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metallenen Kern. Bei dieser Behandlung, die ihrer Natur nach ! mit dein Plätten zu vergleichen ist, muß der Hut bald feucht ! und bald trocken sein, sie erfordert gleichermaßen viel Hebung ! und ist schwieriger, als es hier nach dieser llüchtigen Beschreibung ! erscheinen mag.» ^
Jetzt kommt der äußere Schmuck. Die Garniererinnen nehmen ! sich nun des Hutes an, doch betrifft das meist nur Männer- und ! Kinderhüte, das Garnieren der Damenhüte ist ja ein eigenes ^ weitverbreitetes Gewerbe, bei welchem die persönlichen Wünsche noch eine große Rolle spielen und das Wohl nie eine großindu- strielle Umformung zu fürchten hat.
Neuerdings sind die Bänder der Strohhüte zu einem ausgesprocheneil Modeartikel geworden, die männliche Jugend schenkt ihnen nicht weniger Aufmerksamkeit wie z. B. dem Shlips. Und warum auch nicht? Ein schmuckes gemustertes oder doch farbiges Hutband kommt noch ganz anders zur Geltung als etwa ein schwarzes, und die Jugend hat ja das schöne Vorrecht, sich zu schmücken und Lebensfreude zur Schau zu tragen.
Der Strohhut ist ein leichter Patron, in verpacktem Zustande gehört er zum sogenannten „Sperrgut" d. h. zu demjenigen, welches !
bei geringem Gewicht einen unverhältnißmäßig großen Raum einnimmt; da ist es denn kein Wunder, wenn mall auf dem Weg von der Station Röthenbach hinauf nach Lindenberg häuserhoch aufgethürmten Kistenfuhren begegnet, die sich in lustigem Tempo dahinbewegen, als gälte es eine Spazierfahrt. Auch die Postwagen sind oft hochbeladen mit Spankörben, die meistens „pressante" Waren enthalten, welche als Frachtgut zu spät kommen würden.
Der Versand geht nicht nur nach Orten Deutschlands und der benachbarten Länder, sondern auch außerhalb Europas, wo immer es den Schutz gegen eine heiße Sonne gilt, ist das Linden berger Fabrikat begehrt.
Ein großes Bedürfniß für das Lindenberger Strohhutgewerbe ist die Herstellung eines Schienenwegs, welcher den Marktfleckeil mit der 1^ Stullden entferlltell Eisenbahllstation Röthellbach verbindet. Bereits sind auch durch einen eigens hiefür gebildeten Ausschuß bei der bayerischen Regierung die einleitenden Schritte gethan worden. Mögen diese Bemühungen voll einem guten Erfolge gekröllt fein; denn es ist gewiß, daß eine solche Bahnverbindung Lindenberg sowohl als den benachbarten Ortschaften zu einem lebhaften Aufschwung verhelfen würde.
Keiße Hage.
Erinnerungen aus der Schlacht bei Noigeville am 31. August 1870.
^/llar und thaufrisch brach der 31. August 1870 an, strahlend
hob der feurige Sonnenball sich über dem Horizont empor und tauchte Thal und Hügel in Purpurgluth. Lachend und leuchtend breiteten die grünen Fluren und Rebenhügel Lothringens sich vor unseren Blicken aus, als herrschte tiefer Frieden und als sollten die Glocken der umliegenden Ortschaften jeden Augenblick ein Feiertagsgeläute beginnen.
Vor lllls auf dem östlichen Rande des Moselthales erhob sich in guter Kauonenschußweite neben dem altersgrauen Schlosse Grimmont trotzig das große Fort von Metz „St. Julien" und weiterhin im Südwesten Bellecroix.
Eine feierliche Stille lagerte über der Landschaft, jene Stille, die Gegenden eigen zu sein pflegt, in denen große Kämpfe stattgefunden haben. Kein Vogel erhebt dort feinen Gesang, in den Ortschaften regt sich kein Laut, der auf gewerbliche oder land- wirthschaftliche Thätigkeit schließen ließe, selbst das Hundegebell ist verstummt, die Viehherden sind verschwunden und der Haushahn kündigt nicht mehr den nahenden Morgen mit lautem Rufe an.
Der Kampf bei Colombey-Nouilly am 14. August hatte diese Gegend in Schweigen gehüllt; nur vorübergehend wurde dasselbe durch das Rasseln anrückender Artillerie oder den flüchtigen Hufschlag einzelner Kavalleriepatrouillen unterbrochen.
Auf den Bivouacplätzen umher herrschte bei uns mit dem ersten Sonnenstrahl emsige Thätigkeit. Geschäftig kochten die Mannschaften ihren Kaffee in offenen Kochgeschirren an den lustig qualmenden Kochlöchern; schmeckte der edle Trank dann auch etwas räucherig, was schadete das, es war eben „Mokka n ln ZneimeN Wasser- und Holzkommandos marschirten ab und kamen an, und die Fouriere bereiteten die Verkeilung der Tagesrationen vor.
