Heft 
(1985) 39
Seite
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324 Der sogen. ,Fall Lindau wurde durch die russische Schauspielerin Elsa von Schabelsky hervorgerufen, die 1888 von Wien nach Berlin übergesiedelt war, um am Residenz-Theater mittlere Rollen zu spielen; sie genoß die Protektion Paul Lindaus - das damaligen .Literaturpapstes von Berlin u. Theaterkritikers des Berliner Tageblatts dessen Geliebte sie bis zum September 1889 war, als sie das Verhältnis löste und ein Engagement von Ludwig Barnay (1842-1924) am Berliner Theater annahm. Lindau forderte die Schabelsky daraufhin auf, Berlin binnen 48 Stunden zu verlassen (zu Lindaus .Bannbrief vgl. Mehrings Broschüre Der Fall Lindau [s. u. S. 8-91 u. Georg Hartwich: Paul Llndaus Glück und Ende oder Fort mußt du, deine Uhr ist abgelaufen! [Berlin: G. Hoppner 1890], worin viele der relevanten Briefe abgedruckt sind) u. drohte, ihr die Arbeit an sämt­lichen Berliner Theatern sperren zu lassen (woraufhin Barnay sein Angebot zurückzog). Die Schabelsky wandte sich daraufhin an Maximilian Harden, den sie seit 1888 kannte, der sie an Franz Mehring (18461919), Chefredakteur der Volks-Zeitung, vermitelte, der in dem vorliegenden Fall ein öffentliches Unrecht sah u. am 10. August 1889 in seinem Blatt einen Leitartikel veröffentlichte: .Ein Kleiner von den Seinen (in seinem ersten Beitrag zu dieser Affäre IS. 7821 führte Mauthner aus, daß die Berliner Volks-Zeitung bisher ein ernstes Blatt gewesen sei, dem niemand Skandalsucht hatte vorwerfen können; vgl. Einzel­heiten zur Rolle Franz Mehrings in dieser Affäre bei Thomas Höhle: Franz Mehring. Sein Weg zum Marxismus 1869-1891 [Berlin: Rütten & Loening 1956], S. 271-84). Lindau reagierte erst, als Harden am 20. August 1889 - ebenfalls anonym einen Artikel ln der Volks-Zeitung publizierte, der zu einem Gesell­schaftsskandal ersten Ranges führte (für Harden war dies die erste größere Aus­einandersetzung mit der Korruption der Presse [vgl. B. Uwe Weller: Maximilian Harden und die .Zukunft [Bremen: Schünemann 1970], S. 31]): Lindau seit 1862 Mitglied des Pressevereins sah sich nunmehr gezwungen, seinen guten Ruf vor dem Ehrengericht des Vereins .Berliner Presse zu verteidigen (vgl. Hartwich, S. 16), das ihn am 2. September 1890 von jedwedem Verdacht freisprach. Die Situation hatte sich allerdings ln der Zwischenzeit dadurch verschärft, daß die Schabelsky sich mit einem erpresserischen Brief (vgl. Hartwich, S. 9) direkt an Rudolf Mosse, den Verleger des Berliner Tageblattes gewandt hatte, um durch diesen Druck auf Lindau auszuüben (3ie bot außerdem verschiedenen Berliner Bühnen ein von ihr verfaßtes Drama Ein berühmter Mann [ursprünglich Das Recht der Leidenschaft] an: zusätzlich wurden die ordentlichen Gerichte von der Schauspielerin angerufen, die Lindau (und Barnay) schuldig fanden u. der Schabelsky eine Entschädigung zusprachen (der eigentliche Verlierer ln dieser Affäre war Franz Mehring, der - trotz zweier Rechtfertigungsschriften [Der Fall Lindau [Berlin: K. Brachvogel 1890] und Kapital und Presse [Berlin: K. Brach­vogel 1891], worin in der .Vorbemerkung u. Kap. 1 [.Noch ein Boykott1 Einzel­heiten angeführt werden zu Versuchen seitens der .Llndau-Cllque, Mehrings materielle Existenz zu vernichten - seinen Posten bei der Volks-Zeitung verlor [vgl. Höhle, S. 273 f. u. insbes. die Rolle des Besitzers der Volks-Zeitung, Emil Cohn]). Sowohl Mauthner als auch Brahm stellten sich auf Lindaus Seite, indem sie in ihren Beiträgen das öffentliche Breittreten einer Privataffäre entschieden verurteilten (Brahm sprach von ,Unfläthlgkelten [S. 852]; später ergab sich jedoch ein gewisser Gegensatz der Ansichten (auch Mehring fand in seiner ersten Replik mancherlei Gemeinsamkeiten mit Mauthners Auffassung, wohingegen er Brahmsunsauberen Cynlsmus [S. 55] rundheraus verurteilte), als Mauthner [F. M.: .Noch einmal der Fall Lindau, S. 811] ausdrücklich hervorhob:Und wenn Brahm sich auf Nietzsches .Jenseits von Gut und Böse beruft [vgl Brahm S. 818/die Hrsg.], um Lindau zu verteidigen, so kann ich nicht mehr mit - obwohl von beiden die Frage aufgeworfen wurde, ob Lindau nicht gewisse Grundsätze der Berufsethik verletzt habe, indem er gleichzeitig als Kritiker für eine große Berliner Tageszeitung und als Dramaturg für das Deutsche Theater arbeitete - ein Anklagepunkt, der von LArronge zurückgewiesen wurde (vgl fm. in .Kleine Kritik, Deutschland 2 [1890], l [vom 4. 10. 1890], S 16) Fontane nahm in seinen Briefen verschiedentlich Stellung zu dieser Affäre- so schrieb er z. B. am 11. 9. 1890 an seinen Sohn Friedrich (HA, IV, Nr. 70 62) unter Bezug­nahme auf Brahms zweiten Artikel (Mauthners ersten Beitrag in einem Brief vom 3. 9. 1890 [HA IV, Nr. 67, 61] hatte er einensehr hübschen Art kel genannt?: Lindau, der auch keinem was geschenkt hat, kriegt es nun donoelt zurück! gezahlt, darin liegt so was wie Ausgleich und höhere Gerechtigkeit aber anderer­seits bleibt doch das bestehn, daß in diesem Fall ihn so gut wie keine sclfuid trifft. Ausführlich setzte sich Fontane mit dem .Fall Lindau in sllnlm Brief

Frie F d r iae d nd e ef e N r r V l« ! iVg? Är (Theo(ior = B?Än G^org

r rieaiaenaer, Nr. 140, s. 13738), der hier auszugsweise zitiert sei* mp t inHnn.

frage ... ist eine sehr schwierige Frage ... ich will 4 Punkte vnJmifarhclS-on damit ich nicht moralisch laxer als nöthig erscheine l Lindau-Tnelehü! cm anfechtbar und jedenfalls nicht sehr schön 2. iS mlßbliliee dal £r rS II der .Berliner Presse erklärt hat, in Lindaus GeShren Ti

zu erblicken. 3. ich mißbillige es, Wiewohl es das Kmea.i'S,^ H U n ^ ren ^ aft f S kein wort über die Sache gebracht hat. und! ?3? &Ä dTnlifefar^en

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