Heft 
(1985) 39
Seite
65
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als logischer Kontrast zur Thematik falscher Ansprüche und verlogener Größe, zur Kritik von Karriere und Erfolg. Die eigene Unfeierlichkeit korrespondiert der Kritik gesellschaftlicher Feierlichkeitspostulate. Wir scheinen es in solchen Entgegensetzungen zunächst ganz mit thematischen Strukturen zu tun zu haben. In Wahrheit führen sie gerade auch auf das geschichtliche Verständnis des lyrischen Stils, auf die eigene zeitkritische Dimension, die den Stil der späten Lyrik Fontanes prägt und auszeichnet.

4. Die zeitkritische Prägung des lyrischen Stils

Schon in den bisherigen Überlegungen kam vielfach mit dem Ausgesagten die Weise des Sagens in den Blick. Im folgenden soll die Zeiterfahrung noch allgemeiner auf die Prägungen des lyrischen Stils weitergedacht, die Zeitbewußtheit in die Einstellungen der Stillage hinein verfolgt werden.

Für den detaillierten Aufweis der Stileigentümlichkeiten von Fontanes später Lyrik darf dabei in manchem auch vorausgesetzt werden, was an anderer Stelle dazu erarbeitet wurde. 14 Da fiel auf der einen Seite der eher monologische Ton einer sich selbst zugewandten Reflexion auf, im deutlichen Gegenlauf dazu aber auch das ausgeprägte dialogische Moment. 15 Beides läßt sich unschwer auf die Frage der Zeiterfahrung beziehen so z. B. an dem GedichtAber wir lassen es andere machen. Es bekennt sich ausdrücklich zum Beseitestehen des Schriftstellers, das den monologischen Grundgestus vieler Gedichte motiviert. Aber es zeigt auch, wie gerade aus diesem Beiseitestehen heraus im fingierten Spiel von Frage und Antwort das Gespräch mit den Zeitgenossen aufgenommen wird:

Ich seh das Rennen, ich seh das Jagen,

Und wenn mich die Menschen umdrängen und fragen:

Was tust du nicht mit? Warum stehst du beseit?

So sag ich:Alles hat seine Zeit.

Auch die Jagd nach dem Glück. All derlei Sachen,

Ich lasse sie längst durch andere machen. (S. 49 f.)

Solche Elemente eines fingierten Dialogs, die die Instanz des Zeitgenossen in die Appellstruktur der Gedichte einbringen, finden sich noch zahlreich. ,Dialogisch 1 sind die Gedichte dabei in einem noch allgemeineren Sinne, ob wir an solche Gesprächsstrukturen oder z. B. die vielen Zeitbezüge in Form von Anspielungen denken: Das Bezogensein auf den Zeitkontext ist ihnen selbstverständlich, die hermetische Abschirmung gegenüber der Zeit nicht ihre Sache.

Zur Lyrik Fontanes gehört ein hohes Maß an Bewußtheit und Distanz. Gedichte wieArm oder reich (S. 7173) oderDie Alten und die Jungen (S. 71) fordern mit der antithetischen Konfrontation einen betont argumen­tativen Gestus geradezu heraus. Ebenso konnte aufgefallen sein, daß der