„Neben der Gefühls- und Entscheidungskompetenz fehlt ihm (Joachim von Pasenow; J. B.) auch die Fähigkeit, Dialoge zu führen und Beziehungen einzugehen“ (86). Demgegenüber besäßen die Figuren Fontanes „Gefühls-, Beziehungs-, Entscheidungs- und Sprachkompetenz“ (134). Die Figuren Brochs seien zwar aus mehreren Schichten (einer werttheoretischen, christ- lich-religösen, psychoanalytischen und sozialen) zusammengesetzt, würden aber im Unterschied zu den primär sozial bestimmten ganzheitlichen Figuren Fontanes keine homogenen ästhetischen Einheiten ergeben.
Im folgenden Abschnitt „Die Bauelemente innerer Monolog und Dialog“ geht es um akausalen inneren Monolog als formale Ursache für das zersplitterte, unplastische Menschenbild Brochs und um kausalen inneren Monolog und Dialog als wesentliche gestalterische Grundlagen für soziale Stufung, Differenzierung und Plastizität der Menschengestaltung Fontanes. Den Wechsel der erzählerischen Aspekte gäbe es zwar auch bei Fontane, diesem szenisch-dialogischem Erzähler, aber nicht so häufig und unvermittelt wie bei Broch. B. verweilt hier mehr beim Monolog Brochs als bei der Gesprächskunst Fontanes.
Zu den Vorzügen der Studie gehört das Eingehen auf den unterschiedlichen Charakter des künstlerischen Schaffensprozesses und def ästhetischen Wirkungsweise. Fontane habe Vertrauen in den Erzählvorgang und sei unmittelbarer Erzähler. Broch habe kein Vertrauen in unmittelbares Erzählen, er sei auch von der Lebenssituation her vereinsamter Denkdichter, der von Thesen ausgehe, die er konstruierend ausfülle und konkretisiere. Fontane lade zu Einfühlung und Identifikation ein, während Broch Dissoziation und Distanz bewirke. Vom Konkreten ausgehendes realistisches Erzählen gegenüber deduktivem, illustrierendem Erzählen. Allerdings tritt auch bei dieser Konfrontation die Gefahr mechanistischer geistesgeschichtlicher Antithetik auf, vor allem zuungunsten Fontanes.
In den Schlußkapiteln geht B. auf die Frage ein, ob Broch Fontane gekannt habe. Die Frage stellt sich durch die schroffe Zurückweisung der „Fontane- Walze“ in den Kritiken von 1931 durch Broch. Dem stehen jedoch eine Briefstelle von 1930 als direktes Bekenntnis Brochs zu Fontane (S. 12) und die stofflich-motivischen Parallelen zwischen „Pasenow“ und „Irrungen, Wirrungen“ und anderen Werken Fontanes gegenüber. Diese seien Beweis für intime Fontane-Kenntnis, meint B. Dennoch sei Broch nicht bei Fontane stehengeblieben, er habe ein eigenständiges Werk geschaffen.
B. räumt zwar den Wert der gestalteten Zerfallssymptome bei Broch ein, stellt ihnen aber eine angeblich relativ heile Fontane-Welt gegenüber. Zur Auffassung von der Verläßlichkeit und Geordnetheit der Welt bei Fontane gesellt sich gar die These vom beglückenden Charakter der Gesellschaft der Fontane-Zeit (138). Daher widerspricht B. auch der Auffassung, Fontane sei ein resignierender Dichter, energisch (142) und versucht, ihn als optimistischen „poetischen Realisten“ in der Art Gustav Freytags und Friedrich Spielhagens zu charakterisieren (146 ff., 151, 178). „Signale des Vertrauens in die Wirklichkeit“ (144) verdrängen den von der marxistisch-leninistischen Literaturwissenschaft bei Fontane festgestellten