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Dem Hotelbesitzer und den Angestellten hatte er vorgespiegelt, sie sei seine Schwester und wahnsinnig. Man möge auf ihre Reden nicht hören und, falls sie Lärm während seiner Abwesenheit mache, darauf nicht achten. Seine biedere, Vertrauen erweckende Miene und Sprache hatten den Besitzer getäuscht, und so fand ich denn das arme Geschöpf, das einen der Kellner bestochen hatte, das Telegramm an mich abzusendeu, in einem geradezu unbeschreiblichen Zustande.
In derselben Stunde nahm ich sie mit und schrieb auf einen Briefbogen, den ich in einen Umschlag steckte: .Ich, Richard Trom- holt von Limforden, nahm Fräulein Jngeborg Elbe in meinen Schutz und warne Sie, das Mädchen in irgend einer Weise ferner zu belästigen. Sollten Sie meiner Mahnung keine Folge leisten, so werde ich die Gerichte uni Hilfe anrnfen und behalte mir vor, dieses auch noch zu thun, wenn Sie von Ihrer Reise znrückkehren?"
„Und ist sie wieder in meiner Wohnung?" fragte Bianca, die diesem neuen Bericht mit wahrer Augst zugehört hatte. Auch Alten sprach auf Tromholt ein und forschte voll Teilnahme nach den Vorgängen.
„Nein! Ich habe Jngeborg zu Frau Ericius gebracht, dieser alles mitgetheilt und als einen Beweis ihrer Freundschaft gefordert, daß sie das Mädchen wie eine Hausgenossin aufnimmt, bis ich auch über sie einen Entschluß gefaßt haben werde. Natürlich schien Graf Utzlar diese Sache sehr überflüssig zu finden und legte kein großes Wohlgefallen über mein Ersuchen an den Tag."
„Ja, ja! Dieser Graf Utzlar!" stieß Alten heraus. „Ich könnte diesem hochmüthigen, pomadisirten Fuchs den Hals umdrehen, so verhaßt ist er mir. Eins nur begreife ich nicht: wie konnte sich ein Mädchen wie Susanne Ericius in einen solchen Menschen verlieben!"
Bianca winkte ihrem Verlobten zu, nicht weiter zu reden; sie wußte, wie ihr Bruder unter der dadurch wieder geweckten Erinnerung litt.
Aber Richard sagte mit einem traurigen, zustimrnenden Blick:
„Sie haben recht, Freund! — Ich sah auch schon zweimal Thränen in ihren lieben, schönen Augen, deren Anblick mich un sagbar schmerzte — --(Fortsetzung folgt.)
Uom X. deutschen Kundespchiesten in Deetirr.
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"ausende fleißiger Hände regten sich in Berlin während der ersten Juliwoche, um die Stadt in ein Festgewand zu kleiden, Fahnen und Banner in allen möglichen Farben und Zusammensetzungen wehten lustig flatternd von Dächern: und Giebeln, von Fenstern und Balkonen herab, vielfach waren die Vorderseiten der Häuser mit Guir- landen aus frischen: Grün und Tannenreisig geschmückt , und von Wappenschildern und Transparenten grüßte manch wohlmeinend und kernig Sprüchlein die fremden Schützen, die zum X. deutschen Bundesschießen in Berlin eingetroffen waren. Zun: ersten Male war es, daß des neugeeinten Deutschen Reiches Hauptstadt ein derartiges Fest in seinem Weichbilde feiern sah, andere Städte, zuletzt noch Frankfurt a. M., waren bisher bevorzugt worden, an anderen Orten hatten in friedlichem Wettkampfe fröhlich die Büchsen geknallt und hatte die prunkvolle deutsche Bundesfahne nicht nur die Schützen aus allen Gauen des deutschen Vaterlandes, sondern viele fremde Gäste un: sich vereint; diesmal nun war der lockende Ruf von Berlin ergangen, und an zehntausend Schützen, die Mehrzahl mit ihren Angehörigen, waren ihn: gefolgt und hatten den gastlichen Boden der Kaiserstadt an der Spree betreten.
