„Ihr kennt ja nur euch und euren Club und euer Leben“ - das ist das unerwartete Resümee des gelungenen Abends, der Botho zu verdanken war. In Lenes trauriger Feststellung und in dem Gegenüber von vorstädtischer und mondäner Örtlichkeit kommt derselbe Sachverhalt zum Ausdruck, der das Gesellschaftsbild der Erzählung im ganzen beherrscht. Fontane entfaltet die sozialen Gegensätze als einen Gegensatz unterschiedlicher, größtenteils voneinander abgeschlossener Lebensformen, der mehr und weniger als den Klassengegensatz einschließt. Kann die Bezeichnung „Irrungen, Wirrungen“ wenn man so will als die kleinste Spiegelungsbeziehung der Erzählung angesehen werden, so entsteht zwischen den sozialen Lebensformen ihre umfassendste. Sie treten unmittelbar als Formen des geselligen Umgangs in Erscheinung, innerhalb dessen sich die substantiellen Verhältnisse — Herkunft und gesellschaftliche Rangstufung, Besitz und Erwerb, Familie und Ehe — geltend machen und zur Sprache gebracht werden.
Das Verhalten, unter dem Botho abends aus seiner Lebens- und Geselligkeitsform in der Gärtnerei wechselt, ist dafür bezeichnend und gibt Lene recht. Er hatte an diesem Abend die kleine Runde hauptsächlich mit Versuchen unterhalten, zwischen den getrennten Sphären Vermittlungen herzustellen. Wenn er sich an den Gärtner wandte, jovial das soziale Gefälle überbrückend, dann sprach der eine Grund- und Schloßherr zum anderen „Schloßherrn“ und Grundbesitzer: „Hören Sie, Dörr, was sagen Sie zu dem Wetter? Eigens für Sie bestellt und für mich mit. Meine Wiesen zu Hause, die vier Jahre von fünf immer unter Wasser stehen und nichts bringen als Ranunkeln, die können solch Wetter brauchen.“ (23) In derselben Absicht ließ Rienäcker, der Lene von der „großen Herren- und Damenfete“ (24) des Vortages eine Tüte Knallbonbons mitgebracht hatte, seine staunenden Zuhörer an einer Tischunterhaltung teilnehmen, bei der er mit „Komtesse Lene“ und „Frau Baronin Dörr“ (27) Konversation machte.
Diese Konversation ist so nichtssagend wie Lenes Standeserhöhung vielsagend: „Es ist alles ganz gleich. Über jedes kann man ja was sagen und ob’s einem gefällt oder nicht. Und ,ja‘ ist geradesoviel wie ,nein‘.“ (27) Rienäcker distanziert sich achselzuckend von dem, was er im Übermut bloßstellt, aber nicht vollständig, denn er bleibt bemüht, Lene den spielerischen Reiz zu erklären, den solche Gesellschaften nichtsdestoweniger besitzen. Jedenfalls entschädige der Klub. „Und im Club ist es wirklich reizend, da hören die Redensarten auf, und die Wirklichkeiten fangen an. Ich habe gestern Pitt seine Graditzer Rappstute abgenommen. (27).
Der Baron wird für seine Worte, die im Ernst gesprochen sind, nicht einmal von der Erzählung ironisiert. Später mag er sich prüfen; jetzt tritt hintei seinem ungebrochenen Verhältnis zu den Geselligkeitsformen des feudalen Offizierskorps die unerschütterte Standeszugehörigkeit des märkischen Junkers zutage, von der er geprägt ist. Zudem hat er nicht Unrecht. Zwar charakterisiert er durch den Geschmack, den er am Klub der Gardeoffiziere findet, in erster Linie sich selber. Aber daß dort die Wirklichkeiten anfangen, bewahrheitet sich mehr, als ihm recht und lieb sein wird.
Im Fortschreiten macht die Erzählung die Zusammenhänge nachvollziehbar, >n denen seine persönliche Lebensführung mit den konventionellen un
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