Heft 
(1890) 14
Seite
232
Einzelbild herunterladen

Adelheid wandte sich überrascht um.

So Plötzlich?"

Ja, ich dachte die betreffende, allerdings wichtige Sache brieflich zn erledigen, aber der Minister wünscht dringend persönliche Rücksprache. Ich werde mich also morgen früh von dem Herzog beurlauben, vorläufig auf acht Tage, und dann sofort abreisen."

Man konnte in dem Halbdunkel die Züge der jungen Iran nicht unterscheiden, aber ihre Brust hob sich unter einem tiefen Athemzuge, der eine vielleicht unbewußte Erleichterung verrietst

Und um welche Stunde fahren wir?" fragte sie rasch.Ich möchte meine Kammerfrau benachrichtigen."

Wir? Es ist eine rein geschäftliche Angelegenheit und da reise ich selbstverständlich allein."

Aber ich könnte Dich trotzdem begleiten."

Wozu denn, Du hörst ja, daß es sich nur um eine Abwesenheit von acht bis vierzehn Tagen handelt."

Gleichviel, ich ich möchte Berlin einmal Wiedersehen."

Welch ein Einfall!" sagte Wallmoden achselzuckend.Ich werde diesmal so in Anspruch genommen sein, daß ich Dich nirgends hinbegleiten kann."

Die junge Frau war an den Tisch getreten und stand jetzt im vollen Schein der Lampe. Sie war viel bleicher als sonst und ihre Stimme hatte einen gepreßten Klang, als sie antwortete:

Nun, so bleibe ich zu Haus, aber hier in Fürstenstein möchte ich wirklich nicht allein bleiben, ohne Dich."

Allein?" Der Gesandte sah sie befremdet an.Du bleibst bei unseren Verwandten, deren Gäste wir sind. Seit wann bist Du denn überhaupt so schutzbedürftig? Das ist eine Eigenschaft, die ich bisher noch nie an Dir bemerkt habe. Ich begreife Dich nicht, Adelheid, was ist das für eine seltsame Laune, daß Dil mich durchaus begleiten willst?"

Nun, so nimm es als eine Laune, aber laß mich mit Dir reisen, Herbert ich bitte Dich darum!"

Sie legte bittend die Hand auf seinen Arm und ihre Augen waren mit einem beinahe angstvollen Ausdruck aus den Gatten gerichtet, dessen schmale Lippen sich jetzt spöttisch verzogen. Es war jenes überlegene Lächeln, das bisweilen so verletzend sein konnte.

Ah so, jetzt begreife ich! Die Scene mit der Prinzessin ist Dir unangenehm gewesen, Du fürchtest erneute Plänkeleien, die ja allerdings nicht ausbleiben werden. Diese Empfindlichkeit mußt Du Dir abgewöhnen, mein Kind, Du solltest im Gegentheil Ansehen, daß gerade diese Begegnung Dich in die Nothwendigkeit versetzt, hier zu bleiben. Bei Hofe wird jedes Wort, jeder Blick gedeutet, und eine plötzliche Abreise Deinerseits würde zu allen möglichen Deutungen Anlaß geben. Du hast jetzt standzuhalten, wenn Dll Dir Deine Beziehungen zum Hofe nicht dauernd er­schweren willst."

Die Hand der jungen Frau glitt langsam von seinem Arme und ihr Blick sank zu Boden bei dieser kühlen Abweisung ihrer fast flehenden Bitte, der ersten, die sie überhaupt aussprach in ihrer kurzen Ehe.

Standhalten!" wiederholte sie leise.Das thue ich, aber ich hoffte, Du würdest mir zur Seite bleiben."

Das ist für den Augenblick nicht möglich, wie Du siehst. Uebrigens verstehst Du es ja meisterhaft, Dich zu wehren. Das hast Du heute mir und dem ganzen Hofe gezeigt, aber ich ver­lasse mich darauf, daß der Wink, den ich Dir vorhin gab, befolgt wird und Du künftig vorsichtiger in Deinen Antworten bist. Jedenfalls bleibst Du in Fürstenstein, bis ich zurückkehre und Dich abhole."

Adelheid schwieg, sie sah, daß hier nichts zu erreichen war. Wallmoden trat wieder an den Schreibtisch und verschloß die eingegangmieu Schriftstülle; dann ergriff er das Blatt, auf dem er die Antwort niedergeschrieben hatte, und faltete es zusammen.

Noch eins, Adelheid!" sagte er flüchtig.Der junge Fürst Adelsberg war heut unausgesetzt in Deiner Nähe, er huldigt Dir in etwas auffallender Weise."

Wünschest Du, daß ich diese Huldigungen zurückweise?" Sie fragte das sehr obenhin.

Nein, ich bitte Dich nur, ihnen die nöthigen Schranken zu ziehen, damit kein unnützes Gerede entsteht. Ich denke nicht daran, Dir Deine Erfolge in der Gesellschaft zu verkümmern. Wir leben nicht in bürgerlichen Verhältnissen, und in meiner Stellung wäre es lächerlich, wollte ich den eifersüchtigen Ehemann spielen, der jede

! Aufmerksamkeit, die man seiner Frau erweist, mit Argwohn be­trachtet. Ich muß Dich darin ganz Deinem eigenen Taktgefühl überlassen, dem ich unbedingt vertraue."

