Heft 
(1985) 39
Seite
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Antifaschistisches Engagement stand nicht in Frage in dieser Runde, weil Texte Geschichte auf saugen und auch Fontanes Äußerungen über Juden seit Auschwitz nicht mehr ohne Unschuld gelesen werden können (so 2megac). Historische Disziplin und methodisches Differenzierungsvermögen wurden verlangt und welche Sternstunde! von H. Denkler und J. Schillemeit überzeugend vorgeführt.

Auch D. Borchmeier, Th. Anz und H.-O. Horch wußten anregend zur Geschichte des Antisemitismus beizutragen, so daß Zeittypisches und Besonderheiten bei Fontane in Beziehung gesetzt werden konnten in einem ersten Aufriß gewissermaßen (wenn man die Arbeiten Paulsens, die bekannt waren, einmal vernachlässigt). Der Vergleich mit Raabe, besonders aber der Längsschnitt durch Fontanes Werk (und damit histo­rische Differenzierung) förderte fruchtbare Fragen zutage.

Sonderbar, die Juden bei uns thuen die deutsche Kulturarbeit und die Deutschen leisten als Gegengabe den Antisemitismus zitiert F. einen Gesprächspartner (an Friedlaender, 4. 10. 1891) und fügt hinzu:Kolossal richtig, leider die erste Hälfte noch richtiger als die zweite.

Es gibt andere (negative) Urteile bei Fontane, die nicht die historische Dimension einer Umschau zwischen Adel und Bourgeoisie besitzen, aber gerade in diesem Kontext gewinnt das Thema an Bedeutung: als Teil Fontanescher Gesellschaftsanalyse (vermittelt durch eine Fülle persönlicher Beziehungen).

Mit zum Teil unveröffentlichtem Material (Aufsätzen zu Fragen von Juden­tum und Gesellschaft) konnte J. Schillemeit überraschende Fragen auf­werfen.

In dem Maße, in dem F. das kulturelle (und wohl auch historische) Ver­sagen des Adels konstatiert, einearistokratische Lebensform dennoch suchend bejaht, bewegen ihn Widersprüche, die produktiv ins Vor- bzw. Umfeld des Spätwerkes führen. Immer wieder von der Frage (zukünftiger) neuer Entwicklungen bewegt, beobachtet F. auch die Grenzen jener kultu­rellen Kräfte im damaligen Berlin. Die Geschichte der Fortschrittspartei und die Differenzierung der liberalen Opposition nach 1866 müßte hinzu­genommen werden, um F.s Suche einzubetten.

Solche und andere Anregungen vermittelte die Diskussion (H. Denkler stellte J. Sch. Material zu Raabe, Freytag, Auerbach, Fr. Reuter und J. Jacoby zur Verfügung) Zusammenarbeit bahnte sich an und lenkt unser Interesse auch bei diesem Thema auf die zeitgeschichtlichen perso­nellen und institutionellen Vermittlungen (vgl.Fontane-Blätter, Heft 38/1984, S. 616ff.). Das nächste Konferenzprojekt lautetFontane im lite­rarischen Leben seiner Zeit (Potsdam, 1986).

V. Krieg und Literatur

M. E. blieb innerhalb dieser Gruppe von Beiträgen am meisten offen. Das entspricht durchaus dem Thema der Tagung, ist aber auch durch die Forschungslage und (mit Ausnahme des französischen Beitrages) durch die Materiallage bedingt. Fontanes Kriegsbücher sind zu wenig behandelt,

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