Heft 
(1890) 50
Seite
860
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heutigen Tags bei unbefangener Darstellung die Leser mit Grauen er­füllen muß; denn die Verfolgung der damaligen Jugend war eine un­erhörte, und ein so grausames Strafmaß, welches über die bloße Aeuße- rung von Gesinnungen Todesstrafe und lebenslängliches Gefängniß ver­hängte, erinnert an die Zeiten der Cäsaren und der französischen Schreckens­herrschaft. Und dabei bestand in Deutschland der tiefste Frieden. Den Höhepunkt erreichte die Reaktion mit den Karlsbader Beschlüssen. In­zwischen waren in den deutschen Mittelstaaten und kleinern Staaten nach langen Kämpfen zwischen den Regierungen und den Ständen Verfassungen eingeführt worden; über die Entwicklung und Gestaltung derselben giebt Biedermanns Schrift willkommene Auskunft.

Der zweite Band beginnt mit einer Darstellung der geistigen und literarischen Bewegung vor, in und nach dem Befreiungskriege und endet mit einen: Abschnitte:Wandlungen in Poesie und Philosophie"; es ist dies ein Gebiet, ans welchem der Kultur- und Literarhistoriker Biedermann vorzugsweise zu Hause ist und das er mit geistvollen Lichtblicken erhellt. Die Darstellung der politischen Vorgänge bringt in vier Kapiteln eine Geschichte des Bundestages bis 1824, schildert dann Deutschland unter den Rückwirkungen der Pariser Julirevolution von 1830, die Einflüsse der belgisch-polnischen Revolution, das Hambacher Fest, den preußisch­deutschen Zollverein, den hannoverschen Staatsstreich, die inneren Zustände des österreichischen Kaiserstaates und die Vorgänge auf kirchlichem Gebiet.

Beide Werke, znsammengefaßt unter dem TitelGeschichte Deutsch­lands vom Wiener Kongreß bis zur Aufrichtung des neuen deutschen Kaiserthums" sind dem Fürsten Bismarck gewidmet.

Gme geputzte Ehinefin. Eine Abendländern: kann mit den: Putz und den Zierathen einer Bewohnerin des Reichs der Mitte nicht wett­eifern, besonders wenn die letztere den vermögenderen Klassen angehört. Der Kragen, die Aermel, die Schuhe sind reich gestickt, oft aus Gold- und Silberzwirn; die Seidenstoffe sind mit Medaillons von Schmetterlingen brochirt; das Haar wird sehr sorgfältig geordnet, oft mit wirklichen Blumen oder mit lünstlichen aus Gold, Silber, Perlen, Nephrit, Edelsteinen oder mit Verzierungen von Glas geschmückt. Die Hausfrauen und die jungen Damen verfertigen übrigens ihre Kleider selbst, was dadurch sehr er­leichtert wird, daß die Mode keine wechselnde ist. Das Schminken ist allgemein Sitte bei jungen Mädchen und Frauen. Bei der schmutzig gelben Hautfarbe der meisten Chinesinnen erscheint das Schminken als ein noth- wendiges Nebel. Die von den Dichtern gefeierten Schönheiten haben alle Korallen- oder Pfirsichlippen, mandelförmige Augen, dunkle, hoch­geschwungene Augenbrauen. Da muß nun die Schminke nachhelfen, wo die Natur nicht genug gethan hat, um den Anforderungen der Dichter und auch der Volksmeinung an die weibliche Schönheit nachzukommen. Die Kamst des seinen Schminkens ist aber unbekannt; große Kleckse von rother Farbe werden auf dem mittleren Theile der Unterlippe angebracht und ans den ober:: Augenlidern; die Handteller und die Weißen sichelförmigen Theile der Nägel werden auch geschminkt. Im ganzen hat solch eine frisch herausgeputzte Chinesin etwas Puppenhaftes. ff

