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dem Zuge zu Dir geeilt! Ich werde im Kontinentalhotel ab- steigen uud wage zu hoffeu, daß Du morgen dort mit mir zu Mittag speisen wirft!"
„Deiner Rückkehr zu Ehren — mit Vergnügen! — Du holst mich doch ab?"
„Selbstverständlich! — Um drei Uhr, Wenns Dir genehm ist! — Doch — eine beiläufige Frage noch! Unterhältst Du gar keine Beziehungen zu unseren hiesigen Verwandten? — Ich vermied es absichtlich, mich in meinen Briefen danach zu erkundigen."
„Du meinst den General Brenckendorf, unseren sogenannten Onkel?"
„Er ist Papas leiblicher Vetter — warum sollte man ihn da nicht so nennen?"
„Nun ja, Onkel oder nicht, ich habe ihn nie gesehen, ihn so wenig als die Vettern oder die Base, deren Besuch in unserem Elternhause mir ewig die schwärzeste Erinnerung aus der Kinderzeit bleiben wird."
„Du trägst ihnen den kindlichen Groll doch nicht etwa heute noch nach?"
„Gott bewahre! Ich zweifle keinen Augenblick, daß Vetter Lothar im Verkehr mit jungen Damen heute viel artiger ist als damals, wo er vom Morgen bis zum Abend meinen Lehrmeister spielen wollte, und ich hoffe auch, daß sich Büschen Cilly inzwischen das Kratzen abgewöhnt haben wird. Aber was hilft mir I
! diese Versöhnlichkeit! Lothar und Cilly kümmern sich um mich ebenso ! wenig als ihr Bruder Engelbert, in den ich, wie ich glaube, damals i mit meinem siebenjährigen Herzen sterblich verliebt war."
„Sie kümmern sich nicht um Dich — das heißt, man könnte l wohl auch mit gutem Recht das Umgekehrte sagen. Hast Du ihnen denn jemals einen Beweis Deines Daseins gegeben?"
„Wie hätte ich dazu kommen sollen? Wußten die Brencken- dorfs etwa nicht, daß ich elternlos geworden war?"
„Allerdings; aber sie glauben Dich vielleicht noch heute unter der väterlichen Obhut des würdigen Stadtraths Lehmann in der Heimath."
„Mag sein! — Jedenfalls war es ihre Sache, mich zu suchen, nicht die meinige, mich ihnen aufzudrängen; denn ich bin arm und sie sind reich! Hatte ich nicht recht, Wolfgang?"
„Wenn Du es sogar verschmähen konntest, meine brüderliche Unterstützung anzunehmen — gewiß! Von einem andern Standpunkte aus und namentlich im Hinblick auf das Brenckendorfsche chemüthig und muthig' ließe sich allerdings vielleicht auch widersprechen! Aber es fällt mir nicht ein, in der Stunde unseres ersten Wiedersehens dergleichen zu thun — um so weniger, als es nun wirklich die höchste Zeit ist, daß ich gehe! — Gute Nacht, mein stolzes Schwesterchen — gute Nacht!"
Sie küßten sich herzlich, und mit glückstrahlendem Antlitz geleitete Marie den Bruder bis zur Thür.
(Fortsetznng folgt.)
Bilder aus dem Landsknechlskeöen.
Von K. Wnuer. Mit Zeichnungen von WeLer Schnob.
I.
Wie der Stand der frommen Landsknechte aufkam. — Die Aufrichtung des Regiments. — Obrist Blaubart.
>s ist kein Zufall, wenn um dieselbe Zeit, als die deutsche Dichtkunst aus den Schlössern der Fürsten, von den Burgen des Adels Herabstieg und ihre Heimstätte in den Reichsstädten bei den ehrsamen Bürgern und Handwerksmeistern aufschlug, auch das Kriegswesen sein bis dahin vornehmeres Aussehen und seine Art verwandelte und die Entscheidung der Schlachten aus den Händen der in immer dichtere Stahlharnische sich und ihre Rosse einhüllenden adligen Ritterscharen nahm, um sie in die starken Fäuste kriegsmuthiger, abenteuerlustiger Bürger und Bauern, eines leichter bewehrten Fußvolks, zu legen. Beide Erscheinungen haben ihre tiefste Wurzel in dem durch die Re- formationsbewegnng geweckten Geiste der Freiheit und in dem durch dieselbe besiegelten Verfall mittelalterlichen Feudallebens.
