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Schicksal, und sinnend ruhte ihr Blick aus den halberschlossenen blassen Rosen des schönen Straußes, die einen schwachen, süßen Duft bis zu ihr sendeten.
Die Thür that sich auf und Agathe erschien von neuem.
Bis auf wenige Züge war es dasselbe Bild: wieder hielt sich die Getreue in der weit fortgestreckten Rechten ein Bouquet vom Leibe, wieder hatten ihre Fingerspitzen einen Brief gefaßt, wieder malte sich namenlose Wißbegierde auf ihrem Antlitz, nur war dieser Ausdruck jetzt mit einem gewissen rathlosen Entsetzen gepaart, und das Bouquet wies nicht wie das erste einen Reichthum wundervollster Rosen und eine feine Zusammenstellung zarter Farben auf, sondern es war ein radgroßes Ungethüm, aus den seltensten fremdartigen Blumen gebildet, offenbar sehr kostspielig, aber ohne besondere Wahl geordnet.
Thekla legte sich in ihren Sessel zurück und lachte herzlich.
„Nun, Agathe, ich bitte Sie, versuchen Sie's, ein etwas geistreicheres Gesicht zu machen, mir zuliebe, ja? Auf dem Fensterbrett ist ja noch mehr Raum, da stellen Sie g'etrost das Scheusal hin!"
„Scheusal?"
„Ich finde, es ist eines! Alle Farben des Regenbogens sind darin und noch ein paar mehr! Und diese ungeheuerliche blauweiße Schleife! Durch das Auge versteht sich dieser Freier nicht einzuschmeicheln, das ist sicher!"
„Fräulein Thekla können immer noch scherzen, und unter mir brechen die Kniee!" rief Agathe kläglich. „Zwei Freier für mein Prinzeßchen, für mein Goldkind, zwei Freier an einem Tage!" —
„Und den dritten wird sie nehmen!" vollendete Thekla in Gedanken. „Das heißt, wer weiß, von wem der Rosenstrauß gekommen ist!"
Die alte Haushälterin sah sich vergebens im Zimmer nach einem Gefäß um, das handfest genug gewesen wäre, eine Bürde wie dies riesengroße, schwere Bouquet zu tragen; sie mußte ins Speisezimmer gehen, einen der mächtigen Metallkrüge, die dort auf dem Kredenztisch standen, herbeizuschleppen, und Thekla mußte solange die Blumen halten. Mit komischer Verzweiflung blickte sie auf das bunte Ungethüm in ihrem Schoß nieder, und die blau-weiße Schärpe wallte zu ihren Füßen in geschmacklosem Pomp.
Da kam von links her ein leichter beflügelter Schritt — wie wohlbekannt! — ein jauchzendes Sümmchen: „Thea, bist Du hier?" und die Thür flog auf, und Annie stürmte herein, schleuderte Schirm und Shawl von sich und fiel vor Thekla auf die Kniee, schob die ganze Blumenlast, ohne nur hinzusehen, ohne zu fragen, wie einen lästigen Ballast beiseite und fing an, Theklas Hände zu liebkosen, mit Küssen und mit Thränen, warmen, glückseligen Thränen, die von den langen Wimpern niederfielen, während die Lippen lachten . . . ein wnnderlieblicher Anblick: wie wenn eine Blume im ersten Mvrgensonnenschein die Thautropfen aus ihrem Kelch schüttelt.
„Thea, ach ich bin so gelaufen, ich konnte die Zeit nicht erwarten, bis Du es wußtest, — Du weißt schon, nicht wahr? In Heinrichslust . . . er . . . und ich . . . ein Zufall, nein, nein, das nicht, es giebt keinen, eine Fügung Gottes ist's gewesen — ich weiß nicht mehr, aber ich werde mich besinnen —> Thea, Thea, wenn Du es ahntest, wie glücklich ich bin!"
Wie sollte sie es nicht ahnen, da sie es doch vor sich sah, das verkörperte Glück! Sie hielt die junge Schwester fest an sich gedrückt und fühlte das stürmische Schlagen des jungen, überströmenden Herzens, und die Augen wurden ihr feucht.
Ein Poltern und Rasseln, wie wenn eine schwere Last von Metall zu Boden fällt, ließ die Schwestern erschreckt auffahren. Es war aber auch zuviel für Agathens heute schon so vielgeprüfte Nerven. Da lag das kostbare Riesenbouquet, für welches sie eben ihre alten Glieder mit dem schweren Krug abquälte, zerdrückt und mißachtet am Boden, die gleißende Atlashülle verbogen, die blauweiße Schärpe um den Tischfuß geschlängelt„ und vor Fräulein Thekla kniete das Vögelchen, das leibhaftige Vögelchen, von dem kein Mensch wußte, wann und wie es überhaupt ins Halls gekommen war, und lachte und weinte in einem Athem und sprach voll „Glück" — hatte es denn schon einen voll den ! beiden Briefen gelesen? Nein, sie lagen alle zwei friedlich neben- ! einander auf dem Fensterbrett, und um den Rosenstrauß hatte ^ sich ersichtlich auch niemand gekümmert . . . war es ein Wunder,
daß Agathens Händen der riesige Krug mit dröhnendem Kla entfiel, da sie doch diese ihre Hände brauchte, um sich an d Kopf zu fassen: ist dies alles Traum oder Wirklichkeit?
