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Wlätter und WlüLHen.
Gin Kospiz für Werirrte. Air den Westmarlen des Reichs, zwischen den Quellen der schon dem Stromgebiet der Maas angehörenden Flüsse Roer (Ruhr), Vesdre (Weser) und Arnbleve breitet sich meilenweit ein ungastlicher öder Landstrich aus, das „hohe Venn" („Venn" oder „Veen------
Moor, französisch Jes buntes kuZnes"), der ungefähr zu gleichen Theilen an die beiden hier zusammengrenzenden Staaten Preußen und Belgien fällt. Die Straße von Eupen nach Malmedy durchschneidet dieses nur spärlich bewohnte Hochmoor an seiner höchsten und gefährlichsten Stelle. Wehe dem Wanderer, der hier oben von einem Schneewetter überrascht wird! In: Nu ist Weg und Steg verschneit; keine Hand ist vor den Augen zu sehen; spitze Schnee- und Eisnadeln machen jeden Ausblick unmöglich und schlagen Gesicht und Hände blutrünstig, während ein durchdringender eisiger Wind das Blut beinahe ins Stocken bringt. Der Aermste ist verloren, wenn ihn nicht ein günstiger Zufall die einzige menschliche Wohnung in dieser Wüste erreichen läßt: die Baracke Michel.
Opferwillige Menschenliebe ist es, die Verirrten hier ein Asyl bereitet hat. Freilich, keine Bernhardiner werden hier ausgeschickt, um die Erstarrten anfzusuchen; aber stets während eines Unwetters wird man durch das Heulen des entfesselten Windes den Ruf eines Glöckchens vernehmen; der ermattete Wanderer strengt seine letzten Kräfte an, er folgt den: Glockenton und findet sich endlich angesichts einer Kapelle; es ist die Kapelle Fischbach gegenüber der Baracke Michel.
Die Baracke ist hart an der Grenze auf belgischem Boden erbaut. Einige ländliche Gebäude, von denen ein Theil vergangenen Herbst niedergebrannt ist, und ein Aussichtsthurm, das ist alles. Die Kapelle Fischbach liegt schon in Preußen.
Gegründet wurde die Baracke vor etwa 50 Jahren von einem Deutschen Namens Michael Schmitz, und noch heute ist das Anwesen im Besitz von dessen Familie, deren gegenwärtiges Oberhaupt sogar Angestellter des Brüsseler Observatoriums ist, da sich bei seinem Besitz, auf der höchster: Erhebung des belgischen Landes, 672 Meter über dem Meere, ein topographisches Höhenzeichen befindet. Besucht wird die Baracke, nach Fertigstellung der Bahnlinie Aachen-Malmedy, meist nur noch im Sommer von Touristen aus Spaa, Malmedy oder Aachen. Eine fast unbegrenzte Fernsicht genießt man von dort; mit einem guten Glase soll man die Helmspitzen des Domes von Antwerpen sehen können.
Als größte Merkwürdigkeit aber wird von den: Besitzer das „eiserne Buch" gezeigt — eine Art Dankalbum. Die im Lause der Jahre vom Tode Geretteten haben hier ihre Erlebnisse, ihren Kampf mit Sturm und Schnee und den: tückischen Moor niedergelegt sammt ihrem Dank für- endliche Erlösung, und die Familie Schmitz bewahrt das Buch von Geschlecht zu Geschlecht als ihren größten Schatz.
