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ihm sofort die Aufführung des Dramas am Hoftheater zugesichert, und Prinzessin Sophie wandte dem jungen Dichter ihre besondere Gnade zu. Die Umgebung folgte selbstverständlich dem Beispiele der Fürstlichkeiten und folgte in diesem Falle nur zu gern, denn der Zauber, den dieser Mann nun einmal auf alle ausübte, that auch hier seine Wirkung. —
Vor dem Schlosse zu Rodeck hielt der Jagdwagen des Fürsten Adelsberg. Es war noch früh am Tage und der nebelduftige Oktobermorgen schien einen klaren, schönen Tag zu verheißen. Soeben trat Egon in. voller Jagdausrüstung auf die Terrasse und sprach mit dem Schloßverwalter, der ihm folgte.
„Also Du willst Dir die Jagd auch anschauen?" fragte er. „Natürlich, wo es etwas zu sehen giebt, muß Peter Stadinger dabei sein! Mein Kammerdiener hat gleichfalls um Urlaub gebeten, und ich glaube, die ganze Bevölkerung des -Waldes' wandert heute ans, um mit Kind und Kegel nach dem Jagdrevier zu ziehen."
„Ja, Durchlaucht, so etwas giebt es auch nicht oft zu schauen," meinte Stadinger. „Die großen Hof- und Staatsjagden sind selten geworden in unserem Walde. Gejagt wird ja überall, aber dann sind die Herren meist unter sich wie hier in Rodeck, und wenn die Damen nicht dabei sind —"
„Dann ist es sträflich langweilig!" ergänzte der Fürst. „Ganz meine Meinung, aber Du bist ja sonst so eingenommen gegen die Weiblichkeit und schreist Ach und Wehe, wenn irgend etwas, was noch nicht das kanonische Alter erreicht hat, die Grenze von Rodeck überschreitet. Hast Du Dich auf Deine alten Tage noch bekehrt?"
„Ich meinte die hochfürstlichen Damerl, Durchlaucht," erklärte der Alte mit nachdrücklicher Betonung.
„Die fürstlichen Damen können mich höchstens auf einer Spazierfahrt mit ihrem Besuche beehren, zur Jagd einladen kann ich sie nicht, da ich Junggeselle bin."
„Und warum sind Durchlaucht denn noch immer Junggesell ?" fragte Stadinger in vorwurfsvollem Tone.
„Mensch, ich glaube, Du hast auch schon Heirathspläne für mich, wie meine aller — wie alle Welt, meine ich!" rief Egon lachend. „Gieb Dir keine Mühe, ich heirathe nicht!"
„Das ist unrecht, Durchlaucht," belehrte Stadinger, der den Titel seines Herrn mindestens einmal in jedem Satze vorbrachte, weil das zum Respekt gehörte, während er zugleich seiner jungen Durchlaucht nach allen Regeln den Text las — „und unchristlich ist es auch, denn der Ehestand ist ein heiliger Stand, in dem man sich wohl befindet; Dero hochseliger Herr Vater haben auch geheiratet und ich auch!"
„Natürlich, Du auch! Du bist sogar Großvater einer allerliebsten Enkelin, die Du schändlicherweise fortgeschickt hast. Wann kommt denn eigentlich die Zenz zurück?"
Der Schloßverwalter fand für gut, die letzte Frage zu überhören, aber er blieb hartnäckig bei seinem Thema.
„Ihre Hoheiten die Fran Herzogin und die Prinzessin Sophie sind auch dieser Meinung, Durchlaucht sollten sich die Sache doch überlegen."
„Nun,.da Du mich so väterlich ermahnst, werde ich sie mir über"
legen. Was aber die Prinzessin Sophie betrifft —- sie beabsichtigt nach Bucheneck zu fahren, wo das Stelldichein der heutigen Jagd ist, und da ist es möglich, daß sie Dich dort bemerkt und anredet."
„Sehr möglich/Durchlaucht!" bestätigte der Alte mit großem Selbstbewußtsein. „Hoheit beehren mich stets mit einer Anrede, da sie mich als ältesten Diener des fürstlichen Hauses kennen."
„Gut, wenn die Prinzessin sich also zufällig nach den Schlangen und Raubthieren erkundigen sollte, die ich von der Reise mitgebracht habe, so sagst Du, sie wären bereits nach einem der anderen Schlösser geschickt worden."
„Ist gar nicht nöthig, Durchlaucht!" versicherte Stadinger wohlwollend. „Dero allergnädigste Tante weiß bereits genau Bescheid."
„Bescheid? Worüber? Hast Du ihn vielleicht gegeben?"
„Zu Befehl; vorgestern, als ich irr Fürstenstein war. Hoheit .kamen gerade von einer Spazierfahrt zurück und geruhten, mich heranzuwinken und auszufragen, Hoheit thun das sehr gern."