Meues Nürnberger Schattentheater. Licht und Schatten sind ein äußerst ausgiebiges Material, um allerlei dankbare Scherze für unsere Kinderwelt daraus zu formen. Von den kuriosen Schattcnfiguren, welche Hand und Finger auf die Wand zaubern, führt eine lange Stnfenreihe von Verwendungen dieser elementaren Kräfte bis hinauf zu reich ausgestatteten Schattentheatern, die ganze Tragödien und Komödien, Ritter- und Aus­stattungsstücke den staunenden Kleinen vorzuführen erlauben. Und was wäre auch mehr geeignet, kindliche Herzen in Entzücken zu versetzen, als wenn so die scharfumrissenen Silhouetten wohlbekannter Typen über den Hellen Hintergrund stolzieren und dazu ein phantasievollerTheater­direktor" die schönsten Geschichten erzählt! Wir haben wohl schon da und dort von einem kunstreichen Vater gehört, der in den Stunden seiner Muße- sie müssen indessen schon recht reichlich bemessen sein seinen

Kindern ein solches Schattentheater anfbaute und mit vielgestaltigen Requisiten" versah, mit Häusern, Bäumen, Kindern, Greisen, Bürgern, Soldaten u. s. w. u. s. w. Aber sie sind gezählt, die glücklichen Kinder, die eines solchen Vaters sich erfreuen. Da ist nun ein Nürnberger Spielwarenfabrikaut, C. Abel-Klinger, auf den Gedanken gekommen, ein solches Theater von möglichst einfachen und leicht zu handhabenden Formen ausznsinnen und auf fabrikmäßigem Wege in größerer Anzahl herzustellen. Ein hervorragender Künstler, der Direktor des bayerischen Gewerbemuseums, Th. v. Kramer, hat die Entwürfe für die Hintergründe und die Figuren geliefert, und so ist etwas recht Gediegenes zustande gekommen, was doch k einen: nicht zu kleinen Kreise zugänglich ist. Ueberall, wo dasNene Nürnberger Schattentheater" hinkommt, wird es sicher eine unerschöpfliche Quelle der Belustigung bieten, zugleich aber auch eine Anregung in jenem höheren Sinne, wie sie Goethe inDichtung und Wahrheit" schildert, wenn er sagt:Diese kindliche Unterhaltung und Beschäftigung (er meint damit sein Puppentheater) hat auf sehr mannigfaltige Weise bei mir das Erfin- dungs- und Darstellungsvermögen, die Einbildungskraft und eine gewisse Technik geübt und gefördert, wie es vielleicht auf keinem andern Wege in so kurzer Zeit, in einem so engen Raume, mit so wenigem Aufwand hätte geschehen können:"

Kriegsbeute. (Zu den: Bilde S. 844 u. 845.) Hussein Ben Ali, der Beherrscher von Abuam liebte. Hunderte von Sklavinnen standen seinen Launen zur Verfügung, er aber begehrte Selima, die schöne Braut des Bei Sidi Mohammeds drüben am Gebirge. Seine Späher brachten Kundschaft, daß der tapfere Bei mit der Blüthe seiner Krieger auf Raub ausgezogen sei; da sendet Hussein Ben Ali seine Macht gegen den Nachbar und in leichten: Kampfe werden die Zurückgebliebenen überrumpelt, die Stadt verbrannt. Triumphirend kehren die Sieger zurück und treten mit den erbeuteten Fahnen und der gefangenen Fürstenbraut vor ihren Gebietcr.

Mit der würdevollen Ruhe des Orientalen empfängt sie Hussein Ben Ali inmitten seines Rathes; wer erkennt auf dem Marmorgesichte den Sturm der Leidenschaften, der seine Brust durchtobt! In edlem Stolze steht die Begehrte vor ihm, die Fürstenbraut als Sklavin.

Aber noch während der Anführer der glücklichen Kriegerschar seiner Belohnung harrt, der schwarze Hofmusikus und Märchenerzähler rechts im Vordergründe überschwängliche Worte zum Preise der neuen Lieblings­sklavin zusammendichtet, sind ans windschnellen Rossen, getrieben von wildem Schmerz und blutigem Rachedurst, Sidi Mohammed und seine kampf- gewohnten Scharen schon über die Grenze von Husseins Reich hereinge­brochen. Noch wenige Stunden, und Mohammed, der Niebesiegte, eilt durch den brennenden Palast seines Todfeindes, die Geliebte zu retten. A.

