wird. Die Annäherung des Publikumsbezugs an die Bourgeoisie ist dabei freilich nicht so zu verstehen, daß der Dichter ausschließlich an das bourgeoise Publikum denkt. Das .Bourgeoishafte 1 meint — wie zuweilen auch in Briefen Fontanes' — eine zeittypische Haltung, die bevorzugt beim Bourgeois anzutreffen ist, aber nicht ausschließlich auf ihn beschränkt bleibt, ln all diesen Aspekten der Schriftstellersituation spricht Fontane aus eigener Erfahrung. Seine Lyrik verrät ihren autobiographischen Gehalt.. Nur darf man dabei jene Erweiterungen des Persönlichen zum Gesellschaftlich-Typischen nicht übersehen, auf die es ihm ankommt. Die unbefriedigende materielle Situation des Schriftstellers, sein geringes Ansehen, der Konflikt mit gesellschaftlichen Normen und das gebrochene Verhältnis zum Publikum: das alles sind Momente, die in den eigenen Erfahrungen immer zugleich die allgemeinere gesellschaftliche Situation des Schriftstellers meinen. Das wird noch deutlicher, wenn wir die Aussage der Gedichte mit Fontanes Aufsatz „Die gesellschaftliche Stellung des Schriftstellers“ vergleichen." Die Stellung des Schriftstellers sei „miserabel“, heißt es hier lapidar; Preußen-Deutschland gehöre diesbezüglich zu den führenden Ländern. Das „Geld-Elend“ wird betont: „Die, die mit Literatur und Tagespolitik handeln, werden reich, die, die sie machen, hungern entweder oder schlagen sich durch.“ Die Ausführungen sehen die materielle Armut dabei als Ausdruck wie als Folge der allgemeinen gesellschaftlichen Geringschätzung des Schriftstellers. Sie deuten diese Geringschätzung zum Teil wiederum als Resultat eines Mißtrauens, das in Schriftstellern „Cati- linarische Existenzen“ vermutet, noch mehr freilich als Konsequenz mangelnden ästhetischen Interesses und Verständnisses beim lesenden Publikum.
Der von Fontane erwogene Ausweg einer „Verstaatlichung“, einer „Approbation“ auch des Schriftstellers, mag uns heute fragwürdig erscheinen. Glücklich mit seinem Vorschlag war auch Fontane nicht, so daß er für den Fall des Scheiterns bereits einen „besseren“ Weg andeutet: „Größere Achtung vor uns selber“. 11 Er fordert damit ein Selbstbewußtsein des Schriftstellers, das sich der öffentlichen Geringschätzung widersetzt. Liest man Fontanes späte Gedichte genauer, so handeln sie von der unbefriedigenden Stellung des Schriftstellers ebenso wie von diesem Selbstbewußtsein. Die selbstironischen Schuldzuweisungen in „Was mir fehlte“ oder ..Verzeiht“, die sich für die Abweichung von etablierten Normen zu entschuldigen scheinen, sind in Wahrheit ein subtiles Bekenntnis zur eigenen Art, zu sich selbst. Oder um es an dem Spannungsbogen zu erläutern, den das Gedicht „Brunnenpromenade“ durchläuft: Da scheint das gesellschaftliche Leben eines mondänen Badeorts den Dichter mit der Erfahrung der Nichtigkeit, ja dem Selbstverlust zu bedrohen. Doch der Schluß des Gedichts stellt in der kritischen Desillusion des gesellschaftlichen Treibens das Bewußtsein des eigenen Wertes wieder her:
Zu Schemen ist plötzlich alles verschwommen,
Ich bin wieder zu mir selbst gekommen,
Und während mir Scheuheit und Demut entschlummern,
Zähl’ ich mich zu den „besseren Nummern“. (S. 49)
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