„Ja, das weiß der Himmel!" murmelte der junge Fürst, der bereits Unheil ahnte. „Und was hast Du denn da geantwortet?"
„-Hoheit können ganz ruhig sein', habe ich gesagt. .Von lebendigem Gethier haben wir nur Affen und Papageien im Schlosse, Schlangen sind überhaupt nie dagewesen, es sollte zwar eine große Seeschlange ankommen, aber sie ist auf der Ueber- sahrt gestorben, und die Elefanten haben sich bei der Einschiffung losgeriffen und sind wieder in die Palmenwälder zurückgelaufen — so sagt Durchlaucht wenigstens! Zwei Tiger haben wir allerdings, aber sie sind ausgestopft, und von dem Löwen ist nur das Fell da, das liegt im Jagdsaal, also sehen Hoheit doch selbst, daß die Bestien nicht ausbrechen und Schaden anrichten können.'"
„Nein, aber Du hast ihn angerichtet mit Deinem Geschwätz!" rief Egon ärgerlich. „Und die Prinzessin? Was sagte sie darauf?"
„Hoheit lächelten nur und erkundigten sich dann noch, wie es mit dem weiblichen Dienstpersonal in Rodeck bestellt sei und ob Mädchen aus hiesiger Gegend darunter wären, aber da sagte ich" — Stadinger warf sich gewaltig in die Brust — „Mas von Frauenzimmern im Schlosse ist, das habe ich in Dienst genommen. Arbeitsam und tüchtig sind sie alle, dafür habe ich gesorgt; aber Durchlaucht läuft, wenn er sie zu Gesicht bekommt, und Herr Rojanow läuft noch ärger, und in der Küche sind die Herren nie wieder gewesen, seit sie einmal darin waren.' — Darauf waren Hoheit sehr gnädig und geruhten, mich zu loben, und entließen mich in allerhöchster Zufriedenheit."
„Und ich möchte Dich in allerhöchster Unzufriedenheit zum Kuckuck jagen!" fuhr der junge Fürst wüthend auf. „Du verwünschter alter Waldgeist, was hast Du da wieder angestiftet!"
Der Alte, der offenbar glaubte, seine Sache sehr gut gemacht zu haben, sah seinen Herrn mit verblüffter Miene au.
„Ich habe ja doch nur die Wahrheit gesagt, Durchlaucht!"
„Es giebt aber Fälle, wo man die Wahrheit nicht sagen darf."
„So? Das wußte ich bisher noch nicht."
„Stadinger, Du hast eine ganz verwünschte Art, zu antworten! Hast Du vielleicht auch der Prinzessin erzählt, daß die Zenz schon seit vier Wochen in der Stadt ist?"
„Zu Befehl, Durchlaucht!"
(Fortsetzung folgt.)
Ar alte Krö stücke.
Eine tulturwissenschaftliche Skizze von vr. Hustari von "ZZUchwald.
' Me Rechte Vorbehalten.
euu deutsche Kultursorschung ihre Hände in die weitesten Fernen , der Erde ausstreckt, um den - ärmlichen Haushalt ! des Wklden zu sammeln, wenn ihre Finger die Schollen der Erde ! durchwühlen, um spärliche Reste uralter Vorzeit zu ergreifen — ! was will sie uns Kinder hochentwickelter Kultur damit lehren? ! Wo ist der Berührungspunkt zwischen , uns und den Menschen der ! Steinzeit oder den Wilden? Haben wir denn noch irgend etwas ! mit jenen gemein? !
Das sind Fragen, die dem Forscher oft,genug entgegen tönen, ^ und sie sind nicht leicht zu beantworten. Gegenüber einer Betrachtungsweise, die den Menschen als vollkommenes Ebenbild des Schöpfers in vollendeter Herrlichkeit entstehen und dann immer tiefer und tiefer, körperlich wie sittlich, sinken läßt, hat die
gesammte Kulturforschung die Thatsache bestätigt, daß die Entwicklung des Menschengeschlechtes den umgekehrten Weg (ungeschlagen hat. Langsam,. sehr langsam hat sich die Geisteskraft des Menschen durch Vererbung von Erfahrungen zu unserer Kulturhöhe gesteigert. Abschnitte auf diesem Wege sind es, die. wir durch archäologische und ethnologische Forschung kennen lernen. Erst im Vergleiche mit ihnen können wir die Wurzeln finden, aus denen unsere Sitten und Gebräuche, ja in letzter Linie auch unsere Anschauungen emporgewachsen sind. Da giebt es Erscheinungen in der Kultur, welche sichere Wegweiser aus dem Jetzt in das Einst sind. Manche Sitten erben sich aus einer Kulturepoche unverändert in die andere hinein, sie überleben ihre Zeit und bestehen als „Ueberlebsel" weiter. Ost bleibt nur ihre kindliche Form als