Heft 
(1890) 14
Seite
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Tauf- und Zuname jedes einzelnen Knechts wurden nebst seinem Geburtsort ausgezeichnet. War dies geschehen, so stellten nunmehr auch die Knechte dem Obristen ihre Bedingungen, wie z. B., daß sie nicht gegen protestantische oder katholische Reichsstände geführt werden sollten u. dgl. Alsdann ließ der Obristzur Gemeinde schlagen", hieltim Ring" eine Ansprache, in welcher er den An­laß und Zweck des Kriegs darlegte, worauf der Artikelbrief ge­lesen und in die Hände des bei dieser Gelegenheit vorgestellten rechtskundigen Schultheißen beschworen wurde. War dies geschehen, so wurden die anderen hohen Aemter vom Obristlieutenant und den Fähndrichen bis zu dem furchtbaren Profossen bestellt, und jeder Ernannte hielt seine Ansprache. Ganz ebenso hielt dann jeder Hauptmann mit seinem Fähnlein eineGemeinde" ab, stellte seinen Lieutenant, Kaplan, Schreiber und Feldscheer, welche nur er zu ernennen hatte, vor. Zum Schlüsse bildeten dann die Knechte jedes Fähnleins einen Ring für sich und wählten, was sie als freie Gemeinde kennzeichnet, unter des Feldweibels Leitung den Gemeinweibel und andere Bestellte, welche als Vertreter der Knechte zu wirken hatten. Endlich sonderte sich der Haufe in Rotten von je 10 Spießen und wählte die Tüchtigsten zu Rott­meistern.

Zum Schluß möge hier noch eine Geschichte Platz finden, welche von der machtvollen Stellung des Obristen einen Begriff geben kann. Dieser, meist ohnehin ein angesehener Mann, bezog unter Karl V. hundertfachen Monatssold, etwa 400 Gulden, und hatte seinen eigenen kriegerischen Hofstaat. Die Vorstellung von seiner Würde und Machtvollkommenheit war noch zu Anfang des 17. Jahr­hunderts eine ganz außerordentliche. Ein mit dem Grafen Mans­feld nach Ostfriesland gedrängter Obrist Karpezan, böhmischen Ur­sprungs, lud im Sommer 1623 die vornehmsten Offiziere des Lagers zu Gaste. Nach der Sitte der Zeit wurde stark gebechert, und

als der Wein die Zungen löste, wurde dem Obristen mitgetheilt- und durch Zeugen bestätigt, daß ihm sein Weib, von welchen! er ^ fünf Kinder hatte, untreu geworden sei. Alsbald verließ der Obrist ^ das Gelage, begab sich in das Nebengemach, wo sein Weib mit anderen Offiziersfrauen saß, und gebot ihr, sich fertig zu machen: er müsse eilends in sein Quartier zurück. Ahnungslos folgte sie ! ihm. Dort angekommen, ließ er sofort seinen Kaplan holen und ' gebot dem Erschrockenen, die Ehebrecherin zum Tode vorzubereiten, l er werde sie enthaupten lassen. Während der Kaplan entsetzt noch ! Einwendungen machen wollte, trat schon der herberufene Scharf- Achter des Regiments ein. Nun wurde dein sündhaften Weibe der ! ganze schreckliche Ernst der Lage klar; sie jflehte fußfällig ihren ! Mann um Gnade an und gelobte, wenn er sie gewähre, wolle - sie in die Ferne ziehen und er solle nie mehr etwas von ihr hören, gerade als ob sie todt wäre. Der grimmige Mann aber kannte ^ kein Erbarmen, ja, als sogar der Scharfrichter, von Grauen er- ! griffen, sich weigerte, die Unglückliche zu enthaupten, da entriß ihm l Karpezan das Richtschwert und schickte sich an, selbst den Streich !! zu führen. Jetzt erst erklärte sich der Henker bereit, seines Amtes I zu walten; er fürchtete, der Obrist werde ihn, wenn er wider- ! spenstig bleibe, der Frau in die Ewigkeit nachschicken; er forderte ! daher sein Schwert und schlug dem Weibe das Haupt ab. In ! eine eilig gefertigte Bahre gelegt, wurde die Leiche alsbald begraben.

Niemand, kein Richter, kein General, kein Kriegsherr hat den ^ Obristen zur Rechenschaft gezogen. Doch blieben ihm alle Ge- ! müther abgewandt, vereinsamt und verbittert lebte er fortan dahin,

! und als er nach Holland kam, fehlte wenig, daß er von Weibern ! und Kindern auf den Gaffen mit Steinen zu Tode geworfen wurde. Mit schrecklichen Zügen blickt aus dieser Geschichte die ^ furchtbare Gewalt hervor, mit welcher der Geist der Zeiten die l Würde höherer Befehlshaber umkleidete.

