Heft 
(1885) 03
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nicht schön, aber es hatte in den Augen etwas Offenes, Theilnahme Erweckendes, das für sie einnahm. Das Mißtrauen, welches der Vater einflößte, verwandelte sich in Mitleid diesem kleinen Mädchen gegenüber. Die Stelle des Kastellans in jenem Palast war durch Todesfall frei geworden, und da Mateos sie trotz der fehlenden Finger verwalten zu können schien, erhielt er sie.

Das war ein großes Glück - aber merkwürdiger Weise übte ein viel geringeres, das ihm fast zu gleicher Zeit zufiel, einen ungleich nachhaltigeren Einfluß auf sein Schicksal.

Wie fast alle Spanier, denen eine höhere Bildung und die damit zusammenhängenden Genüsse versagt sind, war Mateos dem Lottospiel mit Leib und Seele ergeben.

Sein Gönner hatte ihm auf sein kleines Gehalt hin einen Vorschuß zur An­schaffung des nöthigsten Hausrathes gemacht. Er aber fand es nur ganz selbstverständlich, daß eine Terne für die nächste Ziehung in dasNöthigste" mit eingeschlossen wurde. Das Los kam heraus und es wur- den ihm hundert ^

Pesos fuertes* in gutem voll­wichtigen Golde ausgezahlt.

Der Gewinn dieser für ihn ganzungewöhn­lichen Summe und der Val de Penas**, mit dem er ihn am Abend in Ge­sellschaft eini­ger Kamera­den feierte, be­rauschten ihn so, daß er sich zu einein sonder­baren Handel bereden ließ.

Einerseiner frü­heren Kriegs­kameraden, dem das Schicksal keinen Gönner bescheert und der somit auf Selbsthilfe an­gewiesen war, hatte den Plan gefaßt, nach der Havana auszu­wandern, dem Eldorado spa­nischer Prole­tarier. Der Plan war immer wieder verschoben worden, weil er keinen Thoreil fand, der ihm das dazu nöthige Geld borgte. Peppe Canelo so hieß der Auswanderer in sp>6 hoffte diesen jetzt in dem goldgesegneten Mateos endlich zu erblicken.

Als er sich in ein paar Gläsern Muth getrunken, kam er mit dem Vorschläge heraus, sein alter vielgeliebter Kriegskamerad- die Kameradschaft war natürlich auf die Karlisten zurückzuführen solle den Gewinn doch bei ihm als Kapital anlegen. Alle Schätze", die er in der neuen Welt binnen zehn Jahren damit ganz unfehlbar erwerben würde, wolle er dann mit ihm theilen.

Das war im Grunde auch ein Lotteriespiel, und deshalb reizte es Mateos. Der Freund aber, sobald er nur merkte, daß er den Schimmer einer Hoffnung auf Gelingen habe, setzte seine ganze Beredsamkeit daran, um Mateos noch denselben Abend zur

* 1 Peso etwa 4 Mark.

** Landwein.

XXXIII. Nr. 3.

Lu unter dem Kastanienöaum.

Einwilligung zu bringen. Der Wein und die Mittrinkenden halfen. Es kam wirklich so weit, daß man den Schreiber Domingo von gegenüber noch aus dem Bette holte, damit er das Schriftliche dabei besorge. Man hing dem Vertrage sogar noch eine Klausel an. Des Mateos kleine Tochter war gerade sieben Jahre alt. Peppe Eanelo hatte einen Sohn von zwölf Jahren, der ihn nach der Havana begleiten sollte. Was war natürlicher, als sie zu verheirathen und dengroßen Reichthum", der mit jeder Flasche zunahm, so beisammen zu halten. In romanischen Ländern sind es ohnehin meist die Eltern, welche die Ehen der Kinder schließen. In zehn Jahren, wenn dasviele Gold" anlangte, war das ja

gerade die rechte Zeit das beste Alter für die Beiden!

Papier ist geduldig. Daß die Anwesenden nicht ganz nüchtern waren, das mochten sie mit sich abmachen. Der Schreiber Do­mingo war selbst in einem Zustande, wo Nachsicht bequem ist. Die Väter hielten sich selig umschlungen, als sie unterzeichnet hatten.

Den andern Mor­gen, als der Rausch noch nicht ganz aus­geschlafen war, nah­men sie in der Ka­pelle der Jungfrau von Fuencisla das Abendmahl aus ihr Versprechen. Solda­tenwort ist freilich an und für sich schon sehr bindend Got­teswort aber ist ein Kitt noch für beson­dere Fälle; es schien, als ob Einer beim Andern dieses Binde­mittel auch nicht für unnöthig hielte. Jeder verwahrte dann seine _ Abschrift, und so schie­den sie nach einem Abschiedstrunke, welcher dem Ma­teos die nüchterne Auffassung der Sache einstweilen noch fern hielt. Die kam freilich früh genug aber sie brachte den Auswanderer und sein Geld nicht wieder zurück. Reue, die täglich bitterer wurde, folgte nun. Der kurze Besitz des Goldes hatte den alten Kriegsmann mit einer unbezähmbaren Leidenschaft nach neuem Gewinn erfüllt. Er hatte eine glückliche Hand das war ja erwiesen. Dieser Umstand hätte umsseil ausgebeutet werden. Wehe, daß er selbst die Mittel fortgegeben, die ihm das leicht gemacht hätten! Was er von dem kleinen Gehalte nur erübrigen konnte, das er vierteljährlich nächst der freien Wohnung von seinem Gönner erhielt, das trug er zum nächsten Kollekteur. Erübrigte er nichts, so sah er, von wem er wohl am bestell ein paar Pesetas leihen könne. Es finden sich immer Solche, die Einem, derfeste Einnahmen" bezieht, gegen gute Zinsen einen kleinen Vorschuß machen. Jede neue Ziehung brachte aber nur neue Enttäuschungen, Tage des Zornes und der Verwünschung. Der Auswanderer ließ nicht einmal etwas von sich hören. Freilich er selbst hatte schreiben nicht gelernt, aber gab's nicht draußen in der neuen Welt Schreiber so gut wie ill der alten? Und konnte er den jungen Burschen nicht an­stellen, den er doch hier zu den Fratres in die Schule geschickt und dessen offenen Kopf er ihm gerühmt hatte? Es wäre wohl auch endlich an der Zeit gewesen, ihm einen Vorschuß von der Havana zu schicken, aus den Gewinn hin. Canelo wußte ja aus eigener Erfahrung, wie Einem zu Muthe ist, der kein Geld im