sich wegen der symbolischen Bedeutung einer solchen Handlung: .Weil das Sprichwort sagt: „Haar bindet“. Und wenn ich es um den Strauß binde, so bist du mitgebunden“ (III, 147). Wie ihre Worte über die Hoffnung, ist ihre Weigerung (mit dieser ausdrücklichen Begründung) zugleich eine Aufforderung an Botho, trotzdem zu erklären, er wolle mitgebunden werden. Als er dann auf der Verwendung des Haares besteht, nachdem er vor den Folgen gewarnt worden ist, wird Lenes Tonfall feierlich:
Sie sah ihn an, zog ein Haar aus ihrem Scheitel und wand es um den Strauß. Dann sagte sie: „Du hast es gewollt. Hier, nimm es. Nun bist du gebunden.“
Er versuchte zu lachen, aber der Ernst, mit dem sie das Gespräch geführt und die letzten Worte gesprochen hatte, war doch nicht ohne Eindruck auf ihn geblieben. (III, 148)
Das Wort ,gebunden“ kann einfach gefühlsmäßig verstanden werden, oder auch im Sinne der Verlobung. In letzterer Bedeutung wurde es tatsächlich von Bothos Onkel gebraucht, als er die von den Eltern arrangierte Ehe zwischen Botho und Käthe Sellenthin erwähnte: .Weshalb schweigen über solche Dinge. Du bist doch so gut wie gebunden“ (III, 127). Der Doppelsinn des Wortes ist vollkommen geeignet, um die Ambivalenz von Lenes Gefühlen im Gespräch mit Botho widerzuspiegeln. Auf der einen Ebene ist die Übergabe des Straußes nichts mehr als ein Zeichen emotioneller Verbundenheit. Zugleich bildet sie einen Teil einer feierlichen Verlobungsrituals. Mit diesem doppelsinnigen Wort kann Lene einen Wunsch sowohl ausdrücken als auch unterdrücken, zu dem sie sich kaum zu bekennen wagt. Jedoch, während sie sonst die Augen schließt, um die Wirklichkeit durch den Traum zu ersetzen, wird in diesem Fall ausdrücklich gesagt, daß sie bei den gewichtigen Worten, ,Du hast es gewollt“ Botho in die Augen sieht. 1 ' 1 An diesem Punkt der Geschichte ereignet sich, wie mir scheint, eine entscheidende .Verwirrung der Kategorien“, wobei der niedergehaltene Wunsch, der sonst in die Welt der Phantasie gebannt ist, in den Bereich der Öffentlichkeit eintritt, so daß Lene in Bothos Gegenwart gezwungen wird, ihr eigenes Verlangen anzuerkennen, Traum in Wirklichkeit zu verwandeln. Zumindest im Gefühl ist das Paar nunmehr .gebunden“. Und, da Botho es .gewollt“ hat, ist es an ihm, den nächsten Schritt zu tun. Kein Wunder, daß das Gespräch plötzlich abbricht, so daß die Liebenden schweigend zum Gasthaus zurückkehren, wobei jeder der Frage nachhängt, ,wie lange das Glück noch dauern werde“.
Wenn Botho sich zuletzt von Lene verabschiedet, begegnet sie dieser höchst diffizilen Situation mit Zartgefühl und Selbstbeherrschung. Um seine Schuldgefühle zu beschwichtigen, behauptet sie, schon von Anfang an dieses Ende vorausgesehen zu haben, und spricht sehr vernünftig von der Notwendigkeit, zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden:
Ich habe es so kommen sehen, von Anfang an, und es geschieht nur, was muß. Wenn man schön geträumt hat, so muß man Gott dafür danken und darf nicht klagen, daß der Traum aufhört und die Wirklichkeit wieder anfängt. (III, 174)