Heft 
(1906) 03
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der Schoten dienen den Wüstenbewoh­nern als Nahrungsmittel und auch als Futter für ihre Pferde und Maul­tiere. Aus den Zweigen des Baumes versteht der Wüstenindianer gute Körbe zu flechten, und das Stammholz ver­wendet er zum Bau feiner Hütten.

Ist es genügend dick, so eignet es sich auch vorzüglich als Werkholz für Möbeltischlerei, denn das Herzholz ist reich gefärbt von Gelbrot bis zu Purpur und nimmt ebenso wie das fahlgelbe Splintholz eine schöne Politur an.

Ferner liefert das Holz das ein­zige Brennmaterial in der Wüste.

Außerdem schwitzt der Mesquite vom Mai bis September einen bern- steinsarbigen Gummi aus, der hier und dort gesammelt und als Ersatz für den arabischen Gummi verwendet wird. Der Mesquite eignet sich schließ­lich vorzüglich zur Bildung von Hecken und Schutzwänden, und so wurde er von Heinrich Semler und anderen zur regelrechten Anpflanzung in regen­armen Gegenden halb tropisch er Ge­biete empfohlen.

Aas Mratenschiff. (Zu dem

Bild Seite 71.) Während des langen Seekrieges zwischen England und Frank­reich um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts fehlte es nicht an Frei­beutern, die auf eigene Rechnung zwischen den feindlichen Flotten kreuz­ten und den Angriff auf größere Schiffe wagten. Einer der berüchtigtsten unter ihnen war der frühere Seeoffizier Scott, der, aus der englischen Flotte ausgestoßen, sich doch wieder ein Schiff zu verschaffen wußte, dieDefiance". Aben­teurer jeder Art, Schwarze und Weiße, entlaufene Galeerensträflinge und sonstige Verzweifelte bildeten die Bemannung des Seeräuberschiffs. Kapitän Scott band für gewöhnlich nur mit französischen und spanischen Schiffen an, also mit Landesfeinden, die er ohne jeden Gewisfensbiß plündern konnte. Dazwischen aber verschmähte er auch nicht, gelegentlich einen friedlichen englischen Kauffahrer um sein Gut zu erleichtern, wenn just kein größeres Kriegsschiff in Sicht war. Aber auch im Fall der plötzlichen Überraschung durch ein solches verließ ihn seine tollkühne Verwegenheit nicht, wie an dem Tage, den unser Bild vorstellt. Er nahm, ungenügend gerüstet, den Kampf mit einem großen spanischen Kriegsschiff auf, hatte aber bald seine ganze Munition verschossen, ohne dem Gegner großen Schaden getan zu haben, während dessen Kugeln seine Schiffsbrüstung durchbohrt und eine Kanone unbrauchbar gemacht hatten. Das war der Moment, um nun die weiße Flagge zu hissen und sich zu ergeben. Kapitän Scott aber dachte nicht daran, er richtete das Kanonenrohr zum Schein neu nach außen, ließ die Mannschaft Kampf­stellung nehmen, die Piratenfahnen schwenken und Geschrei erheben, als solle ein neuer Angriff beginnen, und erlebte es wirklich, daß der über­legene Gegner keine Boote zum Sturm auf dieDefiance" ausfetzte, Indern den Kurs äuderte und davonfuhr. Der kühne Seeräuber aber

Der Mesquitebaum.

Zwerg-Ameisenfresser aus dem Berliner Zoologischen Garten.

triumphierte, daß es ihm gelungen war, mit so geringem Schaden fein Schiff aus einer hoffnungslosen Lage zu retten.

Hin Zwerg-Ameisenfresser im Berliner Zoologischen Karten. (Zu vorstehendem Bilde.) Bei einzelnen Säugerierordnungen, wie bei den Kerbtierfressern und den sogenannten Zahnlosen, ist es schwer, ein be­stimmtes gemeinsames Kennzeichen zu finden. Namentlich die letzteren be­stehen aus sehr unähnlichen Gruppen. Sogar die Zahnlosigkeit ist nur für wenige bezeichnend; es gibt unter ihnen einige, die eine größere Zahl von Zähnen als die meisten anderen Ordnungen aufweisen, und die Zahnlosigkeit findet sich auch bei einigen Walen und den: Schnabel­

