die Luft stiegen.“ Davor sitzen Arbeiter, denen ihre Frauen, „manche mit einem Säugling auf dem Arm“, das Mittagessen gebracht haben. „Rienäcker, der sich den Sinn für das Natürliche mit nur zu gutem Rechte zugeschrieben, war entzückt von dem Bilde, das sich ihm bot, und mit einem Anfluge von Neid sah er auf die Gruppe glücklicher Menschen.“ (98)
Diesem kleinen „Bild“, einem wahren Idyll im Doppelsinn des Wortes, ist nicht gerecht zu werden, wenn man es einfach als Abbildung von großer Industrie und modernem Proletariat versteht oder, was der Wortlaut untersagt, aus Bothos subjektiver Perspektive hervorgehen läßt. 18 In Wirklichkeit kulminiert darin ein Motiv, das gerade vermöge seiner Vorgegebenheit Lene und Botho zur Lehre gereichen und der Erzählung zu ihrer Charakteristik dienen kann. Botho wird von dem Anblick zu seiner berühmten Schlußfolgerung veranlaßt: ,„Arbeit und täglich Brot und Ordnung. Wenn unsre märkischen Leute sich verheiraten, so reden sie nicht von Leidenschaft und Liebe, sie sagen nur: ,Ich muß doch meine Ordnung haben.“ Und das ist ein schöner Zug im Leben unsres Volkes und nicht einmal prosaisch. Denn Ordnung ist viel und mitunter alles. Und nun frag ich mich, war mein Leben in der .Ordnung“? Nein. Ordnung ist Ehe.““ (98) Daß ihm dann Lene vors innere Auge tritt, „als ob sie freundlich zustimme“, hat seine Richtigkeit ebenso wie die Worte, mit denen er sie anspricht: ,„Ja, meine liebe Lene, du bist auch für Arbeit und Ordnung und machst es mir nicht schwer ... aber schwer ist es doch ... für dich und mich.““ (98) Durch ihre Ehe wird Lene die Gleichsetzung von Ordnung und Ehe beglaubigen, für die er sie in Anspruch nimmt und auf die zurückzukommen ist. Ihr Verhältnis zur Arbeit liegt jedoch zutage, seit sie das erstemal in Person die Szene betrat — eine mit ihrer Heimarbeit beschäftigte Plättmamsell, die sich, als Botho seinen Besuch verschiebt, darauf besinnt: „Ein Glück, daß ich Arbeit habe, je mehr Arbeit, desto besser.“ (21) An einem kompositorisch noch stärker ausgezeichneten Punkt, in der letzten schönen Stunde, die ihnen bleibt, nimmt sie ihrerseits den idyllischen Anblick einer, wie es heißt, hübschen Magd, die mit einer herzlichen Arbeitslust am Ufer ihr Geschirr scheuert, voller Erregung als ein für sie bestimmtes Zeichen und eine Fügung auf. (81) Botho hat sie jetzt, im Nachhinein und in analoger Situation, verstanden.
Wenn man den Begriff nicht zu engherzig auslegt, dann sind die Figuren, die nicht der vornehmen Gesellschaft angehören, sämtlich in ihrer Arbeit dargestellt oder zu ihr in Beziehung gesetzt, und wäre es das Dienstmädchen, das im Haus am Wege Fenster putzt. Zu einem Teil geschieht das einfach, weil diese Gesellschaft mit Menschen umgeben ist, deren Leistungen sie in Anspruch nimmt und bezahlt. Auch der Wirt von Hankeis Ablage, Bothos und Lenes Ausflugsziel, fällt zuletzt noch unter diese Kategorie. Aber daß in den Gesprächen, die Botho mit ihm — oder später mit dem Droschkenkutscher — anknüpft, ihre Arbeit thematisiert wird, steht schon auf einem anderen Blatt. Vollends die Bewohner der Dörrschen Gärtnerei werden mehr als durch ihr geselliges Auftreten durch das Verhältnis gekennzeichnet und unterschieden, das der einzelne zu seinem Beruf, seiner Tätigkeit, seinem Gelderwerb hat. Darin liegt eines der wesentlichen Momente im Aufbau der Figuren, von denen keine, auch nicht
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