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Deutsche Roinan-Siöliothek.
Camill; sagen Sie ihm nichts, ich werde ihn überraschen. Lassen Sie ihn den Arm üben, aber vorsichtig! Wir haben Eile! Adieu, Maestro!"
Gianetti war in der glücklichsten Laune. Die Geschäfte gestalteten sich glänzend. Es galt jetzt, dem Künstler einen neuen schriftlichen Vertrag vorzulegen. Zwar hatte er seine Rechte aus dem alten Vertrage an die schöne Baronin abgetreten, aber diese hatte damit selbstverständlich auch seine Pflichten übernommen; Camill war als Künstler verloren, wenn diese nicht erfüllt wurden; indeß war es Sache des Letzteren, sich mit ihr darüber abzusinden. Sie hatte ja nur seine Person gewollt, Mister Hawcourt aber war dieselbe vielleicht Millionen Werth. Schade, daß durch dieses Duell die mysteriöse russische Prinzessin vom Schauplatz hatte abtreten müssen! Aber vielleicht ließ sich auch diese noch wiederfinden; die Reise sollte ja eben nach Rußland gehen.
„Mister Hawcourt's Besuch wird mir außerordentlich willkommen sein!" beauftragte er den Diener, sich die Hände reibend. „Ich muß heute noch das Nöthige bei der Presse thun, um das Publikum auf das Wiederauftreten Camill's vorzubereiten. Es gibt Gelegenheit zu einem großen Tamtam!"
„Maestro," empfing Camill diesen mit Ruhe, als Pinelli wieder zurückkehrte, „Mister Hawcourt — Sie erinnern sich seiner aus Neapel — sandte mir soeben mit seiner Karte eine Einladung zum Diner draußen vor der Stadt; ich fühle mich wohl genug, ich will sie annehmen; die frische Luft wird mir gut sein. — Wann reisen Sie nach Neapel?"
Des Alten Antwort war ein trauriger, vorwurfsvoller Blick.
„Ich bin Dir lästig?" fragte er traurig.
„Nein!" Camill ergriff seine Hand und preßte sie. „Es drückt mich etwas, das ich Ihnen nicht sagen kann! Seien Sie um meinetwillen ohne Sorge; es ist vorüber, was Sie so bekümmert machte, was ich in Ihren Augen las. — Ich möchte mit Gianetti sprechen."
Pinelli verstand ihn. Er selbst ging, ihn zu rufen, und suchte dann sein Zimmer.
„Gianetti," empfing Camill diesen, aus einen Sessel deutend und sich ihm gegenüber setzend, „Sie sind ein Mann der Geschäfte, lassen Sie uns von diesen reden."
„Es freut mich, das von Ihnen zu hören!" Gianetti stopfte eine Prise in die Nase.
„Wohlan denn!" Er zog ein Papier hervor. „Ist Ihnen also dieß hier dasselbe noch Werth, was Sie sich dafür zahlen ließen?"
„Ich verstehe Sie nicht."
„Ich frage: ob Sie dafür Zweimalhunderttausend Gulden zahlen wollen?"
,,6'est ättkerailt! Sie meinen..."
„Daß dieser Vertrag Sie nicht autorisirt, Ihre Ansprüche auf meine Leistungen auf einen Andern zu übertragen. Die Stellung, die Sie mir durch Ihren Handel mit jener Dame angewiesen, ist eines Mannes nicht würdig."
„Aber ich bitte Sie, ich konnte ja doch den
Wunsch dieser Dame nur als eine Herzenssache betrachten ..."
„In der Sie für sich ein vortheilhaftes Geschäft erblickten. Nicht wahr, nur dieß war Ihr Gesichtspunkt?"
„Nun,' mein Gott, versetzen Sie sich doch in meine Lage Ihnen gegenüber! Sie konnten sterben, und wer entschädigte mich?"
„Es stand nichts davon in unserem Vertrag. Mit einem Wort, ich war vom ersten Augenblick an entschlossen, diesen Handel nicht anzuerkennen. Ich will Sie nicht zwingen, die Summe zurückzuzahlen, aber Sie zwingen mich, einen andern Geschäftsführer zu suchen, um mit seiner Hülfe mich von einer mir aufgebürdeten Schuld zu befreien, die mir demüthi- gend ist."
Gianetti hörte mit Erstaunen die Entschiedenheit seiner Sprache. Das Wort Geschäftsführer behagte ihm nicht.
„Sie sind ein Phantast, lieber Marquis!" spöttelte er. „Sie wissen sehr gut, daß dieser Handel nicht Ihren Leistungen, sondern Ihrer liebenswürdigen Person galt."
„Nun, so sei's denn aus Phantasie!" Camill nahm das von Gianetti auf den Tisch geworfene Papier, um es zu zerreißen. Der Letztere fiel ihm in die Hand.
„Nicht so schnell!" rief er. „Wir werden uns verständigen! Nur eine Bitte vorher: die Variationen aus der C-Saite! Sie begreifen, ich will mich überzeugen, wie weit die Subtilität Ihrer Muskeln. . . Nur dieß Eine, ich bitte!"
Lächelnd griff Camill zum Bogen. Lauschend, mit geschlossenen Augen saß Gianetti. Als Caknill zu Ende, fiel er diesem um den Hals. Er hatte nicht gesehen, wie der Künstler mit Ueberwindung eines stechenden Schmerzes in den noch empfindlichen Nerven seine ganze Meisterschaft aufgeboten; er sah auch jetzt nicht, wie bleich Camill's Antlitz, schritt zum Schreibtisch, warf einige Zeilen auf das Papier und überreichte ihm dieses.
„Das Geld liegt noch unangetastet in der Bank, ich habe es noch nicht erhoben. Lesen Sie! Es lautet: ,Da Herr Marquis Balsado die Rechtsgültigkeit der Zwischen der Baronin von Oppenstein und mir geschlossenen, seine künstlerischen Leistungen angehenden Cession bestreitet, stelle ich der Letzteren die mir gezahlte Summe auf Heller und Pfennig wieder zur Verfügung.. ? Sind Sie mit mir zufrieden? Ja! Aber ich bin es nicht mit Ihnen und ich darf jetzt sprechen. Was ging Sie die Sache an, und was fragt die reiche Dame nach dem Geld! Viel lieber hätt' ich Meister Pinelli davon gegeben, denn er hat Unglück in seiner Familie gehabt, er verschweigt es, aber ich schicke das heute noch ab, sofort, damit Alles wieder in der alten Ordnung ... Und dann noch Eins: werden Sie die Einladung des Mister Hawcourt annehmen? Er hat auch mich eingeladeu."
„Ich bin bereit!"
Gianetti suchte sein Zimmer, machte in Eile Toilette und ließ sich bei der Baronin Oppenstein melden.
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion: Oe. Edmund Zoller. — Druck und Verlag der Deutschen Verlags-Anstalt (vormals Eduard Hallberger) in Stuttgart.