In der nächsten Minute flog ihr das Vögelchen um d Hals und beschwor seine liebe Alte, es immer, immer lieb zu l halteil, — als ob es anders möglich wäre! -— und ihm sein groß( schönes Glück zu gönnen, — als wenn sich ein anderer annäherl so darüber freuen könnte! —- und Gott zu danken dafür, dl er das Vögelchen mit „ihm" zusammengeführt. Agathe erfu nun auch durch Thekla, wer „er" sei, und konnte gar nicht rec aus Herzensgrund mitjubelu, nur immer weinen und wenn und Versuche machen, ihr Herzenskind zu segnen . . . aber verlangte auch niemand mehr voll ihr! Endlich legteil sich d hohen Wogell ein wenig, und die Alte gedachte des Mittagsmahle das in der Küche ohne ihre Aufsicht sicher alle Zustände des Ve bratens und Ueberkochens durchmachte — sie hob den Metallkrr von der Erde auf, stutzte, mit vorwurfsvollem Kopfschütteln, dc beschädigte Bouquet zurecht und stellte es hinein, Holle dann dl Rosenstrauß und die beiden Briefe herbei, alles ganz stumm, setz ihrem sehr erstaunt dreinschauenden Liebling das alles so zu sagl vor die Nase und ging, sich die Augen trocknend, zur Thür hinau
„Thea!" sagte Annie nach einer längeren Pause und wn mit dem Finger auf Agathens festliche Veranstaltungen. „The was bedeutet alles dies?"
„In den Briefeil wird es wohl stehen!" entgegnete Theki trocken. „Vermuthlich sind's zwei Heirathsanträge für Dich!"
„Ach!" machte Annie erschrocken und sah ihre Schwester ! rathlos all, als sei diese verantwortlich dafür. „Thea, sag' m das eine: Hab' ich die durch mein Benehmen hervorgerufen?"
„Weißt Du denn schon, von wem sie kommen?"
„Ich glaub' es zu wissen, ich ahne es! Das da," mit einl Kopfbewegung nach dem Metallkrug mit seinem Schmuck, „da verführerisch schöne Mühlrad kommt natürlich voll dem Rittmeistl und macht mir weiter keine Schmerzen. Meine kluge Thea schreil ihm eiil höfliches bedauerndes Briefchen und giebt ihm in meinel Namen für seine wundervollen Blumen einen Korb — und fertic Aber — aber der andere — das Rosenbonquet, Thea, wenn e von Conventius wäre!"
„Das wird es wohl sein, Kleine!"
„Siehst Du, wär' ich nicht so über die Maßen glücklich . . dies könnt' mich recht unglücklich machen! Ich Hab' ihn liel wirklich von Herzell lieb; wie es so rasch gekommen ist, weiß ic selbst nicht zu sagen, aber ich könnte meine Hand vertrauend i die seine legen, wenn er sagen würde: komm' mit! und, ohne z fragen, mit ihm gehen bis ans Ende der Welt! Hütte ich Kar nicht kennengelernt, - - Karl heißt er, Thea, weißt Du das eigen! lich schon? —- keill anderer als Conventius wäre mein Maw geworden, so sehr gut bin ich ihm! Aber nun! Wie der stilll friedvolle, schölle Mond kommt er mir vor, und Karl, ach, das if das Licht, der Glanz, die Sonne!"
Wieder kamen ihr die Thränen in die Augen, als sie Thekb von neuem heftig umarmte.
„Und Du bist überzeugt, Vögelchen, er, Dein Karl, mein ich, wird es verstehen, Dich recht glücklich zu machell?"
„Er mich? Darüber Hab' ich noch gar nicht nachgedacht Die Hauptsache ist: ich will ihn glücklich machen, mein ganzes Lebeil will ich brauschen, und ich kann es auch, das darfst Di mir glauben! Er hat es mir selbst gesagt, und ich Hab' es auck recht gut gemerkt: in mir, in meiner Persönlichkeit, meinem ganzer Wesen liegt die Macht, ihn jung und froh und heiter zu stimmen alles Trübe und Schmerzliche von ihm abzustreifen und seinen Herzen wohlzuthun, wenn ich nur eben da bin, wenn ich uw rede und lache oder auch schweige, mich ganz so gebe, wie mir zu Muth ist! Und wenn ich das vermag, einen großen, edlen guten Menschen durch mein bloßes Dasein glücklich zu machen Thea, ist denn das nicht für mich Glück geling?"
Thekla strich mit der Hand leicht über die wunderschöner Augen, die im reinsten Licht selbstloser Freude leuchteten, dann nach einer Pause, fragte sie: .
„Du weißt es nicht, was ihn oft so trüb' und schmerzlich empfinden läßt?"
„Bis jetzt hat er mir's noch nicht gesagt, und wer weiß ob er es jemals thnt. Mag er das halten wie er will, ich werde ihn nie danach fragen!"