Heft 
(1985) 39
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doch mindestens preßlichen Gesammtzustand, der bei dieser Gelegenheit klar zu Tage getreten ist. Aber weiter kann ich mit Verwerfung und Mißbilligung nicht gehn. Die ersten Eindrücke sind nicht immer die richtigen, aber doch meist. Als mir meine Frau .. . das Anklagematerial 1. e. die Lindauschen Briefe vorlas, war mein erstes Wort: ,das ist gar nichts, Lindau hat ein Liebesverhältnis gehabt und mag die Schabelsky-Physiognomie nicht mehr sehn, jedenfalls mag er nicht mehr über sie schreiben. Und so proponirte er ihr, Berlin zu verlassen und ist erbütig, ihr dazu goldne Brücken zu baun. Das ist alles. Ich finde darin nicht das Geringste, worüber ich mich sittlich entrüsten oder Veranlassung nehmen kann, gerade das an den Pranger zu stellen. Ein Lebemann mit Liebesverhält­nissen kommt beständig in solche Lagen und wer nicht ein geaichter Philister ist, wird sich erinnern, daß er einmal oder mehrere mal in seinem Leben in ähnlichen oder viel schlimmeren Lagen gewesen ist und viel Anfechtbares gethan hat. Noch einmal, vom lebemännischen Standpunkt aus angesehn, ist es gar nichts, aber journalistisch-moralisch angesehn, empfängt man allerdings einen schmerz­lichen Eindruck und sieht an einem wahren Musterbeispiel demonstrirt, daß alles Schwindel, Clique, Mache ist . . . Die Reputation, die Lebenserfolge, Ruhm, Ansehn, Gewinn, alles wird durch eine Gruppe von Personen bestimmt, die sich durch verschwiegnen Händedruck ,zusammengefunden haben und ihr Chef ist Lindau.

325 Brücke in Prag, Mauthners Heimatstadt; diese Brücke wird auch von Fontane in Reisebriefe vom Kriegsschauplatz Böhmen 1866, a. a. O., S. 28 [Kap. über PragJ erwähnt; der Beitrag erschien in der VZ Nr. 415 vom 6.9. 1890 (l. Beilage), worin die Uberflutungskatastrophe im Moldautal beschrieben wurde und es u. a. hieß: Ueber den Einsturz der alten, berühmten Prager Kaiserbrücke, den wir bereits gemeldet haben, wird in der Wiener N. Fr. Pr. aus Prag 4. September berichtet: Die Karlsbrücke, welche Jahrhunderte lang allen Elementen trotzte, fiel heute um Vt6 Uhr früh den verheerenden Elementen zum Opfer . .. Der Pfeiler, auf welchem sich die Johanncs-von Nepomuk-Statue befindet, steht noch immer.. . Die tschechischen Abendblätter bringen Artikel, in welchen sie der großen Trauer über das Ereigniß des Brückeneinsturzes Ausdruck geben. Dieses Bauwerk sei ein Denkmal der glorreichen Geschichte des Königreiches Böhmen, ein heiliges Symbol gewesen, zu dem das Volk wallfahrtete und das jeder Sohn des tschechischen Volkes mit Ehrfurcht betrachtete.

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326 Das Manuskript ging am 21. 9. 1890 an Mauthner ab (vgl. Brief Nr. 37 vom 21. 9. 1890, Anm. 333). Die Veröffentlichung (Vorabdruck) erfolgte in Deutschland unter dem Titel .Wilhelm Gentz. Ein Lebensbild ab Jg. 2, Nr. l (vom 4. 10. 1890), S. 9-11; Fortsetzungen folgten in Nr. 2 (vom 11. 10. 1890), S. 25-26; Nr. 3 (vom 18. 10. 1890), S. 41-42; Nr. 5 (vom 1. 11. 1890), S. 64-66; Nr. 7 (vom 15. 11. 1890), S. 91-93; Nr. 9 (vom 29. 11. 1890), S. 116-18; Nr. 10 (vom 6. 12. 1890), S. 127-31; die erste Buchausgabe dieses Aufsatzes erschien als Teil der 5. .wohlfeilen* Volksausgabe der Grafschaft Ruppin im Jahre 1892, S. 136-85 (vgl. auch das Vor­wort zu dieser Ausg., S. XI); wiederabgedr. in NyA, IX, S. 130-74. Zur Entste­hungsgeschichte des ,Gentz-Aufsatzes vgl. H.-H. Reuters Kommentar zu Theo­dor Fontane. Briefe an Julius Rodenberg. Eine Dokumentation, S. 22223, Anm. zu Brief Nr. 47: Fontane hatte die Arbeit am Manuskript Anfang 1890 abgeschlos­sen und es nachdem Gentz am 23. 8. 1890 gestorben war der VZ angeboten (vgl. Brief an Friedrich Stephany vom 31. 8. 1890 [HA, IV, Nr. 64, 59], worin er den Aufsatzeinen längeren Essay, fast eine richtige Biographie nennt); der Abdruck kam dort allerdings nicht zustande.

327 Wilhelm Gentz (1822-1890) war am 23. 8. 1890 verschieden; vgl. dazu den Nachruf in der Freien Bühne l (1890), 3/4 (vom 2. 9. 1890), S. 827-28.

328 Der .Orientmaler Wilhelm Gentz war ein Neuruppiner .Spielgenosse Fontanes gewesen. Nach mehreren Aufenthalten in Paris sowie ausgedehnten Studienreisen in ganz Europa u. Nordafrika hatte er sich 1857 in Berlin niedergelassen u. zahl­reiche Gemälde geschaffen, jedoch auch weiterhin alljährlich große Reisen unter­nommen. Fontane war seit Anfang der 70er Jahre wieder in Verbindung mit Gentz getreten u. hatte des öfteren an Gesellschaften in dessen Haus teil­genommen.

329 Nr. l des 2. Jahrgangs von Deutschland erschien am 4. 10. 1890.

330 Lengde: niederdt. .Länge.

331 D. h. am 20. 9. 1890; am 22. 9. 1890 ist Fontane dann aus Krummhübel abgereist, wo er seinen Sommerurlaub verbracht hatte (vgl. Fricke: Chronik, S. 79).

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