Bhtzstkakische Aeöungs-Aufgaben für die reifere Äugend. In jedem Zögling höherer Schulanstalten, der Sinn und Neigung für Naturwissenschaften besitzt, erwacht frühzeitig der Wunsch, die Experimente, welche der Lehrer in der Unterrichtsstunde vorführt, selbst machen zu können. Dieser Wunsch ist durchaus berechtigt, denn wir begreifen und lernen die Wirkung der Naturkrüfte erst dann vollkommen, wenn wir die Versuche selbst angestellt haben. Die Schule bei ihrer gegenwärtigen Einrichtung kann dieses Verlangen ihrer Zöglinge nicht befriedigen; bis jetzt fehlte es an Apparaten-Sammlungen, die ohne besonderen Kostenaufwand und mit wirklichem Nutzen dem Schüler überlassen werde:: konnten. Vieles, was zu Laboratorien für die Jugend empfohlen wurde, eignete sich nicht für die strengeren Anforderungen des experimentellen Studiums. Neuerdings sind von den physikalisch-technischen Werkstätten von Meiser und Mertig in Dresden Sammlungen von Apparaten zusammengestellt worden, welche das Studium der wichtigsten Abschnitte der Physik, der galvanischen Elektrieität, der Jnfluenzelektricität, der Akustik und Optik ermöglichen. Jeder Sammlung sind 120 Aufgaben und Lösungen derselben beigegeben. . Diese Sammlungen sind selbstverständlich für diejenigen Schüler bestimmt, welche die Grundsätze der Physik in der Schule bereits kennen gelernt haben, und sollen auch nur^ solchen gegeben werden. Sie eignen sich wohl als Geschenke, aber selbst der verhältnißmäßig geringe Preis von 25 Mark für die Sammlung macht dieselben nur den reicheren Kreisen zugängig, und doch wäre es io wünschenswert!), das Erperimentiren möglichst vielen entsprechend beanlagten Schülern möglich zu machen. Dies ließe sich ohne Zweifel dadurch erreichen, daß der Lehrer die Sammlung den: betreffenden Schüler leihweise überlassen würde. Der Vortheil einer solchen Einrichtung liegt auf der Hand. Das Interesse für die in unfern Lehrplänen so stiefmütterlich bedachten Naturwissenschaften würde bei den Schülern wesentlich gehoben werden; das Experimentiren selbst nach einen: durch die gestellten Aufgaben wissenschaftlich geregelten Plan würde keine weitere Ueberbürdung bedeuten, in: Gegentheil, cs würde den Schülern eine Erholung sein und vor allem ihre Sinne schärfen und ihnen die so überaus wichtige Gelegenheit geben, wirklich beobachten zu lernen. Es liegt uns durchaus fern, die betreffenden Sammlungen, was die Auswahl der Apparate anbelangt, als mustergültig hinzustellen; es ist möglich, daß dieses oder jenes in denselben geändert werden könnte. Es kommt uns in erster Linie darauf an, die Idee, welche diesen Sammlungen zu Grunde liegt und als ein mächtiger Hebel des bei uns so vernachlässigten naturwissenschaftlichen Unterrichts dienen dürfte, zur Geltung zu bringen. Von diesem Gesichtspunkte aus möchten wir Eltern, namentlich aber Lehrern die betreffenden Sammlungen von Apparaten zur Beachtung empfehlen. Ihr Nutzen liegt auf der Hand, denn eigene Anschauung ist die Grundlage der wahren Naturerkenntniß. *
Ire Kanarienvögel vom Truteschen Stamm. Von Harzer Ka- ! narienvögeln spricht heutzutage jedermann oder er weiß es doch, wenn ! die Rede darauf kommt, daß im Harz die eigentliche Heimstätte der vor- ! züglichsten Sänger dieser Art sein soll. Wer sodann einigermaßen näher i eingeweiht ist, kennt auch die Vögel von: Truteschen Stamm und bei allen ! wirklichen Liebhabern gelten sie als weltberühmt.
! Während der Kanarienvogel nachweislich erst seit etwas länger als ! dreihundert Jahren dem Menschen gleichsam als Hausthierchen zugänglich j geworden und von dem schlicht gelblich-graugrünen, freilebenden Vogel ! oder Wildling zum goldgelben Knsiurvogel sich verwandelt hat, können i wir die Entwickelung des Kanarienvogels als eines Sängers gar erst seit ! Jahrzehnten verfolgen.
I Das Bergstädtchen St. Andreasberg in: Harz war es, von wo diese Veredlung des Kanarienvogelgesanges ausging, bis sie in allerneuester Zeit sich auch in vielen anderen Gegenden unseres deutschen Vaterlandes festgesetzt und weiter entwickelt hat; so außer in den übrigen Harzer Städtchen namentlich in Berlin, Hannover, Frankfurt a. M., Nürnberg, Stuttgart, Köln, Leipzig, Dresden u. a. m.
Bei weitem die meisten der au: vorzüglichsten singenden Harzer Kanarienvögel bezeichnet man einfach als Schläger, bezw. Hohlroller vom ! Truteschen Stamm, und dies schreibt sich daher, daß unter den verschiedenen Kanarienstämmen in St. Andreasberg der des Bergmanns Trute der bedeutendste war und noch ist, neben welchen: als gleich hervorragend eigentlich nur noch der Erntgessche Stamm (gezüchtet von: Kaufmann Erntges in Elberfeld) in Betracht kommt.
