Gärtnerhauses und seiner Insassen erinnert hatte, so hatte sich ihm selbstverständlich alles so vor die Seele gestellt, wie’s einst gewesen war, und nun war alles anders, und er hatte sich in einer ganz neuen Welt zurechtzufinden: in dem Häuschen wohnten Fremde, wenn es überhaupt noch bewohnt war, auf dem Herde brannte kein Feuer mehr, wenigstens nicht tagaus, tagein, und Frau Nimptsch, die das Feuer gehütet hatte, war tot und lag draußen auf dem Jakobifriedhof.“ (140) Und Lene wird heiraten. Jetzt ist die Liebesgeschichte endgültig Vergangenheit, und mit der Droschkenfahrt zum Grabe der Frau Nimptsch, der er den versprochenen Immortellenkranz bringt, und der Verbrennung der Erinnerungsstücke, die er von Lene behalten hat, nimmt er das zweite Mal und endgültig Abschied. So weit kann er nun mit der Ruhe, die sein Wunsch ist, in die Zukunft seiner Ehe blicken. Rexin gibt ihm die Gelegenheit, sich auch zu bestätigen, daß er richtig gehandelt hat. Aber geholfen ist ihm nicht; das Gefühl bleibt souverän, er wird nicht frei sein, weil er es nicht will. (151) Auch Käthe kehrt verändert aus Schlangenbad zurück, verändert zwar nicht in ihrem Charakter und ihrer Unterhaltung, wie sie sich ausdrückt (160), wohl aber mit der Erfahrung versehen, daß Mr. Armstrong, schottischer Kolonialoffizier und „Kavalier comme il faut“ (63), ungleich besser als Botho mit ihrem Naturell harmoniert. Ihre Berichte und die versteckte Versuchungs-Symbolik, die sich mit Schlangenbad und Armstrong verbindet 23 , verleihen dem kleinen Mißgeschick, das sie bei der Rückkehr in ihrer Wohnung empfängt, Bedeutung für beide Seiten. Als sie bemerkt, daß dem „Willkommen“, das etwas schief an einer Girlande hängt, ein „1“ fehlt, quittiert sie das mit der lachenden Bemerkung: „Willkommen. Aber bloß mit einem ,Y, will sagen nur halb. Ei, ei. Und ,L‘ ist noch dazu der Liebesbuchstabe. Nun, du sollst auch alles nur halb haben.“ (161) In dieser auf geteilte Liebe gestellten Ehe besteht wenig Änderungsaussicht. Im Gegenteil: die Schlußszene repetiert den bekannten Vorgang, daß Käthe Botho an seine Vergangenheit erinnert, Sie hat in der Zeitung Lenes Hochzeitsanzeige entdeckt und mokiert sich über die Namen. Botho sucht seine Verlegenheit zu verbergen — Verlegenheit ist nach dem Glück das am häufigsten eingesetzte motivische Wort der Erzählung — und bemerkt: „Wast hast du nur gegen Gideon, Käthe? Gideon ist besser als Botho.“ (171)
Bothos letztes Wort läßt daran denken, daß er nach seinem Verständnis im Gegensatz zu Gideon Franke „aus Ordnung und guter Sitte“ (152) herausgetreten ist und bleibt, und führt zurück auf den Satz, durch den er seinerzeit der Trennung von Lene den sittlichen Nimbus verliehen hatte: „Ordnung ist Ehe.“ (98) Diese viel umstrittene Formel, die leicht vergessen läßt, daß es sich um die standesgemäße Verbindung handelt, vereint die Sinngebung mit der Handlungsanweisung; sie funktioniert nicht für Botho allein, sondern auch für die Figuren neben ihm und verweist auf die Ambivalenz des Wertbewußtseins, das er mit den maßgebenden unter diesen teilt. Während die Ausdrucksweise wechselt., bleibt die Orientierung an Ordnung, Wahrheit, Pflicht, Recht, Sitte bestehen. Es sind Kriterien, die über die Grenzen der sozialen Lebensformen hinweg das Zusammenleben gewährleisten, aber zugleich die Respektierung der gegebenen Ver-
94