- //
IwöMp Aahrgang
^MMll
W«
- ^ V
8 MZ
WM
MWW-LW»
Wöchentlich Eine Nummer. Preis vierteljährlich 2 Mark.
M 47.
Alle sH Tage Ein Heft. Preis 35 Pfennig xro Heft.
ebenS.
Roman
Erstes Kapitel.
Unter und Sohn.
sin ehrenfester, angesehener Handelsherr und Patrizier in der alten Hansestadt war Konstantin Ueberweg. Sein Haus siorirte in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts, also zu einer Zeit, in welcher es konservative Leute, die auf den besten Ueberliefe- rungen mit Fleiß und Besonnenheit weiterbauten, noch zu etwas bringen konnten. Eisenbahnen, Dampfschiffe, Telegraphen, diese modernen Beschleuniger des Verkehrs, diese Erzeuger neuer Geschäftsarten und rastlosen Dränger der gegenwärtigen nervösen Generation, waren noch nicht erfunden. Die stark- rippigen, bauchigen, zweimastigen Segelschiffe des Hauses Ueberweg klepperten unverdrossen auf altgewohnten Kursen hin und her über den Ozean und hatten keine Konkurrenz Zu fürchten. Das Leben ging dazumal noch einen ruhigen, gemessenen Gang; die Sitten waren patriarchalisch, die Formen des Verkehrs ceremoniös. Konstantin Ueberweg trug noch bei festlichen Veranlassungen Kniehosen und Schnallenschuhe und empfand nicht, daß diese Tracht irgendwie unbequem war.
Mit zweierlei Art von Leuten operirt die Vorsehung, wenn sie irgendwo die Entwicklung ihrer Erdenkinder weitertreiben will. Einmal schafft sie kritische Köpfe, welche die Vernünftigkeit aller be-
Deutsche Roman-Bibliothek. XII. 24.
von
erger.
Nachdruck verboten.
- Uebersetzungsrecht Vorbehalten.
stehenden Einrichtungen anzweifeln, fanatische Idealisten, die in den Wolken einen bessern Staat, eine bessere Gesellschaft sehen und sie unten nachahmen möchten. Dann aber streut sie auch Leute in der gährenden Menge aus, die jenen unzufriedenen Rebellen und diesen sanguinischen Windbeuteln als Hemmschuhe dienen müssen und dafür sorgen, daß ihnen der Karren des Fortschritts nicht gar zu arg in die Waden fährt.
Zu diesen letzteren Leuten gehörte auch Konstantin Ueberweg. Als mit jähem Brausen der Völkerfrühling von Anno Achtundvierzig durch das Land fuhr, wie man im damaligen Phrasenklingklang die Erregung der Geister zu nennen liebte, stand der Handelsherr seiner Natur und Bestimmung nach auf der Seite des Alten. Nicht mit dem Schwert in der Hand, hitzig für die Konservirung der alten Zustände einstehend — dafür war er zu bedachtsam, zu sehr als Kaufmann gewöhnt, den Zeitläuften Rechnung zu tragen. Aber er hatte seiner Abneigung gegen den Schwall der Neuerungen kein Hehl und wurde so mißliebig bei der Majorität seiner Mitbürger, wie dazumal ein Mensch nur werden konnte, der sich mit Stolz Reaktionär schelten ließ. Mehrmals mußte er den Glaser kommen lassen, damit derselbe die Front seines Hauses mit einer Garnitur neuer Scheiben versehe, und auf der Straße ereignete es sich wohl, daß ein Stein in der Nähe seines Kopses vorüberflog.
Dieß Alles focht Konstantin Ueberweg wenig an. „Ungestüme Winde blasen sich bald aus," versicherte
139