erörtert, verlegerische Projekte damit umfassend gesellschaftlich eingebettet. Der Wunsch nach ähnlichen Darstellungen für andere Länder wurde laut.
II. Krankheit und Medizin im literarischen Text
Interdisziplinär war dieses Thema dadurch besetzt, daß ein Arzt und Medizin-Historiker (B. Knick) einleitete und damit das Thema von vornherein aus der dünnen Luft innerliterarischer Deutungen befreite. Fontanes kritisches Verhältnis zur Schulmedizin rückte in größere Zusammenhänge, die (wie seine Texte) Gegenstand mehrerer Disziplinen, nicht zuletzt auch aktueller Fragen aus sozialethischer Sicht, werden. Dieser Neuansatz birgt methodische Probleme, weil z. B. Fontanes „Frauenkrankheiten“ nicht unabhängig vom Medium literarischer Gestaltung betrachtet werden dürfen.
Wie also gewinnt man solche Diagnosen? Nimmt man die Arztfiguren in seinen Romanen und die Biographie als Apotheker hinzu, so ist saubere Trennung der Ebenen (nahe personelle und weite gesellschaftliche durchdringen sich) besonders geboten.
„Unwiederbringlich“ erwies sich als besonders ergiebig bei so komplexer Befragung; aber eben auch schwierig da, wo die vermittelnden Ebenen ineinander übergehen. Von der zeitgenössischen Psychiatrie (dem Krankheitsbild „Melancholie“) über direkt politische Bezüge (Preußen und Dänemark) bis zu den biographischen Kontexten (Herrnhut-Problematik) reichten die Überlegungen. Was dem einzelnen Referenten oft nicht ganz gelang, machte das Ganze sichtbar.
So wird es das DDR-Fernsehen, das den Stoff jetzt verfilmt, schwer haben, die Vielfalt der Bezüge sichtbar zu machen. Erfreulich, daß die Filmemacher am Dialog interessiert sind. Neue Bildlösungen können andererseits die Lesearten des Textes für die Wissenschaft bereichern.
III. Ideologiekritische Aspekte. Strömungen und Tendenzen
Die Einzelthemen innerhalb dieses Komplexes tendierten nicht alle zur Synthese. Dennoch wurden die über Fontane hinausweisenden Aspekte für die Forschung nutzbar.
Die „Ambivalenz bürgerlicher Klassikbewertung“ liegt wohl zunächst in ihrem Wesen: Erbe wird da für neue Bedingungen nach der Entstehung des Kaiserreiches gesichtet. Man weiß um Schillers Integration als patriotischer Dichter und daß Büchmanns gesammelte Zitate mehr und mehr die Lektüre von Goethes gesammelten Werken ersetzte.
Fontanes Rezensionen der „Räuber“ oder der „Iphigenie“ etwa offenbaren in diesem Lichte das Allgemeine und das Besondere. Gegen Heroenkult gerichtet, halfen sie dem Dichter, das eigene Programm auszubilden, werden Klassikerzitate zur Kennzeichnung von „Redensartlichkeit“ (in „Frau Jenny Treibei“) oder überholten Lebensformen (z. B. als „Faust“- Persiflage im „Stechlin“) eingesetzt.
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