Und herzlich war das Willkommen, welches ihnen allerseits entgegenscholl, auf den Bahnhöfen wie auf den Straßen, - an öffentlichen Stätten und bei privaten Vereinigungen; aus ehv lichem Herzen drang der Jubel, der die fernen Gäste, besonders die aus Amerika, bei ihren: feierlichen Einzuge durch Berlins Sieges- und Ruhmes - thor begrüßte, der sich fortpflanzte die via tri:nnp1iat:8 entlang bis hin zun: massigen Ban des Rathhauses, wo des Festes Ehrenpräsident und der Stadtvertreter mit klangreichen Worten die Freude ausdrückte, daß Berlin so viele liebe und werthe Söhne der engeren und weiteren Heimath sowie uns befreundeter Staaten in sei- nenMauern beherbergen dürfe. Und diese Freude, X sie zeigte sich fortreißend und ergreifend gelegentlich des Festznges, der am
Sonntag, dem 6. Juli, das Fest eröffnete und der durch ein Spalier von Hunderttausenden dahinzog, auftauchend un: Mittag aus den grünen Schatten des Thiergartens zu Füße:: der goldstrahlenden Siegesgöttin und fast die ganze Stadt durchmessend bis hin zum ferngelegenen Festplatze bei Pankow.
Endlos lang dehnte sich dieser Festzug aus, welcher in drei Abtheilungen zerfiel, in die der nichtdeutschen Schützen, in den historischen Zug und in die Abtheilung der zahlreichen deutschen Schützenvereine. Eröffnet wurde er durch einen Reichsherold, auf den: gelbseidenen Ueberwurf der schwarze Reichsadler, das von Hellem Stoff umwallte Roß geführt von zwei Pagen mit dem Berliner Wappen auf der Brust, andeutend, daß Berlin die Schützen zn gastlicher Einkehr geladen. Hoch zu Pferde folgten mehrere Berliner Schützen, deren einer das alte sturm- und kampfzersetzte Schützenbanner der Berliner Gilde trug, und diesem Wahr- und Feldzeichen schlossen sich zn Fuß die Mitglieder der Gilde au, stramm nach den Klängen der Musik marschirend, als wür's auf den: Paradefelde. Jetzt ertönte hell und schmetternd der „Zfankee Dudle" und im Winde flatterten die Sternenbanner der großen Republik senseit des Oceans, in vielen umkränzten Wagen sitzend nahten zuerst die Jndependentschützen aus New-Pork, ihnen folgten die übrigen deutsch-amerikanischen Schützen, darauf die anderer: Fernhergekommenen, die Italiener und Belgier, die Schweizer und Norweger, die Ungarn und Schweden, die Holländer und Russen.
Nun erschien die Spitze des vom Architekten Karl Hoffacker entworfenen und vom Bildhauer I. Kaffsack künstlerisch kräftig geförderten Festznges, der die Entwicklung des Schützenwesens vom 15. bis 19. Jahrhundert darstellte und der durch die Fülle seiner historisch treuen Gestalten, durch die heitere Farbenpracht der Kostüme und die Abwechslung in der Verwendung Vorwürfe immer von neuen: überraschte und zur Bewunderung hinriß. Zwanzig in altdeutsche Tracht gekleidete Trompeter hoch zn Roß ließen schmetternde Fanfaren erklingen, dann zogen Armbrust- ad Bogenschützen einher, in ledernem Wamms und mit kleiner federgeschmückter Kappe, von Stadtknechten mit gewaltigen hölzernen Schilden und schweren Lanzen begleitet, im Troß Zeiger und Scheibenträger, Knaben mit Preisfahnen und Narren mit , Pritsche und Schellenkappe, schließlich ein vonMarodeuren umzingelter Planwagen. I:: das Zeitalter der Landsknechte versetzte uns die nächste Gruppe, unter Trommel- nnd Pfeifenklang erschienen sie, die Freund wie Feind oft gleich gefährlichen trutzigen Kämpen, und im Gegensatz zu ihrem verwegenen Aussehen standen die ehrsamen Rathsherren und mit Rosenkränzen geschmückten zar- chlV, tenKnaben,inihrerMitte jP /die Hauptpreisfahne und ^ / hinter ihnen marschirend / die Armbrustschützen, in
^ die sich schon eine Anzahl
Are Zlesthalle. Vüchsenschützeu mischte.