Fünfzig Jahre werden es ehstens sein,
Da trat ich in meinen ersten „Verein“.
Natürlich Dichter. Blutjunge Ware:
Studenten, Leutnants, Refrendare.
Rang gab’s nicht, den verlieh das „Gedicht“,
Und ich war ein kleines Kirchenlicht.
So stand es, als Anno 40 wir schrieben:
Aber ach, wo bist du Sonne geblieben?
Ich bin noch immer, was damals ich war,
Ein Lichtlein auf demselben Altar,
Aus den Leutnants aber und Studenten Wurden Gen’räle und Chefpräsidenten.
Und mitunter, auf stillem Tiergartenpfade,
Bei „Kön’gin Luise“ trifft man sich grade.
„Nun, lieber F., noch immer bei Wege?“
„Gott sei Dank, Exzellenz ... Trotz Nackenschläge ... “
„Kenn’ ich, kenn’ ich. Das Leben ist flau ...
Grüßen Sie Ihre liebe Frau.“ (S. 29)
Lebenswege werden in dem Gedicht verglichen. Sie werden zurückverfolgt auf den gemeinsamen Ausgangspunkt eines literarischen „Vereins“: ein Rückblick auf die literarischen Anfänge des Autors. 0 Poesie vermittelte damals den Kontakt und verlieh den Rang — mehr als die gesellschaftlichen Chargen („Studenten, Leutnants, Refrendare“). Doch auf die Gegenwart hin gesehen hat sich die Gewichtung im Verhältnis von literarischer und gesellschaftlicher Hierarchie genau umgekehrt. Der literarische Ausweis ist gegenstandslos geworden, und die gesellschaftliche Karriere, die aus „Leutnants“ und „Studenten“ „Gen’räle“ und „ChefPräsidenten“ gemacht hat, war ausschlaggebend für die öffentliche Geltung. Die Absage an die Poesie erscheint hier geradezu als Bedingung gesellschaftlichen Aufstiegs und Erfolgs. Es ist der konsequente Ausdruck der veränderten Rangbestimmung, wenn der Schluß des Gedichts in ironischer Pointierung eben nicht dem Dichter das letzte Wort gibt, sondern es „Exzellenz“ überläßt, ■n gesellschaftlich vorgefertigten Sprachschablonen den angemessenen Abstand gegenüber dem Dichter herzustellen.
Immer wieder beziehen sich die Gedichte auf diese unbefriedigende Situation des Schriftstellers. Auf die geringen Honorare und die dürftige materielle Situation wird angespielt, so in „Arm oder reich“ (S. 71—73). fn „Auf der Treppe von Sanssouci“ (S. 273—276) versichert der alte Fritz auch der Gegenwart seine königliche Geringschätzung des „Poete alle- mand“. Die allgemeine gesellschaftliche Geringschätzung verrät sich bei offiziellen Anlässen, wie der Zyklus „Aus der Gesellschaft“ in mehreren Gedichten anschaulich macht (S. 34-39). „Feierlichkeiten“ zumal werden zur Motivation, die gesellschaftliche Kluft zwischen dem Schriftsteller und dem „Offiziellen“ hervorzukehren:
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