Kleiner Briefkasten.

Verlagen ^ ^nen Vortheil davon zu haben glauben' (Leipzig,

Anhalt: Sonnenwende. Roman von Marie Bernhard (15. Fortsetzung). S. 841. Schneeflöckchen. Bild. S. 841. Kriegsbeute. Bild. S. 844 u. 845. Hermann Helberg. Bon Ernst Wechsler. Mit Bildniß S. 849. Denksprüche von D. Sanders. S. 850. Bellamys Znkunftsstaat. S. 851. Finstere Mächte. Eine Bauerngeschichte von Etmar Weidrod (1. Fortsetzung). S. 852. Hinterlist Bild. S. 853. Die Schlaraffengesellschaft. Von Schmidt-Weißenfels. S. 857. Mit Abbildungen S. 857 u. 858. Blätter und Blüthen: Frauen-Dank. S. 859. Schön und jung zu bleiben. S. 859. I. G. Fischer. S. 859. Ein Geschichtswerk von Karl Biedermann. S. 859. Eine geputzte Chinesin. L. 860. Neues Nürnberger Schattentheater. S. 860. Kriegsbeute. S. 860. (Zu dem Bilde S. 844 u. 845.) Kleiner Briefkasten. S. 860.

Girre poetische Kcröe für: öen Weihnachtstisch öes deutschen Kaufes.

Soeben erschien:

KoLla'scher Musen-Atmanach

Mr? das Jahr? 1891.

Lin Band von 20 Bogen mit sechs Runstbeilagen in Photogravüre in zierlichem Griginaleinband mit Goldschnitt. Preis M.6..

Der Musen-Almanach, einst hochberühmt durch die Mitarbeiterschaft Schillers und Goethes, tritt nach fast jahrhundertlanger Pause zeit­gemäß verjüngt und verschönt wieder in die Öffentlichkeit. Im Anschluß an seine berühmten Vorbilder bietet der neue Musen-Almanach eine reiche Fülle kostbarer dichterischer Blüthen aus den: Gebiete der Novelle, poetischen Erzählung, der Lyrik und des Epigramms. Drei Novellen, Kabinettsstücke dichterischer Erfindung und Darstellung, eröffnen den Reigen:

Der Probierstein" von Georg Ebers.Lieb' läkL stch nicht lumpen" von P. K. Rosegger.

Wastertropfen" von Richard Weilbrechl. ^

Denselben schließt sich eine Reihe poetischer Erzählungen und Balladen von Martin Greif, M. Haushofer, Al. Kaufmann, C. Lemcke, Conr. Ferd. Meyer, Alb. Moefer, O. Roquette, H. Vierordt, Sophie Waldbnrg und Ernst Ziel an. Die Gedichte verschiedenen Inhalts und die lyrischen Dichtungen zählen zu ihren Vertretern: F. Avenarius, Fr. Bodenstedt, H. Bulthaupt, F. Dahn, M. von Ebner-Eschenbach, E. Eckstein, I. G. Fischer, A. Fitger, L. Fulda, Jul. Grosse, C. Hecker, Wilh. Hertz, H. Hossmann, R. Graf Hoyos, W. Imsen, W. Jordan, M. Kalbeck, I. Kurz, H. Lingg, St. Milow, G. v. Oertzen, Ed. Paulus, A. Pichler, E. Rittershaus, I. Nodenberg, F. von Saar, G. Scherer, L. Schneegans, Prz. Emil zu Schoenaich-Cürolatl, , E. Schoenhardt, A. Silberstein, R. Weitbrecht, A. Wilbrandt, K. Woermann u. a., während die Kunstbeilagen nach Originalen von F. A. von Kaulbach, W. Kray, Ehr. Kröner, H. Lossow, G. von Höstlin und R. Geiger hergestellt sind. Auch durch die reizvolle Ausstattung, den eleganten Einband von mattblauem Brokat-Kaliko mit reicher Vergoldung in zierlichem Rokokostil, eignet sich das Buch zu einem sinnigen Festgeschenk.

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Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag vön Ernst Keil's Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.