Bei unserem Bataillon herrschte eine besonders lebhafte Thätigkeit. Exeellenz von Bentheim, unser Divisionskommandeur, wollte die an diesem Tage nicht auf Vorposten befindlichen Bataillone sehen; zu ihnen gehörten auch wir, und da hieß es denn blitz und blank erscheinen. Ein jeder wollte vor dem beliebten Kommandeur so viel wie nur möglich „glänzen", deshalb diese Ameisenthätigkeit; es blitzte und funkelte denn auch an Gewehren, Helmen und Knöpfen w. mit den Thautröpfchen im Grase um die Wette; endlich rückten wir zur Paradeaufstellung ab.
Auf die Minute galoppirte Exeellenz mit seinem Stabe heran, die Ehrenbezeigungell wurden erwiesen und mit einiger Verwunderung sahen wir den General mit seinem Gefolge statt nach dem rechten Flügel der Aufstellung geradeswegs auf unsere Fahne zureiten. Diese, deren Schaft in dem heißen Kampfe am 14. August durch eine feindliche Kugel zerschmettert worden war, trug noch die erste kunstlose Bandage, ein paar fingerdicke Eisenstübe mit- einem Strick fest über die Bruchstelle geschnürt. Unmittelbar vor der Fahne hielt der General, und den Helm abnehmend, rief er mit weithin tönender Stimme:
„Vor dieser Fahne nehme ich meinen Helm ab, brave Drei- undvierziger!"
Einen Augenblick hielt das ganze Gefolge entblößten Hauptes vor dem präsentirenden Bataillon, ein Augenblick höchster Anerkennung für dasselbe, dann nahm die Parade ihren Verlauf; nach derselben schwenkten die Bataillone zum großen Quarre ein, der Feldgottesdienst begann.
Unter Hinweis auf den mörderischen Kampf und glänzenden Sieg am 14. sprach unser Divisionspfarrer ergreifende Worte und schloß mit einem Gebete für die braven Gefallenen, die ihre ferne Heimath, die Ihrigen nicht Wiedersehen sollten, sowie um Trost und Ergebung in den Willen des Allmächtigen für die Hinterbliebenen und die an ihre Schmerzenslager gefesselten Verwundeten. Es war eine tiefernste und ergreifende Feier, die auf einen jeden sichtlichen Eindruck machte. Waren doch so viele liebe Kameradeil am 14. August im heiligen Kampfe für König und Vaterland aus unseren Reihen gerissen worden und hatten ihr Leben freudig verblutet, in der Gewißheit, einen entscheidenden Sieg mit errungen zu haben!
Wir rückten nach unserem Lagerplatze ab, doch nicht lauge sollte unsere, gehobene Stimmung, unsere Ruhe dauern; Bazaine erinnerte uns sehr bald an die rauhe Wirklichkeit und den Zweck unserer Anwesenheit vor den als uneinnehmbar gerühmten Werken der stolzen Festung.
Die zweite Division befand sich in leichtem Gefecht mit dem Gegner, auch wir gingen vor. Das Feuer verstummte jedoch bald und dichte Rauchwolken zeigten uns an, daß die Söhne des sonnigen Frankreich mit allen! Ernst an das Mittagseffen dachten. Trotzdem verblieben wir in der Gefechtsstellung.
Es war vier Uhr nachmittags geworden, eine Zeit, in der die Besatzung der Festung Metz und die Truppen Bazaines gern „anzufangen" pflegten, und mit Spannung sahen wir dem Kommenden entgegen, als sich plötzlich das Fort St. Julien uns gegenüber in eine weiße Rauchwolke hüllte; sausend und zischend stob die erste Salve, wohl aus allen Geschützen des Forts, heran und fast gleichzeitig eröffnete die feindliche Infanterie ihr Feuer gegen unsere Division bei Noiffeville, Servigny, Pvix und Failly. Unter dem Schutze dieses Feuers setzten sich die feindlichen Kolonnen gegen unsere Stellung in Bewegung.
Ein furchtbarer Kampf entspann sich nun. Bazaine wollte mit seiner Uebermacht den Durchbruch nach Nordvst erzwingen, um nach Sedan zu entkommen; wäre ihm dieser gelungen, weiß Gott, wie der Krieg geendet hätte. Unserer, der ersten Division war hauptsächlich die ehrenvolle Aufgabe geworden, diesen! Vorhaben einen wirksamen Riegel vorzuschieben. Immer neue Massen stürmten gegen die von uns besetzten Ortschaften heran, doch unerschüttert hielten die schwachen Besatzungen ihre Stellungen. Salve auf Salve krachte den gegnerischen Kolonnen entgegen und ein