I l a in in e n z e i ch e n.

Roman von G. Mevnev. (Fortsetzung.)

er Gesandte schien diesen Trotz Hartmuts doch nicht erwartet zu haben, er hatte sich offenbar die Sache leichter gedacht, aber er bewahrte seine Gelassenheit.

Wirklich? Sie wollen also bleiben? Nun, Sie sind es ge­wohnt, ein hohes Spiel zu spielen, Sie scheinen das auch hier still, wir werden gestört! Ueberlegen Sie sich die Sache, vielleicht besinnen Sie sich doch eines Besseren."

Er trat rasch in den anstoßenden Saal, wo jetzt der Ober­forstmeister erschien.

Wo steckst Du denn eigentlich, Herbert?" fragte dieser, als er des Gesandten ansichtig wurde.Ich habe mich überall nach Dir umgesehen."

Ich wollte meine Frau holen -"

Die ist bereits im Speisesaal wie alle Welt, und Du wirst auch schon vermißt. Komm, es ist Zeit, daß wir etwas zu essen bekommen!" Damit bemächtigte sich Herr von Schönau in seiner immer frohgelaunten Weise seines Schwagers und entfernte sich mit ihm.

Hartmut stand noch an seinem Platze, aber er rang nach Athem, die Aufregung drohte ihn zu ersticken, Scham, Haß und Empörung, das alles fluthete wild durcheinander in seinem Innern. Jene Andeutung Wallmodens hatte ihn furchtbar getroffen, ob­wohl er sie nur halb verstand. Sie zerriß den Schleier, mit dem er sich, halb unbewußt, halb absichtlich die Wahrheit verhüllte. Er hatte in der That geglaubt, daß ein geretteter Rest des Ver­mögens ihm und seiner Mutter die Mittel zum Weiterleben lieferte, aber es war nicht das einzige Mal gewesen, wo er nicht hatte sehen wollen, was er doch hätte sehen müssen.

Als die Hand der Mutter ihn so jäh und plötzlich aus dem Zwange der väterlichen Erziehung in die schrankenloseste Freiheit riß, als er den Kreis strenger Pflichten mit einem Dasein voll berauschenden Genusses vertauschte, da hatte er dies Dasein in vollen Zügen genossen, ohne sich Rechenschaft darüber zu geben. Er war zu jung, um zu urtheilen, und später da war es

eben zu spät für ihn, da hatten Beispiel und Gewohnheit ein un zerreißbares Netz um ihn gewoben. Jetzt zum ersten Male wurde ihm klar und deutlich gezeigt, was das Leben war, das er so lange geführt hatte, das Leben eines Abenteurers, und wie einen Abenteurer wies man ihn fort aus den Kreisen der Gesellschaft.

Aber noch heißer als die Scham darüber brannte der Schimpf, den man ihm angethan hatte, der Haß gegen den Mann, der ihm diese unerbittliche Wahrheit aufzwang. Das unselige Erbtheil der Mutter, das heiße, wilde Blut, das einst schon dem Knaben so ver- Hängnißvoll geworden war, wallte auf wie ein Feuerstrom, und jeder andere Gedanke ging unter in dem Gefühl einer wilden, maßlosen Rachsucht. Die sonst so schönen Züge Hartmuts waren entstellt bis zur Unkenntlichkeit, als er endlich stumm, mit zusammengebissenen Zähnen das Zimmer verließ. Er wußte und fühlte nur eins, daß er sich rächen mußte, rächen um jeden Preis!

Es war schon ziemlich spät, als das Fest sein Ende erreichte. Nachdem das herzogliche Paar sich zurückgezogen hatte, erfolgte der allgemeine Aufbruch, ein Wagen nach dem anderen rollte den Schloßberg hinab, das Helle Licht der Säle erlosch und Fürsten stein begann, sich in Dunkel und Schweigen zu hüllen.

Die beiden Zimmer, welche der Gesandte und seine Gemahlin in der Wohnung des Oberforstmeisters innehatten, waren noch er­leuchtet; Adelheid stand am Fenster, sie trug noch die reiche Fest kleidung und blickte wie in Gedanken verloren hinaus, aber es war eine eigenthümlich müde Bewegung, mit der sie das Haupt an die Scheiben lehnte.

Wallmoden sah am Schreibtische und durchflog einige Briefe und Depeschen, die während der letzten Stunden eingegangen waren. Sie schienen Wichtiges zu enthalten, denn er legte sie nicht zu den übrigen Papieren, die morgen früh erledigt werden sollten, sondern ergriff eine Feder und warf rasch einige Zeilen hin; daun erhob er sich und trat zu seiner Frau.

Das kommt unerwartet," sagte er.Ich werde nach Berlin reisen müssen."