neraus, um sie dann ins Negative zu wenden und zu verabsolutieren. Erstmals drängt sich der Gedanke von „Pasenow“ als Uber-Fontane, als Fontane-Modell, als Sammel-Fontane auf. Man denkt an Brechts Modellierungsverfahren, nur daß in „Pasenow“ eher Literatur als Wirklichkeit modelliert erscheint bzw. Wirklichkeit über literarische Vorgaben vermittelt abgebildet wird.
Das dritte Kapitel, „Die Liebesmetapher“ überschrieben, ist m. E. eines der ergiebigsten. Es konzentriert sich auf die Liebesdarstellung in „Pasenow“ und „Irrungen, Wirrungen“. Während die voreheliche Liebesbeziehung in „Irrungen, Wirrungen“ konkret in Raum und Zeit gestaltet sei und über den individuellen Liebes- und Glücksanspruch mit gesellschaftlich-politischen Konsequenzen verknüpft sei, bleibe die Liebesbeziehung zwischen Joachim von Pasenow und dem böhmischen Mädchen Ruzena, die übrigens auch als Rilke- oder Kafka-Gestalt angesehen werden kann, abstrakt und leer. Zwischen Botho und Lene Nimptsch herrsche noch in der Trennung gegenseitiges Verständnis, während die Partner bei Broch voneinander völlig isoliert seien. Die Liebesdarstellung bei Broch sei bloß veräußerlichte Wiederholung einer bei Fontane vorgegebenen Konstellation. Dem ist aber nicht ganz so. Broch erweist sich als eigenständig bei der sensiblen, lyrisie- renden Beschreibung der körperlichen Beziehung zwischen Pasenow und Ruzena. Das sprachliche Moment, das m. E. an Georg Trakl erinnert, ist überraschenderweise nicht mit ins „Metaphorische“ eingeschlossen, wie B. auch nicht auf die Rolle des Ornaments in der Werttheorie Brochs eingeht.
Kapitel 5, „Das Thema Ordnung“, steht in gewissem Widerspruch zu Kapitel 4. Nach der progressiven, historisch vorwärtsweisenden Interpretation des verweigerten Liebes- und Glücksanspruches in „Irrungen, Wirrungen“ beginnt sich die regressive, konservative Fontane-Interpretation B. verstärkt anzukündigen. Während es bei Broch nur noch um äußere Ordnung, um die Uniform als Versuch zur Haltung, bzw. in der Werttheorie um metaphysische Ordnung gehe, „schränkt Fontane seine Ordnung in geradezu ,antimetaphysischer Manier' auf die beobachtbare Realität, auf die tatsächlichen Lebensverhältnisse des Menschen ein“ (55). Gegebene Wirklichkeit werde als Ordnung empfunden und begriffen. Fontane scheint sich im Einverständnis mit der preußisch-deutschen Gesellschaft seiner Zeit zu befinden.
Mit dem Kapitel „Der Roman als Epochenbild“ erreicht die Studie einen ersten Abschluß. Der Begriff des Epochenbildes ist freilich nur im beschreibend-naturalistischen Sinn, also ästhetisch nivelliert, gebraucht. So kann Brochs Roman auf Grund der „Zeitgeist“ illustrierenden Darstellungsweise notwendig in höherem Maße Epochenbildcharakter bescheinigt werden als den Romanen Fontanes.
Der Mittelteil bringt eine Ausbreitung der Betrachtung, vor allem im ersten Abschnitt. B. gelangt zur Erkenntnis der menschlichen und ästhetischen Unzulänglichkeit von Brochs Menschenbild: „Brochs Figuren ... erweisen sich im Vergleich zu Fontanes als entfremdete, .defizitäre' Wesen; sie sind außerstande, Ursprüngliches, Autonomes hervorzubringen“ (85).