Wilhelm Trute war ein einfacher, biederer Mann. Wie es in St. Andreasberg üblich ist, geht die Kanarienvogelzüchtung als Nebenbeschäftigung und Nebenverdienst der Bergleute von: Vater auf den Sohn über und jeder sucht den Gesang seines Kanarienvogelstammes weiter auszubilden und zur möglichst hohen Vollkommenheit zu führen.^ Dazu gehört nicht bloß Eifer, Liebe und Lust, volles Verständniß und Geschmack, reiche Kenntniß und Erfahrung, sondern vor allem ein feines sicheres musikalisches Gehör. Diese Eigenthümlichkeiten können dann aber auch zu einer wahren Goldgrube werden.
So züchtete Trute alljährlich 200 bis 275 Kanarienhühne, die er in früherer Zeit zun: Durchschnittspreis von 7,50 Mark, seit zehn Jahren aber mit lO Mark für den Kopf an einen Berliner Vogelhändler verkaufte, welcher die sorgsam ausgemusterten oder, wie mau zu sagen ! pflegt, „abgehörten" Vögel sodann zum Durchschnittspreise von l5 bis ! 20 Mark, und einzelne köstliche Sänger für 30 bis 60 Mark, im ! höchsten Einzelpreise bis zu 100 Mark an die Liebhaber absetzte. Eine» ^ beträchtliche Anzahl der besten Vögel behielt Trute stets zurück, und für dieselben fand er bereitwillige Abnehmer in: einzelnen zu 60 Mark, 75 Mark, 100 Mark bis 150 Mark und wohl noch darüber. Für seine Zuchtvögel sind ihm zuweilen 300 Mark und mehr für den Kopf auf den Tisch gelegt worden, ohne daß er sich jemals dazu hätte verleiten lassen, die ! selben fortzugeben, denn von ihnen hing ja der Bestand und der Werth ! feiner ganzen Kanarienvogelzucht und damit einer nicht unerheblichen i Erwerbsquelle ab.
! Jetzt ist Trute, leider viel zu früh, in: Alter vor: noch nicht 50 ! Jahren verstorben, und alle, die ihn gekannt und in feinen: anspruchslosen § und rechtschaffenen Weser:, namentlich aber ir: seinen: achtungswerthen ^ Streber: geschätzt haben, werden die Ueberzeugung hegen, daß seir: An . denken ein bleibendes ist, denn Kanarienvögel vom Truteschen Stamme ! wird cs in aller Zeit geben, solange wir der: goldgelber: Hausfreund ! hegen und Pfleger:.
Goldgewinnung der Alten. Ter alte Plinius, welcher bekanntlich ! in: 1. Jahrhundert n. Ehr. eine dicke Naturgeschichte geschrieben hat, war ! der Meinung, daß das Gold ir: Indien nicht durch der Menschen Fleiß ! gesammelt werde, die hierzu unvermögend seien, sonder:: daß große j fliegende Ameisen die Goldkörner Zusammentragen. Wahrscheinlich glaubte ! er, mar: finde dann die letzteren in den Ameisenhaufen, wie man heutzu- ! tage in denselben die Ameiseneier findet. Torquemadus, ein mittelalter- ^ sicher Schriftsteller, ist noch weit phantastischer als Plinius; er stellte sich ! die Goldgewinnung so vor, daß in den: schwarzen Fluß von Lappland ! ein Fisch Namens „Trevion" gefarrger: werde, der im Winter schwarz, im ^ Sommer weiß sei. Das Schmalz dieses Fisches wirke auf das Gold ! magnetisch; werde es nun an einen: Seile auf den Grund dieses Flusses ! niedergelasfen, so ziehe es die dort zahlreich lagernden Goldkörner an sich i und so sei das Gold in Menge gefischt worden.
Kleiner Briefkasten.
Inkatt: Flammenzeichen. Roman von E. Werner (Fortsetzung). S. 37. — Lustige Schlittenfahrt. Illustration. S. 40 und 41. — Hermann Lingg. Von Rudolf v. Gott- fchall. S. 43. Mit Porträt Hermann Linggs. S. 37. — Die Erforschung der Meere. S. 45. Mit Abbildungen S. 45, 46 und 47. — Quitt. Roman von Theodor Fontane (Fortsetzung). S. 48. — Der letzte Gruß. Illustration. S. 49. — Blätter und Blüthen: Ein Hospiz für Verirrte. S. 52. — Physikalische Uebungs-Aufgaben für die reifere Jugend. S. 52. — Die Kanarienvögel vom Truteschen Stamm. S. 52. — Goldgewinnung der Alten. S. 52. — Kleiner Briefkasten. S. 52.