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ein erlösender Lichtstrahl fluthet von dort in die Welt, die das Fest der Liebe zu begehen sich rüstet. Möge die Weihe solcher Geburtsstunde fortan schweben über dem Werke Robert Kochs!
Und nun geben wir einer berufenen sachverständigen Feder das Wort, daß sie uns über das Wesen der Kochschen Entdeckung eingehender unterrichte.
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Als Robert Koch im Jahre 1882 seine Forschungen über den Krankheitserreger der Tuberkulose, der Lungenschwindsucht, veröffentlichte, in denen er den Nachweis führte, daß ein kleines Lebewesen, ein dem Pflanzenreiche angehöriger Mikroorganismus von Stäbchenform, ein Bacillus, als die Ursache der Krankheit anzusehen sei, bemächtigte sich eine tiefe Erregung der ganzen Welt, denn es waren nicht nur die wissenschaftlichen Kreise, die mit dieser neuen überraschenden Thatsache zu rechnen hatten, nein, die ganze Menschheit durchzitterte eine nur zu berechtigte Aufregung. Handelte es sich doch um eine Krankheit, die als eine der schlimmsten Geißeln Gesundheit und Leben bedrohte, auf deren Rechnung die ungeheure Zahl von Z? aller Todesfälle zu setzen ist! Während aber das Laienpublikum aufathmend die Kochsche Entdeckung als ersten Schritt auf dem Wege zur wirksamen Bekämpfung der bis jetzt nur ganz ausnahmsweise und eigentlich mehr zufällig geheilten furchtbaren Krankheit jubelnd begrüßte, stellte sich ein großer Theil der Aerzte der neuen Auffassung zweifelnd, ja geradezu ablehnend gegenüber. Aber der stolze Schluß Kochs, „daß die Tuberkelbacillen nicht bloß eine Ursache der Tuberkulose, sondern die einzige Ursache derselben sind, und daß es ohne Tuberkelbacillen keine Tuberkulose giebt", ging in kurzer Zeit aus allen Anfechtungen der Kritik siegreich hervor, und es konnte sich zuletzt nur darum handeln, die gewonnene Thatsache auch in Betreff der Behandlung der Lungenschwindsucht richtig zu verwerthen, ein Mittel zu finden, die kleinen verderblichen Lebewesen, die „Pathogenen Mikrobien", im Körper zu vernichten, sie wenigstens unschädlich zu machen, ihrer zerstörenden Einwirkung auf den Organismus Einhalt zu thun. Und aller Orten in der ganzen civilisirten Welt wurden denn auch zahlreiche Versuche angestellt und wieder und wieder vorgenommen, ohne jedoch zu dem gewünschten Ende zu führen. Man drang immer tiefer in die Lebensverhältnisse, die Daseinsbedingungen des Mikroorganismus ein, lernte erkennen, welche Umstände sein Wachsthum, seine Vermehrung zu fördern imstande sind, welche Lust-, Wärme- rc. Verhältnisse, welche Arzneimittel ihn im bakteriologischen Laboratorium, der Werkstatt für Untersuchungen über die Bakterien (der Gattungsname für alle derartige Pilzbildungen) zu schädigen, zu tödten vermögen — allein praktische Erfolge in Bezug auf die Heilung der Tuberkulose wurden damit nicht erzielt. Sobald man nämlich ein Mittel, das sich bei den Züchtungsversuchen, den sogenannten Kulturen, als die Tuberkelbacillen im Wachsthum hemmend oder zerstörend erwiesen hatte, bei Thierversuchen in Anwendung brachte, versagte es entweder in seiner Wirkung vollständig oder tödtete mit den Mikrobien zugleich das Versuchsthier.
Auf diesem Wege war nach der überwiegenden Ansicht der Aerzte dem Parasiten der Lungenschwindsucht und damit dieser Krankheit selbst nicht beizukommen, man versuchte es daher, wenn auch einzelne Forscher auf dem einmal Leschritteneu Wege weiter wandelten, mit einem andern Verfahren. Vermochte man nicht unmittelbar dem Bacillus zu Leibe zu gehen, so konnte man doch hoffen, auf mittelbarem Wege ihn erfolgreich zu bekämpfen, dem so schwer durch die schreckliche Krankheit heimgesuchten Menschengeschlechte ersprießliche Dienste zn leisten. Dies ließ sich auf zweierlei Weise bewerkstelligen, einmal durch Vorbeugemittel gegen die Weiterverbreitung der Krankheit und sodann durch Stärkung, Kräftigung des Körpers in seinem Kampfe mit dem tückischen Feinde.
Der Erreichung des ersteren Zieles widmete sich besonders Eornet, welcher durch außerordentlich scharfe und mühsame Untersuchungen nachwies, daß der Auswurf der Phthisiker, der Lungeuschwindsüchtigen, einer der vornehmlichsten Ansteckungsträger sei. Nicht allein, daß er durch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten in der ärztlichen und in der Laienwelt die Anschauung von der Ansteckungsfähigkeit immer mehr zur Geltung brachte, er wirkte auch für die allgemeine Einführung eines geeigneten Vorbeugungs
mittels. Dies besteht darin, daß die tuberkulöseil Kranken dazu angehalten werden, ihren Auswurf stets nur in mit Wasser gefüllte oder auch, nach Verlassen der Wohnung, in besonders angegebene trockene Speinäpfe abzusondern und so Fußboden und Taschentücher, an denen die bacillenhaltigen Massen trocknen und von da aus pulverisirt sich der Athemluft beimischen können, rein zu halten.
