Heft 
(1890) 11
Seite
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Was hatte sie?" fragte die Mutter, die nicht recht gehört zu haben glaubte; der junge Majoratsherr hob den Kopf und sah sie an; er hatte einen ganz eigenthümlichen Ausdruck im Gesichte.

Recht, sage ich, Mama! Es ist wahr, Du hast mich wie einen Schulknaben behandelt, dagegen hätte ich mich wehren müssen."

Junge, ich glaube, Du bist nicht recht bei Tröste," sagte Frau Regine, aber Willibald fuhr gereizt auf:

Ich bin kein Junge! Ich bin der Majoratsherr von Burgs­dorf und siebenundzwanzig Jahre alt. Das vergißt Du immer, Mama, und ich habe es leider auch vergessen, aber endlich fallt es mir doch einmal ein."

Frau von Eschenhagen blickte mit maßlosem Erstaunen auf ihren sonst so folgsamen Sohn, der auf einmal Anstalten zur Widersetzlichkeit machte.

Ich glaube wahrhaftig, Du willst aufsässig werden. Junge! - Laß Dir das nicht einfallen, Du weißt, dergleichen leide ich nicht. > Was ist Dir denn überhaupt in den Kopf gefahren, daß Du Dir i solche Eigenmächtigkeiten erlaubst? Während ich mich bemühe, > einem im höchsten Grade unpassenden Umgänge ein Ende zu machen ! und diese Marietta zu beseitigen, leistest Du ihr hinter meinem ! Rücken eine förmliche Abbitte deswegen, bietest ihr sogar die Ro- ! sen an, die Du für Deine Braut bestimmt hast. Ich weiß zwar ! nicht, wie Du dazu kommst, es ist das erste Mal in Deinem Le- ^ den, aber Toni wird sich dafür bedanken, wenn sie erfährt, was ! aus ihren Blumen geworden ist. Es geschah Dir ganz recht, daß ! der kleine Sprühteufel sie zertreten hat, künftig wirst Du solche ! Dummheiten bleibeil lasten."

Sie schalt ihn in dem gewohnten Tone aus, ohne sich im mindesten an seinen Widerspruch zu kehren, aber Willibald nahm das diesmal übel. Er, der noch vor zehn Minuten ängstlich die Blumen in seine Tasche versenkt hatte, um ja nicht bei der Auf­merksamkeit ertappt zu werden, bekam plötzlich eineil Anfall von Heldenmuth, und anstatt seine Mutter in ihrem Glauben zu lassen und den gefährlicheil Sturm damit zu beschwichtigen, forderte er ihn geradezu heraus.

Die Roseil waren gar nicht für Toni bestimmt, sondern für Fräulein Volkmar," erklärte er trotzig.

Für?" Der entsetzten Frau blieb das Wort im Munde stecken.

Für Marietta Volkmar! Sie wünschte heute abend eine Rose im Haar zu tragen, und da in Waldhofen keine mehr auf­zutreiben war, so ging ich zum Schloßgärtner und verschaffte mir die Blumen nun weißt Du es, Mama!"

Frau von Eschenhagen stand da wie eine Salzsäule, sie war kreidebleich geworden, denn mit einem Male ging ihr ein Licht auf, aber es zeigte ihr etwas so Furchtbares, daß sie für einige Se­kunden Sprache und Bewegung verlor. Dann freilich kam ihr die alte Thatkraft zurück. Sie packte den Arm ihres Sohnes so nach­drücklich, als wolle sie sich seiner für alle Fälle versichern, und sagte kurz und bündig:

Willy wir reisen morgen ab!"

Abreisen?" wiederholte er.Wohill denn?"

Nach Hause! Wir fahren morgen früh um acht Uhr, dann erreichen wir vormittags den Schnellzug und sind übermorgen in Burgsdorf. Du gehst augenblicklich auf Dein Zimmer und packst!"

Der Kommandoton machte diesmal leider gar keinen Eindruck auf Willy.

Ich packe nicht," erklärte er verstockt.

Du packst, sage ich Dir!"

Nein," trotzte der junge Majoratsherr.Wenn Du durch­aus abreiseil willst, Mama, so reise ich bleibe hier."

Das war unerhört, aber es beseitigte auch den letzten Zweifel, und die entschlossene Frau, die ihren Sohn noch immer festhielt, schüttelte ihn jetzt in der derbstell Weise.

Junge, wach auf, komm zu Dir! Ich glaube, Du weißt es noch gar nicht einmal, was Dir eigentlich passirt ist! Null, dann will ich es Dir sagen! Verliebt bist Du verliebt in diese Marietta Volkmar!"

Sie schleuderte das letzte Wort mit einem geradezu nieder­schmetternden Tone heraus, aber Willy war gar nicht nieder- geschmettert. Eine Minute lang stand er allerdings starr vor Ueberraschung, das war ihm wirklich noch nicht eingefallen, aber jetzt begann es auch bei ihm zu tagen.O!" sagte er mit einem

tiefen Athemzuge, und dabei ging etwas wie ein Lächeln über sein Gesicht.