Bei beiden Vorgängen wirkten natürlich auch noch allerhand äußere Umstände mit, vor allen Dingen die Ausbildung der Handfeuerwaffen, die für den ohnehin überlasteten, als Hauptmaste die schwere Lanze führenden Ritter unverwendbar waren und deren Geschosse ganz anders an die stählernen Harnische pochten als selbst die Bolzen der stärksten Armbrust. Sogar der rauflustige Götz von Berlichingen spricht in seiner Lebensbeschreibung mit unverhohlenem Respekt von Geschütz und Feuerwaffen und meint in der Erzählung von der Fehde des Markgrafen Kasimir von Brandenburg gegen die Nürnberger, es sei ihm und seinen adligen Gesellen im Geschützfeuer der Nürnberger „die Weile nit kurz geworden; dann es kann nit ein jeglicher das Gepölder leiden."
Von entscheidendem Einflüsse aber war doch in erster Reihe der schon seit geraumer Zeit eingetretene Verfall des feudalen Heerbanns, in welchem neben den adligen Ritterscharen das Fußvolk kaum noch als bewaffneter Troß in Betracht kam. Dieser Verfall trat allenthalben ein, am meisten in Deutschland; des Reichs Politisches Gefüge wurde so locker, daß das Vasallen- verhältniß der Fürsten und des reichsunmittelbaren Adels zum Kaiser immer mehr seine Wirksamkeit verlor. In den kleinen Nachbarfehden der Landesfürsten erwies das Lehnssystem zwar noch längere Zeit sich verwendbar; für die Reichskriege hatte es lange vor dem Ende des 15. Jahrhunderts jede Bedeutung verloren.
An Stelle des dienstpflichtigen Lehnsmanns trat schon im 15. Jahrhundert der um Sold dienende Ritter. Eine zweckentsprechende Ordnung des nationalen Wehrwesens auf Grund der geschichtlich gewordenen Verhältnisse versuchte zuerst um die Mitte des eben genannten Jahrhunderts Karl VII. von Frankreich mit der Errichtung der fünfzehn ritterlichen Ordonnanzkompagnien der „Hommes d'armes" (Waffenleute). Dieses Heer ritterlicher Söldner war fortan die Pflanzschule der neueren französischen Ritterschaft, seine Ruhmessterne waren die Bayard und La Tremouille. Das veränderte Waffenwesen heischte zwar schon gebieterisch die Herstellung auch eines kriegstüchtigen, zweckvoll geschulten Fuß Volks, aber die französischen Bürger und Bauern waren noch viel zu unkriegerisch für solchen Zweck, und so führte, als der Kampf zwischen dem Hause Valois und dem Geschlechte der Habsburger zuerst um das Erbe Karls des Kühnen, dann um Neapel und Mailand, d. h. um die Herrschaft in Italien, begann, die Noth die Könige Karl VIII., Ludwig XII. und Franz I. zu der Auskunft, um schweres Geld die Besieger Burgunds, Oesterreichs und der Schwaben in ihren Dienst zu berufen; sie mietheten Schweizer.
An diese ebenfalls sich zu wenden, verbot sich dem ritterlichen Kaiser Maximilian I.; mußten ihm die Schweizer doch noch als Empörer gegen Habsburg erscheinen. Zu oft schon im Laufe der letzten anderthalb Jahrhunderte aber war die Kraft und die Blüthe der geharnischten adligen Reiterei, noch ehe die Handfeuerwaffen eine entscheidende Rolle spielten, vor geschloffenen, mit handlicher Wehr zu Fuße kämpfenden Bürger- und Bauernheeren ' erlegen. Es wirkte in der Erinnerung an solche Unglückstage eine gewisse Scheu, geschloffen standhaltendes Fußvolk anzugreifen fortwährend noch bei den adligen Harnischreitern nach, und selbst