr Köpfchen hinweg führt. Von Zeit zu Zeit werfen Sie einen Blick aus dem Fenster und fixircn Ihre Mitreisenden, um
dieselben an Ihre Anwesenheit zu erinnern. Aber hüten Sie sich, bei diesem Experiment die Aufmerksamkeit eines männlichen AugenpaarcS auf sich zu lenken, denn alle Passagiere beobachten Sie mit Argusaugen und hoffen, ein klein wenig über Lste skandalisiren zu können. Auf die nicht mehr ungewöhnliche Frage: „Genirt Sie der Rauch, Madame?" antworten Sic, daß dies; thatsächlich der Fall sei, aber ohne Gereiztheit. Viele schöne Reisende schlagen nämlich in diesem Falle einen pikirten, befehlshabcrischcn Ton an, welcher den in seinen Gewohnheiten beeinträchtigten Mitpnssagier zur Opposition reizt und peinliche Szenen herbeiführt. Aber Sie sind kein Kind, Madame, sondern eine liebenswürdige, feinfühlende junge Frau, und werden gewiß aus eigenem Zartgefühl alles das beobachte», was wir gesagt haben oder noch zu sagen hätten. Also „Glückliche Reise!" und „Auf Wiedersehen!"
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Eine arabische Legende. Die Märchenerzähler in den Straßen von Kairo berichten folgende tiefsinnige Legende: Ein Muselmann, der vor der Pest floh, begegnete einem Engel. „Warum entfliehst Du aus der Stadt Deiner Väter?" fragte ihn der Geist. — „Weil alle meine Weiber und Kinder gestorben sind und mein Haus verödet ist." — „Und wohin?" — „Zu meinem Bruder, dort hoffe ich ein Unterkommen zu finden." — „Du hoffst vergeblich; auch Deinen Bruder und seine ganze Familie hat die Pest dahingcrafft." — „Dann will ich umkehren." — „Fürchtest Du Dich denn nicht vor der Pest?" — „Jetzt nicht mehr; sie mag kommen." Einen Augenblick stand der Araber in seinen Schmerz versunken und starrte vor sich hin. Dann fragte er den Engel, den er für einen Wandersmann hielt: „Wie kommt cs, Laß Tein Anblick mich mit Trost erfüllt?" — „Alle Unglücklichen hoffen auf mich." — „Wer bist Du?" — „Ich bin Azzael, der Engel des Todes." — „O, nimm mich mit Dir, Freund!" — „Noch nicht; später sehen wir uns wieder." — „Wann?" fragte der Araber. — Mit einem langen, unbeschreiblichen Blick sah ihn der Engel an. Dann sagte er: „Wenn Du glücklicher sein wirst!" und ging an ihm vorüber.
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Krausösische Galanterie. Ein der französischen Gesandtschaft in Berlin attachirtcr Diplomat befand sich in Gesellschaft einer Dame, die in einer wichtigen Angelegenheit fast eine Stunde ohne Unterbrechung zu ihm gesprochen hatte. Schließlich meinte sic: „Sic werden glauben, daß ich mich sehr gerne sprechen höre." Mit seinem Lächeln antwortete der Diplomat: „Ich weiß, Madame, daß Sie die Musik lieben."
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Talrtlos. Staatsanwalt (zum Angeklagten): Sic haben also weiter nichts zu Ihrer Vertheidigung anzuführen? — Angeklagter: Herr Präsident, Sie können unmöglich so taktlos sein, mich an einem Tage wie dem heutigen zu verurtheilcn. — „Was für ein Tag?" fragt der Staatsanwalt verdulzt. — „Sie sollten aus den Akten wissen, mein Herr, daß heute — mein Geburtstag ist."
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Ländlich, sittlich. Ein junger Japanese, der zum ersten Male Europa besuchte und sich in Berlin befand, meinte zu seinem Führer: „Man sollte glauben, die Deutschen seien alle Doktoren." — „Warum?" — „Weil sie einander nicht begegnen können, ohne sich gegenseitig die Hände zu befühlen und zu fragen: ,Wie geht cs Ihnen?'"
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Ein schwacher Dnucher. Ein Herr wurde seines vielen Rauchens wegen von einem Bekannten getadelt. „Ich bin aber doch ein so mäßiger Raucher," vertheidigte sich dieser, „ich rauche nie mehr als eiste Cigarre auf einmal."
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Redaktion: Dr. Edmund Zoller. — Druck und Verlag der Teutjchcn Verlags-Anstalt (vormals Eduard Halsberger) Ln Stuttgart.