.Concordia-Theaters' hatte Mr. Jonathan Stevenson nicht über Gebühr gepriesen, und der sachverständige Potentat hatte keinen Unwürdigen mit dem stolzen Titel eines Hofkünstlers geschmückt. Die Orden, die der Wackere auf seinem goldknöpfigen Stallmeisterfrack ausstellte, erinnerten zwar bedenklich an karnevalistische Vereinsdekorationen, und der halblaute Ausruf .Rindvieh“, der dem Meister bei einer verfehlten Handreichung seines zwergenhaften Gehilfen entfuhr, ließ mit seinem urberlinischen Accent begründeten Zweifel an der angelsächsischen Abstammung Mister Stevensons aufkommen; einen Künstler aber fragt nur ein sauertöpfischer Philister nach Ham’ und Art, und wenn die Ehrenzeichen des Ventriloquisten falsch waren, seine Kunst war echt.“
354 Der Provinziale in Hardens Erzählung Bolero ist der Gymnasiallehrer Dr. Friedrich Winter aus einer 8 OOO-Seelen-Stadt, der einen Aufenthalt in Berlin bei einem Freund mit einem Besuch von Vergnügungsvorstellungen beginnt. Zu dieser Figur vgl. auch Fontanes Brief an Friedlaender vom 28. 9. 1890 (Nr. 138, S. 136): „Wenn Ihnen Nummer 52 von Mauthners .Deutschland“ ... zu Händen kommen sollte, so, bitte, überfliegen Sie doch die kleine Erzählung von Max Harden .Bolero“. Es tritt ein Herr darin auf, ein Provinziale, der sich riesig freut, daß er . . . alles in Berlin so riesig langweilig finden kann, denn in seinem derzeitigen Posemuckel haben sie ihn durch öde Redensarten über die .Berliner Herrlichkeit“ längst zur Verzweiflung gebracht.“
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355 Scheinbar ging es der Mauthnerschen Zeitschrift bereits zu Beginn des zweiten Jahrgangs finanziell nicht gut, u. Kühns Kritik an der inhaltlichen Darstellung von Deutschland (S. 180) bietet eine zutreffende Erklärung für den allmählichen Niedergang: „Deutschland ist keine Spur revolutionärer als seine Titelvignette. Sein Herausgeber ist zu sehr Literat um etwas anderes als eine Literaturzeitschrift gestalten zu können. Politisch bleibt er völlig abstinent, .soziales Leben“ spielt nur am Rande eine Rolle, einige Male werden technische Neuerungen, medizinische, juristische und militärische Fragen behandelt. Eine wirkliche Öffnung zu Themen außerhalb der Literatur ist nicht gelungen. Als Literaturzeitschrift aber ist Deutschland zu wenig originell. Abgesehen von Gustav Landauer und Maximilian Harden mit einigen wenigen Artikeln, stößt man auf die schon längst bekannten Namen wie Friedrich Spielhagen, Paul Heyse, Hans Hopfen, Erich Schmidt. Die Absicht, unparteiisch alle Richtungen zu Worte kommen zu lassen, führt zu einer völligen Richtungslosigkeit. Als Spiegel des gesamten Geisteslebens konnte die Zeitschrift keinerlei Impulse geben. Einziges Ruhmesblatt bleibt die Erstveröffentlichung von Theodor Fontanes Stine, die die Vossische Zeitung abgelehnt hatte. Deutschland ist eine Literaturzeitschrift wie andere auch, in der Abonnementseinladung zum zweiten Jahrgang ist dann auch nur noch von der Gewißheit die Rede, daß Deutschland .imstande sein werde, sich zu einer literarischen Machtstellung emporzuschwingen“. Getragen wird Deutschland vor allem durch die Artikel des Herausgebers selbst. Den Leserschwund konnte aber auch sie nicht abhelfen . .. “ Die kritische Lage des Blattes wird indirekt auch bestätigt in Mauthners Brief an Auguste Hauschner (einer Cousine Mauthners) vom 5. 10. 1890 (in Martin Beradt/Lotte Bloch-Zavfel [Hrsg.]: Briefe an Auguste Hauschner [Berlin: Rowohlt 1929], S. 26): „Für Deinen Glückwunsch [zum 2. Jg. von Deutschland beginnend am 4. 10. 1890/die Hrsg.] vielen Dank. Auch da liegt der Knüppel beim Hund. Ein Blatt, das man geschaffen hat, macht ebenso viel Ärger wie andere kleine Kinder.“ Beigetragen zum vorzeitigen Ende von Deutschland hat wohl auch die damals kurz bevorstehende Gründung der Freien Bühne zu Ende Januar 1890, wovon Otto Brahm Mauthner in einem (unveröffentlichten) Brief vom 30. 12. 1889 (Original im LBI/New York) Mitteilung machte; ganz abgesehen von der Tatsache, daß Brahm eine Zeitschrift plante, die wesentlich weiter links stehen sollte als Deutschland — womit indirekt Kritik an Mauthners Redaktion ausgesprochen wurde: „Das Blatt [die Freie Bühne für modernes Leben/die Hrsg.] will viel weiter links gehen, als das Ihrige. Kampf soll die Parole sein. .. . “ Letztendlich wurde Deutschland dann ein Vierteljahr später (zum Jahreswechsel 1890/91) nahtlos mit dem Magazin für Litteratur verschmolzen (gemeinsam herausgegeben von Otto Neumann- Hofer und Fritz Mauthner); in einer Verlautbarung ,An unsere Leser“ im Magazin vom 3. 1. 1891 (Jg. 60, Nr. 1) hieß es abschließend: „Mit diesem erneuerten und erweiterten Programm kündigen wir unseren Lesern eine Erweiterung der Redaktion an, welche die Zuversicht in die Lösung unserer Aufgaben wesentlich erhöhen wird. Der Eintritt Fritz Mauthners in die Redaktion des .Magazins für Litteratur“ verstärkt diese nicht nur um eine erprobte redaktionelle Kraft, sondern auch um eine litterarische Persönlichkeit von scharf ausgeprägter Individualität. Indem er das bisher von ihm geleitete Wochenblatt .Deutschland“ mit unserem Magazin verschmilzt, führt er dem vereinigten Blatte alle die schätzbaren Verbindungen zu, welche die auszeichnenden Vorzüge seiner
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