Heft 
(1985) 39
Seite
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die zwingenden Verhältnisse beim Namen nennt:Rienäcker ,hat 9 OOG jährlich und gibt 12 000 aus. 1 (51)

Mit diesem Übel, das sich in der Familie forterbt und ihren Besitz großen­teils aufgezehrt hat, muß vor allem gerechnet werden, ohne daß sich deshalb sozialökonomische Schlußfolgerungen anbieten, die über die bekannten Differenzierungsprozesse im Landadel hinausgingen: nicht umsonst werden die Rienäckers von den überaus begüterten und gefestigten Häusern Osten und Sellenthin flankiert. Wer Gustav FreytagsSoll und Haben oder Fritz ReutersUt mine Stromtid gelesen hatte oder auch nur den Inseratenteil der Kreuzzeitung kannte, wo die zum Verkauf stehenden Landgüter eine ständige Rubrik bildeten, erfuhr insofern nichts Neues. Für die junkerliche Lebensform, wie sieIrrungen, Wirrungen der Einsichtnahme und Beur­teilung unterbreitet, werden diese Prozesse in dem Augenblick wichtig, wo sie den gesellschaftlichen Status der Familie ins Wanken bringen. In dem Moment erweist sich immer der Erzählung zufolge die reiche und standesgemäße Heirat nicht bloß als eine probate Hilfe, sondern als die einzige Rettung, an der niemand ernsthaft zweifelt und zu der keiner eine praktikable Alternative kennt. Sie dient hier nicht, wie dann inPoggen- puhls, als Indikator einer Entwicklungstendenz (die sich dort in der Verbindung der verarmten Junker mit den Töchtern der Bourgeoisie äußert). Am Ende und in hochkomischer Gestalt wird eine Andeutung sicht­bar, als in der Kreuzzeitung der Regierungsreferendar und Lieutenant der Reserve Adalbert von Lichterloh und seine Frau Hildegard geb. Holtze ihre Vermählung anzeigen. (152) Davon abgesehen fungiert die Heirat noch ungeschmälert als ein Kernstück junkerlicher Lebensform, das die Standeszugehörigkeit, Vermögenssicherung und Fortpflanzung der Ge­schlechter gewährleistet und entsprechend sanktioniert ist. Die Realprozesse despreußischen Weges 17 der Entwicklung des Kapitalismus in der Land­wirtschaft werden im Hintergrund belassen, so daß diese Art der Heirat vermöge der Ausschließlichkeit, mit welcher der Statuserhalt des einzelnen und seiner Familie sowie die Regenerierung der Kaste an sie gebunden er­scheint, zum Indikator einer schlechterdings unproduktiven Existenz wird. In Botho von Rienäcker hat sie einen Exponenten:Wer bin ich? Durch­schnittsmensch aus der sogenannten Obersphäre der Gesellschaft. Und was kann ich? Ich kann ein Pferd Stallmeistern, einen Kapaun tranchieren und ein Jeu machen. Das ist alles, und so hab ich denn die Wahl zwischen Kunstreiter, Oberkellner und Croupier. Höchstens kommt noch der Trou- pier hinzu, wenn ich in eine Fremdenlegion eintreten will. (95)

Es ist zu wenig beachtet worden, daß in Fontanes Erzählung das Verhältnis zur Arbeit als wichtigstes Differenzkriterium zwischen den sozialen Lebens­formen auftritt. Unter diesem Versäumnis leidet besonders das Verständnis einer zentralen Episode, in der ihre Gegenüberstellung Grundsätzlichkeit annimmt. Als Botho den entscheidenden Brief seiner Mutter erhalten und zum Anlaß seiner Selbstprüfung gemacht hat, setzt er sich aufs Pferd, das ein Geschenk des Onkels und der Neid der Kameraden ist. Sein zielloser Ausritt beschert ihm mehrere Zeichen zum Bedenken und als letzten den Blick aufein großes Etablissement, ein Walzwerk oder eine Maschinen­werkstatt,(...) draus, aus zahlreichen Essen, Qualm und Feuersäulen in