Die Stärkung des ganzen Körpers als wichtigste Grundbedingung der Schwindsuchtsheilung hatte als erster, schon lange vor der Entdeckung der Tuberkelbacillen, der bekannte Leiter der Heilanstalt Görbersdorf, Brehmer, aufs nachdrücklichste betont und zur Grundlage seines therapeutischen Verfahrens gemacht. Doch drang er, da er seine praktischen Regeln mit einer Menge von der Wissenschaft nicht anerkannter theoretischer Ansichten verwob, nicht recht durch. Erst in der neueren Zeit, unter dem Einflüsse der neu gewonnenen Anschauungen, schälte man den guten brauchbaren Kern aus der deckenden theoretischen Hülle heraus und folgte den von Brehmer gegebenen Anregungen. Besonders der berühmte Berliner Kliniker Ernst Leyden trat mit dem ganzen Gewichte seines Könnens und seiner Stellung für diese Seite der Schwindsuchtsheilung ein. Er war es auch, auf dessen Anregung hin in diesem Jahre die verschiedenen Berliner medizinischen Gesellschaften sich zur Absendung von Delegirten zu einer Kommission verstanden, deren Aufgabe es sein sollte, die nöthigen Schritte zur Erbauung von Heilanstalten für weniger bemittelte Tuberkulöse in der Nähe Berlins zu thun, Heilanstalten, in denen besonders der ganze Apparat einer vernunftgemäßen Hygieine und Ernährungsweise in den Dienst der Schwindsnchtsbehandlung gestellt werden sollte (vergl. „Gartenlaube" 1890, Nr. 34). Anfang dieses Sommers trat die Kommission unter dem Vorsitze Leydens zum erstell Male zusammen, und als erster Punkt wurde darüber berathen, ob überhaupt solche „Heilstätten für Tuberkulöse" errichtet werden sollten. Nachdem wir uns fast ausnahmslos in diesem Sinne ausgesprochen hatten, erhob sich Robert Koch und erklärte seine Zustimmung zu dem ganzen Plane, konnte sich aber mit der Bezeichnung der Anstalten als „Heilstätten" nicht befreunden. Wir seien nicht imstande, so meinte er, die Tuberkulose zu heilen ; wenn auch mal ab und zu derartige Fälle zur Heilung kämen, so wären diese mehr als Zufallsheilungen anzusehen denn als gewollte Erfolge einer systematischen Therapie. Man möge nicht durch solchen Namen in den Kranken Hoffnungen erwecken, die doch nicht erfüllbar seien.
Wenige Wochen nach diesem viel besprochenen Vorfall trat in Berlin der X. internationale medizinische Kongreß zusammen. Den zweiten Vortrag in der ersten allgemeinen Sitzung am 4. August d. I. hielt Robert Koch:'„lieber die bakteriologische Forschung." Er gab in derselben in seiner knappen, klaren Redeweise einen geschichtlichen Ueberblick über die Entwicklung der noch jungen, kaum fünfzehn Jahre alten Wissenschaft der Bakteriologie und ging vornehmlich auf den Punkt ein, der für die Aerzte ja der wichtigste sein mußte, auf das Verhältniß der Mikroorganismen zu den Jnfectionskrankheiten. Zum Nachweise, daß solche Gebilde als Ursache einer Krankheit aufzufassen seien, verlangte Koch die Erfüllung folgender Bedingungen: 1. daß der Parasit in jedem einzelnen Falle der betreffenden Krankheit anzutreffen sei; 2. daß er bei keiner anderen Krankheit als zufälliger und nicht pathogener Schmarotzer vorkomme; 3. daß er, in Reinkulturen auf ein anderes Thier übergeimpft, imstande sei, von neuem die Krankheit zu erzeugen. Diesen Bedingungen werde bei einer Anzahl von Jnfectionskrankheiten, dem Milzbrand, der Tuberkulose, dem Erysipelas (Rose), dem Tetanus (Wundstarrkrampf) vollständig entsprochen, so daß deren parasitäre Natur nicht mehr in Frage stehe. Aber auch für eine Anzahl anderer Jnfectionskrankheiten, in denen nur die beiden ersten Bedingungen, diese indessen regelmäßig, ausnahmslos erfüllt würden, die Ueberimpfung dagegen noch nicht oder nur unvollkommen erreicht worden sei, müsse derselbe Zusammenhang angenommen werden. Hierher gehören besonders der Unterleibstyphus, die Diphtheritis und die asiatische Cholera. —- Spater auf die praktischen Erfolge der Bakteriologie übergehend, gestand Redner ein, daß wir bis jetzt noch keine unmittelbar wirkenden therapeutischen Mittel gegen die durch die Schmarotzer hervvr- gerufenen Krankheiten besäßen. Schon bald nach der Entdeckung der Tubcrkelbacillen habe er angefangen, nach Mitteln zu sucheu, die sich gegen die Tuberkulose therapeutisch verwerthen ließen, und