igel. Unter den ,,Zahnlosen" sind nur die afrikanischen und südasiatischen Schuppentiere und die amerikanischen Ameisenfresser wirklich zahnlos. Wie es Schuppentiere gibt, die auf dem Erdboden leben, und solche, die ihren Aufenthalt auf Bäumen haben, jo muß man unter dem Ameisenfresser auch Boden- und Baumsormen unter­scheiden. Der bekannte große Ameisen­bär mit riesigem buschigen Schwanz vermag nicht zu klettern, dagegen hal­ten sich der mittelgroße vierzehige Ameisenfresser und der Zwerg-Ameisen­fresser im Gezweige der Urwaldbäume auf. Namentlich der letztere lebt sehr- versteckt und wird nur selten gefangen oder erlegt. Er ist jetzt zum ersteu Male in einen Tiergarten des euro­päischen Festlandes gelangt. Dieses Tierchen ist nur so groß wie ein kleines Eichhörnchen. Die etwas nach unten gebogene Schnauze endet in eine wür­zige, rundliche Maulöffnung, aus dcr­eme lange, wurmförmige Zunge her­vorgestreckt werden kann. Der Rumpf ist mit seidenartig glänzenden weichen Haaren bedeckt, der lange Schwanz zeigt eine große Beweglichkeit, hat auf der Unterseite vor der Spitze ein nacktes Feld und dient als Greifschwanz. Die Vordergliedmaßen haben nur zwei aus­gebildete Finger, von denen einer eine verhältnismäßig sehr große und starke Kralle, der andere eine schlankere und schwächere Kralle trägt. Diese sieht man auf dem Bilde nicht, weil sie einwärts getragen werden und weil sich das Tierchen auf eine Schwiele an der Innenseite der Handwurzel stützt. Die Hinterbeine sind mit vier durch spitze Krallen ausgezeichneten Zehen versehen und dienen zum Kletten: und Umklammern von Zweigen. Der Zwergameifenfresfer reißt mit der scharfen Fingerkralle die Baum­rinde auf und zieht mit der klebrigen Zunge die freigelegten Ameisen hervor. Seine Armknochen sind breit und mit kräftigen Ansätzen für gewaltige Muskeln versehen, so daß er trotz der Kleinheit des Körpers große Kraft an­wenden kann. Gegen Angriffe von Raub­tieren schützt ihn eine eigentümliche Einrich­tung des Knochen­gerüstes. Die Rippen sind sehr flach und greifen mit den Rändern über­einander, so daß das Tier­chen, nachdem es sich zu- sammengerollt und den Kopf und Schwanz unter dem Leibe verborgen hat, von einem unter der Haut gelegenen Knochenpanzer eingehüllt erscheint. Der Zwerg- ameisenfresfer ist über einen großen Teil von Südamerika verbreitet.

Er findet sich sogar noch in Mlttelamerika. Man unterscheidet jetzt schon vier verschiedene Arten, die sich in den einzelnen großen Fluß­gebieten verbreiten und durch gewisse Färbungsmerlmale leicht erkannt werden können. Matschie.

Das Sehen in die Kerne. Es ist durch Erfahrung festgestellt, daß Naharbeit, anhaltendes Lesen und Schreiben, Nähen und Sticken die Ausbildung der Kurzsichtigkeit begünstigt. Zum guten Teil können diese schädlichen Einflüsse ausgeglichen werden, wenn man dem Auge reichlicher Gelegenheit bietet, in die Ferne zu sehen und auf diese Weise sich zu stärken. Unsere Schuljugend sollte darum namentlich in de:: Städten mehr zum Sehen in die Ferne angehalten werden. Am besten geschieht das durch Übungen, gleichviel welcher Art, im freien Gelände. Freilich dürfen sich diese Übungen nicht nur auf die schöne Jahreszeit beschränken. Der Winter ist für die Augen die schlimmste Zeit. Man wird in ihm zum Stubenhocken und zur Naharbeit auch in den Er­holungsstunden verleitet. Es sind also auch im Winter Ausflüge ins Freie nicht nur für die allgemeine Gesundheit, sondern auch zur Stärkung der Augen nötig. Außerdem sollte man aber auch sonst Kinder und Schüler zum häufigeren absichtlichen Sehen in die Ferne anhalten.

Generalfeldmars chall Graf von Äaeseler.

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