und herausgearbeiteten „Sieg des Realismus“. Fontane wird harmonisiert und nivelliert. Schweizerisches Soliditäts- und Sekuritätsdenken schlägt hier wohl auf das Fontane-Bild durch.
Es liegt trotzdem eine notwendige Untersuchung vor. Die Notwendigkeit hatte bereits die Literaturkritik von 1931 nahegelegt. Man muß sich wundern, daß die Literaturwissenschaft so spät „nachzieht“.
Der Vergleich ist noch dringlicher als Katharina Mommsens Vergleich zwischen Hofmanntshal und Fontane, da bei Broch direkte Anknüpfung an Fontane vorliegt, während im Falle Hofmannsthals nur eine Leseempfehlung aus dem Jahre 1910 unmittelbar auf Fontane verweist.
Die Arbeit dient vor allem der kritischen Weiterentwicklung des Broch- Bildes, obgleich da Möglichkeiten verschenkt werden: beim analytischen Detail (Ornament, sprachliche Metapher) und bei der literarisch-künstlerischen Einordnung (keine Verweise auf Brecht, auf das in der geistesgeschichtlichen Verfahrensweise verwandte „Glasperlenspiel“ Hermann Hesses, auf Zuckmayers „Hauptmann von Köpenick“ und auf den Film „Mädchen in Uniform“). Das Fontane-Bild ist widersprüchlich. Es bewegt sich zwischen richtigen, dem Vergleich geschuldeten Beobachtungen, so auch der selbstkritischen Einsicht der Figuren in ihr Rollenverhalten (87), und Verzerrungen wie der weitgehenden Eliminierung der Entfremdungsproblematik aus dem Werk Fontanes. Obgleich B. in den Schlußkapiteln oft und weit literaturhistorisch ausholt, bleiben Fontanes innere Beziehungen zu den Österreichern, die sich m. E. gestalterisch aus dem Indirekt-Symbolischen, aus der Vorliebe für die Nuance und aus Impressionistisch- Atmosphärischem ergeben, unerwähnt. Brochs Werttheorie hätte den Rüdegriff auf Hofmannsthal „Chandos“-Brief möglich gemacht.
B. Arbeit ist nur oberflächlich historisch. Sie faßt Literatur mechanisch als Reflex von „Zeitgeist“. So wird Fontane zum apologetischen Repräsentanten des „Sekuritätszeitalters“, der sog. „belle epoque“, Broch zum Spiegel - imperialistischer Verunsicherung. Die widersprüchliche Zeitbeziehung Fontanes wird geglättet, seine antizipatorische Substanz wird eingeschränkt.
Zu den ideologischen Verzerrungen kommen ästhetische Ungenauigkeiten. Zur oberflächlichen Handhabung der Kategorien „Typisches“ und „Epochenbild“ treten Unschärfen beim Gebrauch des Komischen (89). Bei der ästhetischen Erörterung fehlen Verfahrensweisen wie das Pasticcio oder die Parodie. Auch der Begriff der „Zurücknahme“ müßte weitergeführt werden.
Trotzdem liegt ein anregendes Buch vor. Es beweist die Fruchtbarkeit typologischer Vergleiche, aber auch ihre Grenzen, wenn nicht historischkonkret und konsequent dialektisch verfahren wird. Es beweist die Nach wirkung Fontanes im 20. Jahrhundert, die ja nicht allzu oft konkret nachweisbar ist. Das Buch dokumentiert eine originelle weniger bekannte Form von Erbe-Rezeption, die Fontane zugleich näher und ferner zu stehen scheint als die etwa gleichzeitige Fontane-Aneignung durch Arnold Zweig im „Grischa“-Roman und durch Hans Fallada. (Das bleibt an anderer Stelle näher auszuführen.)
494