Das klang alles so gelassen, so vernünftig und so grenzenlos gleichgültig. Von dein Borwurf der Eifersucht konnte man Herrn ^ von Wallmoden in der That freisprechen, die offen zur Schau getragene Bewunderung des jungen, liebenswürdigen Fürsten flößte ihm gar keine Besorgniß ein, er überließ seine Frau ruhig ihremTaktgefühl".

Ich werde die Depesche selbst besorgen," fuhr er fort,seit der Herzog hier ist, haben wir ja ein Telegraphenamt im Schlosse.

^ Du solltest Deiner Kammerfrau klingeln, mein Kind, Du siehst etwas angegriffen aus und bist wahrscheinlich ermüdet gute Nacht!"

Damit ging er, aber Adelheid befolgte den ihr ertheilteu Rath nicht. Sie war wieder au das Fenster getreten und ein halb bitterer, halb schmerzlicher Ausdruck zuckte um ihre Lippen. Sie hatte es noch nie so deutlich wie jetzt gefühlt, daß sie ihrem Gatten nichts war als ein glänzendes Schmuckstück, mit dem man Staat macht eine Frau, die man stets mit vollendeter Höflich­keit und Artigkeit behandelt, weil man mit ihrer Hand ein fürst- ! liches Vermögen empfangen hat, und der man mit derselben Höflichkeit eine Bitte abschlägt, die doch so leicht zu gewähren war.

lieber dem Walde lagerte die Nacht, der Himmel war dunkel ! und verschleiert, nur hin und wieder schimmerte ein einzelner Stern durch die fliehenden Wolken, und zu diesem düsteren Nacht i Himmel blickte jetzt ein Antlitz empor, nicht in der kühlen stolzem ^ Ruhe, in der die Welt es zu sehen gewohnt war, sondern mit dem ! Ausdruck flehender Angst.

! Die junge Frau hatte beide Hände gegen die Brust gepreßt, ! als schmerze sie dort etwas. Sie hatte ja fliehen wollen vor ! der dunklen Macht, deren Nahen sie längst schon gefühlt hatte, und die jetzt immer näher, immer dichter ihre Kreise zog, sie ! hatte sich in den Schutz des Gatten flüchten wollen ver- > gebens! Er ging und ließ sie allein, und ein anderer blieb, ein anderer, der mit seinen dunklen, heißen Augen, mit dem Klange seiner Stimme eine so geheimnißvolle unwiderstehliche Gewalt aus übte.Ada!" Der Name mit seinem fremdartig süßen Klange ! wehte wie Geisterhauch an ihrem Ohr vorüber. Es war ja ihr ! Name, den die Sagengestalt der Arivana trug.

Es war Oktober geworden und der Herbst begann seine ! Herrschaft schon nachdrücklich zu zeigen. Das Laub der Bäume ! färbte sich bunt, die Landschaft lag morgens und abends im - Nebelduft und die Nächte brachten bisweilen Reif, während die ! Tage meist schön und sonnig waren.

Mit Ausnahme jenes großen Abendfestes, das die ganze Umgegend in Fürstenstein versammelt hatte, und der Jagden, die um diese Jahreszeit selbstverständlich im Vordergründe standen, fanden keine besonderen Festlichkeiten statt. Der Herzog wie seine Gemahlin liebten es, im kleineren Kreise zu verkehren, und wollten sich die Ruhe und Zwanglosigkeit ihres Herbstaufenthaltes nicht durch rauschende Vergnügungen stören lassen. Um so häufiger wurden Ausflüge unternommen, die Waldberge zu Pferd und zu ! Wagen durchstreift, und die fürstliche Tafel sah täglich eine größere ^ Anzahl von Gästen.

Auch Adelheid von Wallmoden gehörte zu diesem engeren ^ Kreise. Die Herzogin, die es erfuhr, in welcher Art ihre Schwägerin der jungen Frau die Stellung zu erschweren suchte, glich das durch um so größere Liebenswürdigkeit aus und zog sie bei jeder Ge­legenheit in ihre Nähe, der Herzog aber, der den Gesandten in seiner Gemahlin auszuzeichnen wünschte, war durchaus einverstanden ' damit. Wallmoden selbst befand sich noch in Berlin, die zwei Wochen, die er für seine Reise in Aussicht genommen hatte, waren bereits verstrichen, und noch verlautete nichts über seine Rückkehr.

Einer der häufigsten Gäste in Fürstenstein war Egon von Adelsberg, der erklärte Liebling seiner fürstlichen Verwandten, und mit ihm wurde auch seinem Freunde Rojanow stets die Ehre ^ einer Einladung zutheil. Der junge Fürst hatte recht prophezeit, z Hartmut stieg wie ein leuchtendes Meteor auf, dem alle Blicke ! bewundernd folgten und von dem man gar nicht erwartete, daß es die altgewohnten Bahnen des Hoflebens ziehen werde. Er hatte auf Wunsch der Herzogin bereits seineArivana" vorgelesen und damit einen förmlichen Triumph gefeiert. Der Herzog hatte