O! Ist das Deine ganze Antwort?" brach die erzürnte Mutter los, die trotz alledem auf einen Widerspruch gehofft hatte. Du leugnest es also nicht einmal! Und das muß ich erleben an meinem einzigen Sohne, den ich erzogen, den ich nie von meiner Seite gelassen habe! Während ich Dich zum Wächter bestelle, wenn diese Person bei Deiner Braut ist, behext sie Dich selbst, denn das ist doch offenbar Hexerei, und da spielt sie mir gegenüber noch die Tugendhafte, Tiefbeleidigte, dies Geschöpf"

Mama, hör' auf, das leide ich nicht!" unterbrach sie Willi­bald gereizt.

Du leidest es nicht was soll das heißen?"

Frau voll Eschenhagen hielt plötzlich inne und horchte nach der Thür.

Da kommt Toni zurück, Deine verlobte Braut, der Du Dein Wort verpfändet hast, die Deinen Ring trägt wie willst Du ihr jetzt gegenübertreten?"

Sie hatte endlich das rechte Mittel gefunden, der junge Majoratsherr zuckte zusammen bei dieser Mahnung und senkte stumm den Kopf, als Antonie ganz unbefangen eintrat.

Du bist schon wieder da, Willy?" fragte sie,ich glaubte aber was hast Du denn? Ist etwas vorgefallen?"

Ja," sagte Regine, die wie gewöhnlich die Zügel ergriff, mit voller Bestimmtheit.Wir haben soeben eine Depesche aus Burgsdorf erhalten, die uns zwingt, morgen früh abzureisen. Du brauchst nicht zu erschrecken, mein Kind, es ist nichts Gefähr­liches, nur eine Dummheit" sie legte einen scharfen Nachdruck auf das Wort-eine Dummheit, die da angerichtet worden ist und die durch schnelles Eingreifen ebenso schnell beseitigt wird. Ich erzähle Dir das später ausführlich, einstweilen hilft es nichts, wir müssen fort."

Die Neugier gehörte durchaus nicht zu den Fehlern Antoniens, und selbst diese ganz unerwartete Nachricht vermochte nicht, sie aus ihrer Gelassenheit zu bringen; die Erklärung, daß es sich um nichts Ernstes handelte, beruhigte sie vollkommen.

Muß Willy denn auch mit abreisen?" fragte sie ohne be­sondere Aufregung.Kann er nicht wenigstens hier bleiben?"

Nun, Willy, so antworte Deiner Braut doch!" sagte Frau von Eschenhagen, die scharfen grauen Augen fest auf ihren Sohn richtend.Du weißt es ja am besten, wie die Verhältnisse liegen, kannst Du es wirklich verantworten, wenn Du jetzt hier bleibst?"

Es folgte eine kurze Pause; Willibalds Blick begegnete dem seiner Mutter, dann wandte er sich ab und sagte mit halb unter­drückter Stimme:

Nein, Toni, ich muß nach Haus es geht nicht anders."

Antonie nahm diese Nachricht, die eine andere Braut doch wohl geschmerzt hätte, mit sehr mäßigem Bedauern auf und be­gann sofort die Frage zu erörtern, wo die Reisenden denn morgen mittag essen würden, da der Schnellzug nirgends einen längeren Aufenthalt habe. Das bekümmerte sie fast ebenso sehr wie die Trennung, und sie kam endlich zu dem Ergebniß, daß es am besten sei, kalte Küche mitzunehmen und unterwegs zu speisen.

Frau von Eschenhagen triumphirte, als sie zu ihrem Schwager ging, um ihm die Abreise anzukündigen, für die sie bereits einen Vorwand gefunden hatte. Auf einem großen Gute konnte ja mancherlei Vorfällen, was den Herrn unerwartet zurückrief, und der Oberforstmeister durfte natürlich die Wahrheit so wenig er­fahren wie seine Tochter, obgleich er in seiner Verblendung das ganze Unheil verschuldet hatte. Uebrigens zweifelte Regine durch­aus nicht daran, daß, sobald sie ihren Willy nur erst glücklich dem Bannkreise dieserHexerei" entzogen habe, er wieder zur Vernunft kommen werde; er hatte das ja schon vorhin gezeigt. Sie wollte schlechterdings nicht einsehen, daß nur Willibalds Ehrenhaftigkeit seiner Braut gegenüber gesiegt hatte und daß es ein schwerer Mißgriff gewesen war, ihn über seine Gefühle für eine andere aufznklären.

Warte, mein Junge," murmelte sie ingrimmig.Ich will Dich lehren, solche Geschichten anzufangen und Dich gegen Deine Mutter zu empören. Wenn ich Dich nur erst wieder in Burgs­dorf habe, dann gnade Dir Gott!"

(Fortsetzung folgt.)