Heft 
(1985) 39
Seite
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Fünfzig Jahre werden es ehstens sein,

Da trat ich in meinen erstenVerein.

Natürlich Dichter. Blutjunge Ware:

Studenten, Leutnants, Refrendare.

Rang gabs nicht, den verlieh dasGedicht,

Und ich war ein kleines Kirchenlicht.

So stand es, als Anno 40 wir schrieben:

Aber ach, wo bist du Sonne geblieben?

Ich bin noch immer, was damals ich war,

Ein Lichtlein auf demselben Altar,

Aus den Leutnants aber und Studenten Wurden Genräle und Chefpräsidenten.

Und mitunter, auf stillem Tiergartenpfade,

BeiKöngin Luise trifft man sich grade.

Nun, lieber F., noch immer bei Wege?

Gott sei Dank, Exzellenz ... Trotz Nackenschläge ...

Kenn ich, kenn ich. Das Leben ist flau ...

Grüßen Sie Ihre liebe Frau. (S. 29)

Lebenswege werden in dem Gedicht verglichen. Sie werden zurückverfolgt auf den gemeinsamen Ausgangspunkt eines literarischenVereins: ein Rückblick auf die literarischen Anfänge des Autors. 0 Poesie vermittelte damals den Kontakt und verlieh den Rang mehr als die gesellschaft­lichen Chargen (Studenten, Leutnants, Refrendare). Doch auf die Gegen­wart hin gesehen hat sich die Gewichtung im Verhältnis von literarischer und gesellschaftlicher Hierarchie genau umgekehrt. Der literarische Ausweis ist gegenstandslos geworden, und die gesellschaftliche Karriere, die aus Leutnants undStudentenGenräle undChefPräsidenten gemacht hat, war ausschlaggebend für die öffentliche Geltung. Die Absage an die Poesie erscheint hier geradezu als Bedingung gesellschaftlichen Aufstiegs und Erfolgs. Es ist der konsequente Ausdruck der veränderten Rang­bestimmung, wenn der Schluß des Gedichts in ironischer Pointierung eben nicht dem Dichter das letzte Wort gibt, sondern esExzellenz überläßt, n gesellschaftlich vorgefertigten Sprachschablonen den angemessenen Abstand gegenüber dem Dichter herzustellen.

Immer wieder beziehen sich die Gedichte auf diese unbefriedigende Situ­ation des Schriftstellers. Auf die geringen Honorare und die dürftige materielle Situation wird angespielt, so inArm oder reich (S. 7173). fnAuf der Treppe von Sanssouci (S. 273276) versichert der alte Fritz auch der Gegenwart seine königliche Geringschätzung desPoete alle- mand. Die allgemeine gesellschaftliche Geringschätzung verrät sich bei offiziellen Anlässen, wie der ZyklusAus der Gesellschaft in mehreren Gedichten anschaulich macht (S. 34-39).Feierlichkeiten zumal werden zur Motivation, die gesellschaftliche Kluft zwischen dem Schriftsteller und demOffiziellen hervorzukehren:

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