Tag verdient, und dabei glauben diese Leute doch noch, daß sie in einem „himmlischen Reich" wohnen.
Unsere Flechter haben durch die Einfuhr aus China leider schwere Ausfälle in ihrem Verdienst gehabt, aber dennoch überwiegt der wirthschaftliche Vortheil bei weitem den Nachtheil. Der Strohhut würde niemals ohne China der große Volksartikel geworden sein, der er heute ist. Das unschöne und auch ungesunde Kopftuch der Frauen aus dem Volke ist für die Sommerszeit mehr und mehr zurückgetreten, die Magd auf dem Feld, die Hökerin auf dem Markt schmückt sich mit einem billigen Strvhhut, und auch die Handwerker, die im Freien arbeiten, wie die Landleute machen mehr und mehr Gebrauch davon; sie arbeiten ja sonst schon im Schweiße ihres Angesichts und warum sollen sie diesen Schweiß noch unnöthig vermehren, wo ihnen die Strohhutindustrie so billige „Sonnenschützer" zur Verfügung stellt?
Lindenberg, welches meist billige und mittlere Sorten erzeugt, hat einen großen Vortheil aus der Chinaeinfuhr gezogen, denn etwa
700 o aller jetzt hier verar- Maturs reiche,
beiteten Geflechte sind von
schlitzäugigen Mongolen gefertigt worden. — Wir wollen einmal unsere sommerliche Kopfbedeckung auf ihrem Werdegang begleiten! Bereits beim Aussäen des Getreides, welches das Stroh liefern soll, muß auf den zukünftigen Strohhut Rücksicht genommen werden. In Italien und der Schweiz hat man es dabei gar nicht auf die. Körnerfrucht abgesehen, man schneidet den Halm schon vor der Reife des Kornes ab — das giebt dann freilich einen feineren und widerstandsfähigeren Strohhut als das grobe ansgereifte Chinastroh. Das Flechten selbst ist eine gleichförmige Arbeit, eine Art Klöppeln ohne Klöppelsack, bei dem sich die Fäden nach oben statt nach unten richten.
Der Muster, die durch Zusammenarbeiten von matten und glänzenden, naturfarbigen und ge- / färbten Strohsorten und durch eigenthümlicheFlechtweiseher- gestellt werden können, giebt es eine Unzahl. Unter 2000 Mustern sührt der Reisende eines halbwegs großen Geflechthauses nie bei sich. In Lindenberg selbst wird wenig mehr geflochten, nur hier und da sieht man noch ein Großmütterchen hinter dem Ofen ihren „Boschen" flechten, während im Erzgebirge und Schwarzwald die Flechtstuben mit ihren lebhaften Gesprächen, der großen Geselligkeit, den „langen Nächten" und dem Uebermuth der zuschauenden jungen Burschen ihre ganze ureigenthümliche Poesie bis auf den heutigen Tag bewahrt haben. — Auf das Flechten folgt das Bleichen und Färben des Strohes, so weit es diese Prozesse nicht schon ungeflochten durchgemacht hatte. Das Färben geschieht in der Weise, daß man das Stroh in einem Kessel unter Zusatz der Farbstoffe so lauge kocht, bis es den richtigen Ton erhalten hat.
Das Bleichen aber erfolgt auf zweierlei Art. Die eine wird durch unfer obenstehendes Bildchen veranschaulicht. Es ist die sogenannte „Schweizer"- oder Naturbleiche; die Strohbänder werden wie das Leinengewebe auf den Rasen gebreitet, von Zeit zu Zeit begossen. und die Sonne übt ihre bleichende Kraft. Diese letztere aber sucht man neuerdings durch eine chemische Behandlung zu ersetzen und nennt das dann die „englische" Bleiche.
MerfrachNt.
Wenn wir von der Seide absehen, so dürfte kaum ein Gewebestoff zu finden sein, welcher leuchtendere Farben annähme, als das Stroh; wie in einem tropischen Urwald schimmert's und leuchtet's in einem Strohhutmagazin; freilich bleibt der strohfarbene Bleichhut dem sommerlichen, schmetterlingsartigen Wesen, das der Strohhnt haben soll, am treuesten; aber sein Glanz ist ein sehr vergänglicher, und aus diesem Grunde werden gefärbte Strohhüte wahrscheinlich nie wieder vom Markt verschwinden.
Zum Nähen der Strohhüte an der überaus rasch arbeitenden Strohhutnüh- maschine gehört ein sehr geübtes Augenmaß und eine rasche, kunstfertige Hand.
Die Näherin näht zuerst mit der Hand einen sogenannten „Butzen" aus dem Ende eines Geflecht - stückes. Dieser bildet meist die Mitte des Hutdeckels, und um ihn herum wird nun an der rastlos auf- und niederschießenden Nadelstange Reihe an Reihe genäht bis zum äußersten Rand des Hutes. Die Hand der Näherin muß sehr geschickt d as Z ufüh r en d es G e- slechts leiten, welches sie von einem seitwärts stehenden drehbaren Gestelle ab- wickelt, und dabei hat sie fortwährend den entstehenden Hut zu wenden und zu drehen, um auch die vvrgeschriebene Form herauszubekommen. Nur auf Augenblicke unterbricht die Näherin das Nähen auf der mit nervösem Zittern wie rasend arbeitenden Maschine und stülpt den fertigen Theil des Hutes über eine Holzform, die den zukünftigen Hut darstellt, um sich auf diese Weise zu versichern, daß sie die Maße richtig eingehalten hat. Je verwickelter die Form, desto schwieriger ist das Nähen. Da müssen oft Ausladungen des Kopfes oder des Randes mit sogenannten Einlegern „herausgeholt" werden. Besonders schwierige Formen werden theilweise oder auch ganz mit der Hand genäht. — Eine große Errungenschaft ist es, daß auch für die Strohhutfabrikation die Nähmaschine dienstbar gemacht werden konnte. Die Arbeiterinnen sind dadurch einer mühseligen Stichelei enthoben, die ihnen nur zu oft die Finger bluten ge
macht, hat. — Zum Appretiren der Strohhüte, welches nunmehr folgt, wird ausschließlich Gelatine verwendet. Weiße Strohhüte werden, um
eine möglichst Helle Farbe zu gewinnen, geschwefelt. Zn dem Ende
bringt man die Ware nach
der Appretur in den Schwefel - kästen, die Hüte werden auf einen Rost gebreitet, unter welchem in einem ausgehöht- ten Stein Schwefelblüthe verbrannt wird. Je nach der Beschaffenheit der Ware dauert das Schwefeln längere oder kürzere Zeit. — Dem roh genähten Hut fehlen selbstverständlich noch die feinen, gefälligen Linien und Schweifungen. Diese giebt man ihm an den Ziehsormen und den hydraulischen Pressen. Die ersteren sind gußeiserne, hohle Hutköpfe, die durch Stichflammen dauernd in einem heißen Zustand erhalten werden. Man zieht die Hüte über diese heißen Formen und bringt sie dann in die ebenfalls erhitzte Preßform, die in die Presse eingesetzt wird. In den Hut legt sich ein
Gummibeutel, der auch annähernd eine Hutform darstellt, die Presse wird geschlossen, und nun wird mittels eines Druckwerks Wasser in den Gummibeutel gepumpt. Dadurch wird der Hut ausgeformt, und bald darauf verläßt er „blank und eben" den